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25.01.2024 | Forderungsmanagement | Gastbeitrag | Online-Artikel

Säumige Kunden durch Framing bewegen

verfasst von: Sebastian Clajus, Ricarda Conrad

4 Min. Lesedauer

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Säumige Kunden gehören zum Alltag im Forderungsmanagement. Doch Unternehmen können Verbraucher mit der richtigen Kommunikation zum Handeln bewegen. Sie nutzen das sogenannte Framing, um bestimmte Entscheidungen anzustoßen.

Menschen entscheiden manchmal, nichts zu tun, obwohl sie wissen, eine aktive Handlung würde wahrscheinlich zu besseren Ergebnissen führen. So verkaufen Investoren schlecht performende Aktien nicht, auch wenn der Markt klare Signale sendet. Heuristiken, also mentale Daumenregeln, prägen häufig Finanzentscheidungen. Sie ermöglichen einfache und schnelle Entscheidungen bei komplexen Problemen. Diese Automatismen sind nützlich und notwendig, können in bestimmten Fällen aber zu Ergebnissen führen, die finanziell nachteilig sind. 

Ein Grund, warum zum Beispiel Investoren in entsprechenden Situationen seltener aktiv werden, als sie sollten, bezeichnen Verhaltenswissenschaftler als Omission Bias oder zu Deutsch als Unterlassungseffekt. Dieser beschreibt die Tendenz, in Entscheidungssituationen eher nichts zu tun oder passive Handlungen zu bevorzugen. Das gilt auch dann, wenn eine Handlung wahrscheinlich eine bessere Lösung bietet. Diese Neigung kann auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sein, wie etwa moralische Bedenken, Angst vor Verantwortung oder Verlustaversion. 

Kommunikativ die Entscheidungsarchitektur verändern

Neben Regulierung, (monetären) Anreizen und Überzeugungsarbeit lässt sich menschliches Verhalten durch Änderungen der sogenannten Entscheidungsarchitektur beeinflussen. Hierbei werden nicht die Optionen oder deren Resultate verändert, wie das beispielsweise bei Verboten oder Steuern der Fall ist. Vielmehr werden Faktoren im direkten Umfeld der Entscheidung so angepasst, dass einerseits das Verhalten in eine bestimmte Richtung gelenkt wird, andererseits die Entscheidungsfreiheit nicht eingeschränkt wird.
 
In der Praxis spielt dabei der sogenannte Framing-Effekt eine zentrale Rolle. Er rückt bestimmte Aspekte einer Entscheidung in den Vordergrund oder präsentiert Informationen in einem speziellen Kontext. Dadurch können Entscheidungen gezielt beeinflusst und kognitive Verzerrungen wie der Omissin Bias teilweise korrigiert werden.

Säumigen Kunden Verantwortung zuweisen

Eine entsprechende Kommunikation, die Kunden gezielt zum Handeln auffordert, gibt es auch im Forderungsmanagement. So hat die Feldstudie "Digital Communication Strategies: The Impact of Framing in Debt Collection Messages" mit über 9.000 Probanden den Effekt einer herkömmlichen, neutral formulierten Zahlungserinnerung und einer Nachricht mit dem sogenannten Omission-to-Commission Framing auf das Verhalten säumiger Verbraucher untersucht. Letzteres zielte direkt auf den Omission Bias ab, der - so die Hypothese - zumindest in Teilen erklärt, warum einige Verbraucher ihre offene Rechnung auch nach mehreren Erinnerungen nicht bezahlen. 

Speziell sollte durch die Aussage

Bisher haben wir den fehlenden Zahlungseingang als ein Versehen Ihrerseits betrachtet. (…) Sollten wir keinen Zahlungseingang feststellen, behandeln wir dies als Ihre aktive Entscheidung, Ihre Forderung nicht zu begleichen"

den Verbrauchern mehr Verantwortung für ihr Handeln zugewiesen werden, um eine bewusste Entscheidungsfindung zu fördern. 

Studie belegt größere Wirkung auf Frauen

Die Studie belegt, dass das Framing einer Zahlungserinnerung grundsätzlich das Reaktionsverhalten beeinflusst. Wird der Effekt von Geschlecht, Alter und Höhe der Forderung herausgerechnet, reagierten die Probanden signifikant eher auf eine Zahlungserinnerung, wenn das Omission-to-Commission Framing verwendet wurde. Insbesondere zeigte es eine größere Wirkung bei Frauen, indem es die Wahrscheinlichkeit einer Reaktion erhöhte.

Somit können bereits kleine Nuancen in der Formulierung messbare Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung haben, die zuvor unbewusst gesteuert wurde. Im speziellen Fall des Omission Bias bedeutet das: Die Umformulierung einer Unterlassung in eine Handlung kann eine effektive Strategie sein, um Passivität in Aktivität zu verwandeln.

Zusätzliche Anreize gegen den Omission Bias

Um dem Omission Bias in der Praxis entgegenzuwirken, braucht es also Verständnis, warum beispielsweise Kunden davor zurückschrecken, aktiv zu werden. Die Umwandlung einer Unterlassung in eine aktive Entscheidung durch das Framing ist eine zentrale Strategie, die sich durch zusätzliche Ansätze ergänzen lässt:

  • Transparenz und Kommunikation: Eine klare und verständliche Kommunikation über Optionen und Konsequenzen kann helfen, Friktionen abzubauen und informierte Entscheidungen zu ermöglichen. Vor- und Nachteile verschiedener Handlungen sollten deutlich aufgezeigt werden.
  • Anreize für aktive Entscheidungen: Die Einführung von Anreizen für aktive Handlungen kann dazu beitragen, die Bereitschaft zur Aktion zu erhöhen. Anreize müssen nicht monetär sein, Handlungen können auch durch soziale oder spielerische Elemente, etwa in Form von  Gamification, angeregt werden.
  • Bewusstsein schaffen: Sensibilisierung für den Omission Bias kann dazu beitragen, dass bestimmte Zielgruppen bewusster handeln und die Auswirkungen des Effekts minimiert werden.
  • Entscheidungen abnehmen: Trifft eine Person keine aktive Entscheidung, dann ist es manchmal möglich, die Default- oder Standardoption zu ändern, die in diesem Fall realisiert wird. Das führt zwar nicht unbedingt zu aktivem Handeln, kann aber negative Folgen des Omission Bias abmildern.

Fazit: Das menschliche Verhalten und seine Entscheidungsprozesse sind komplex. Nicht jede Maßnahme wirkt in jedem Fall und für jede Zielgruppe. Strategien auf verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnissen aufzubauen, kann Verbrauchern jedoch helfen, die für sie besseren Entscheidungen zu treffen, die beispielsweise ein teures Inkassoverfahren abwenden oder zumindest verkürzen.

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