Die meisten Unternehmen sind überzeugt, dass Künstliche Intelligenz große Chancen bietet. Für die eigene Firma und Branche wird die Technologie aber oft als Risiko angesehen. Es gibt Berührungsängste und es mangelt an Best-Practice-Beispielen.
Im Jahr 2019 wurden in Deutschland schätzungsweise 220 Milliarden Euro Umsatz durch KI-Anwendungen beeinflusst (Quelle: Statista). Ganz vorn dabei sind die Automobil- und die Konsumgüterproduktion. Laut den IW-Trends 4/2019 des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) setzen bis dato zehn Prozent der Unternehmen aus Industrie und industrienahen Dienstleistungen Künstliche Intelligenz (KI) ein. 3,7 Prozent haben dabei die Anwendungen selbst entwickelt, 5,9 Prozent kaufen sie von anderen Firmen als Serviceleistung ein. Weniger als ein Prozent erwirbt KI durch Unternehmensbeteiligungen.
Die Anwendungen sind häufig bereits ausgereift und in der Praxis bewährt, zum Beispiel als komplett KI-basierte Produkte und Dienstleistungen. In den letzten beiden Jahren haben die KI anwendenden Unternehmen im Schnitt jährlich ein Prozent ihrer Umsätze in die Technologie investiert, so der IW-Trendbericht, für den 686 Geschäftsführer aus Industrie und industrienahen Dienstleistungsunternehmen in Deutschland im Frühjahr 2019 befragt wurden.
KI schürt Angst vor dem Unbekannten
Allerdings zeigt die Erhebung auch, dass 71 Prozent der befragten Firmen aktuell nicht mit KI arbeiten und dies auch künftig nicht vorhaben. Zudem halten 40 Prozent der Unternehmen, die Künstliche Intelligenz nicht nutzen, sie sogar für eine Bedrohung für das eigene Geschäftsmodell. 19 Prozent der Befragten planen derweil, KI einzusetzen.
"Unternehmen, die Erfahrung mit der Technologie haben, sind gegenüber KI wesentlich aufgeschlossener eingestellt als andere", stellt Studienautorin und IW-Digitalisierungsexpertin Vera Demary fest. Um Berührungsängste ab- und Akzeptanz aufzubauen, würden mehr Best-Practice-Beispiele gebraucht, erklärt Co-Autor und IW-Datenexperte Henry Goecke. Firmen erhielten dadurch konkrete Hinweise, wie und in welchen Bereichen sie KI anwenden können und welches Potenzial KI ihnen biete.
Höhere Umsätze mit KI-Automatisierung
Die Deloitte-Studie "Intelligent Automation" attestiert in punkto Artificial Intelligence (AI) ebenfalls noch viel ungenutztes Potenzial. So gaben im Frühjahr 2019 zwar 58 Prozent der weltweit knapp 530 zu ihren Automatisierungsstrategien befragten Executives an, schon intelligente Automatisierungslösungen zu nutzen. Jedoch spielt KI bei fast der Hälfte der Befragten in ihrer Automatisierungsstrategie keine relevante Rolle. Dabei belegt die Studie, dass Unternehmen, die künstliche Intelligenz aktiv in ihre Automatisierungsstrategien einbeziehen, ein größeres Umsatzwachstum erzielen (8,5 Prozent) als Firmen, die allein auf Robotics Process Automation (2,9 Prozent).
Und auch diese Studie liefert Hinweise, dass mehr praktische Anwendungsbeispiele hilfreich sein könnten, um Unternehmen Wege zur Arbeit mit Künstlicher Intelligenz aufzuzeigen: Der Deloitte-Studie zufolge gehört die Identifizierung relevanter und geeigneter Anwendungsfälle zu den drei am häufigsten genannten Schwierigkeiten bei der Implementierung von AI.
Viele KI-Anwendungen im Alltag
Dabei sollte es angesichts der zunehmenden Verbreitung von künstlicher Intelligenz auch im Alltag vieler Menschen eigentlich gar nicht so schwer sein, hier Anregungen für eigene geschäftliche KI-Anwendungen zu bekommen. Man denke nur an Übersetzungs-, Spracherkennungs- und -steuerungstools oder Chatbots. Unter anderem im Vertrieb werden solche Technologien vermehrt genutzt.
"Beim Auftragsmanagement im Vertrieb lässt sich die heute schon weit verbreitete Automatisierung durch Spracheingabe noch weiter vereinfachen. Beim Angebotsportfolio können Datenanalysen, etwa die Suche nach digitalen Zwillingen, Kundenwert-Analyse, Bonitätsprüfung oder auch AB-Tests wie zum Beispiel das Eyetracking bei Landingpages sowie die Überprüfung von Videos (refineAI) helfen", erläutert Gabriele Horcher im Interview mit der Fachzeitschrift Sales Excellence (Seite 41). Die Kommunikationsexpertin rät aber auch, KI-Projekte nicht zu überfrachten, sondern Quick-Wins einzubauen. Generell lohne es sich, an allen Touchpoints, an denen sich Anfragen oder Informationen oft wiederholen, über den zusätzlichen Einsatz von einfachen Schrift-Bots bis hin zu komplexer digitaler Spachunterstützung mit Zugriff auf Back-End-Systeme (Conversational AI) nachzudenken.
Best-Practice-Beispiele für AI aus allen Branchen
Einen ausführlichen Einblick in "Anwendungsfelder der Künstlichen Intelligenz" mit Best Practices liefern Ralf T. Kreutzer und Marie Sirrenberg.
Bereich | KI-Anwendungen für... | Best Practices (Auswahl) |
Produktion (ab Seite 108) | Smart Factoring: vernetzte Informatisierung der Fertigungstechnologien |
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Dienstleistungen 1 (ab Seite 125) | Customer Service: Verbesserung und/oder Vereinfachung sowie Automatisierung und/oder Do-it-yourself-Konzepte von Services |
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Dienstleistungen 2 (ab Seite 156) | Marketing und Vertrieb: Predictive Analytics, Empfehlungsalgorithmen, Kontext-Marketing, Conversational Commerce, Website-Analyse/Optimierung, Social Listening, Mediaplanung, Dynamic Pricing, Content Creation und Distribution |
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Einzelhandel (ab Seite 180) | Promotion-Management, Sortimentsgestaltung, Beschaffung und Logistik |
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Gesundheitswesen (ab Seite 186) | Unterstützung und Ersetzen der klassischen Diagnostik, Unterstützung und Ersetzen der klassischen Therapien |
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Energie / Smart Home (ab Seite 199) | Alle Stufen der Energieversorgungs-Wertschöpfungskette, Smart Grids, Smart Meters, Smart Homes, Smart Cities |
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Mobilität / Transport (ab Seite 210) | Intelligente Logistik-Lösungen für effizienten, ressourcenschonenden, emissionsarmen Transport sowie Transportinfrastruktur und Mobilität |
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Wartung und Instandhaltung (ab Seite 216) | Vorausschauende Wartung, Predictive Servicing |
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Sicherheit / Social Scoring (ab Seite 221) | Gesichts-/Bilderkennung zu Kontroll-/Überwachungs-/Scoringzwecken, Predictive Analytics für die Polizeiarbeit |
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Bildung und Human- Ressources-Management (ab Seite 227) | Aus- und Weiterbildung, Personalmanagement |
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Finanzdienstleistungen (ab Seite 241) | Workflow-Automatisierung: Beratung, Prüfvorgänge, Verträge, Credit-Scoring, Fake-/Fraud-Detection, Robo-Adviser, Hochfrequenzhandel |
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Kreativbranche (ab Seite 246) | Neu-Kreation, Unterstützung kreativer Prozesse, Übersetzungssysteme, Imitation und Styletransfer, Rekonstruktion zerstörter Kunst- und Kulturgüter |
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Militär (ab Seite 257) | Kriegseinsätze mit (teil-) autonomen Assistenten |
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