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24.05.2023 | M&A-Management | Interview | Online-Artikel

"Unternehmensnachfolge hat kein Image"

verfasst von: Andrea Amerland

5 Min. Lesedauer

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Dass der deutsche Mittelstand ein Nachfolgeproblem hat, sorgt in vielen Unternehmen für Alarmstimmung. In der öffentlichen Wahrnehmung ist das Thema  hingegen nicht präsent, moniert Serial Entrepreneur Tobias Zimmer. Dabei sei ein Generationswechsel attraktiver als eine Gründung. 
 

Springer Professional: Dem Mittelstand gehen die Nachfolger aus. Das Problem ist längst bekannt, allerdings fehlen oft noch Lösungen. Welche Strategien braucht es, um externe Unternehmensnachfolger zu finden?

Tobias Zimmer: Um das Problem Unternehmensnachfolge bestmöglich anzugehen, muss man abgebende Unternehmer sowie Nachfolger und deren Herausforderungen und Hürden besser verstehen. In meinen Gesprächen mit Unternehmern fällt auf, dass sie sich zu Beginn des Prozesses gar nicht bewusst waren, wie komplex das Thema Nachfolge ist. Jemanden zu finden, der die eigenen Erwartungen erfüllt und das Lebenswerk wertschätzend fortführt, erfordert viel Zeit und Geduld. Hier sollte künftig besser unterstützt werden: IHKs und Wirtschaftsverbände sollten proaktiv auf ältere Mitglieder zugehen und sie bei Bedarf zum Thema Nachfolge beraten, zum Beispiel mit Informationsmaterial, Beratungstagen oder Netzwerkveranstaltungen. 

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So würde früher für das Thema sensibilisiert und Unternehmer hätten mehr Zeit für ihre Entscheidung und einen größeren Handlungsspielraum. Für potenzielle Nachfolger benötigt es andere Strategien: In erster Linie müssen die praktischen Eintrittshürden für Nachfolgeinteressierte - also die aufwendige Unternehmenssuche, aber vor allem auch die finanziellen Risiken - gesenkt werden. Ein erfolgreiches mittelständisches Unternehmen wird schnell im ein- bis zweistelligen Millionenbereich gehandelt. Das können sich im Normalfall keine angestellten Führungskräfte leisten. Dabei gibt es eine große Gruppe an Kandidaten, die fachlich für eine Nachfolge qualifiziert sind, jedoch durch die wirtschaftlichen Anforderungen nicht am Nachfolgemarkt partizipieren können.

Ihr Ansatz zur Problemlösung ist es, Unternehmer auf der Suche nach einem Nachfolger und Existenzgründer zusammenzubringen. Kein leichtes Unterfangen … Da treffen doch sicher sehr unterschiedliche Welten aufeinander, oder?

Natürlich haben Gründer und Seniorunternehmer scheinbar unterschiedliche Blickwinkel auf das Thema Nachfolge. Überraschenderweise sind diese Blickwinkel oft gar nicht so unterschiedlich, wie man zunächst glauben mag. Viele Seniorunternehmer sind sich sehr wohl bewusst, dass sie beim Thema Digitalisierung hinterherhängen oder nicht die entsprechende Fachkompetenz besitzen, um den notwendigen Wandel zu vollziehen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie diesem Wandel per se negativ gegenüberstehen. Ganz im Gegenteil wünschen sie sich für ihr Lebenswerk in der Regel auch nach Verkauf ein langes Fortbestehen und sind froh, wenn jemand kommt, der diese notwendigen Veränderungen umsetzet.

Wann eignet sich ein alteingesessenes KMU überhaupt für eine Übernahme durch einen Nachfolger? Wie wählen Sie aus?

Wir bei Tradineo haben strikte Auswahlkriterien, welche Unternehmen sich für eine Übernahme durch uns eignen. Unternehmen mit einem Betriebsergebnis von mindestens 500 Tausend Euro und einer Belegschaft zwischen 15 und 150 Mitarbeitenden sind für uns interessant. Allerdings müssen wir das Geschäftsmodell verstehen und mit unseren Fachkompetenzen auch zum künftigen Unternehmenswachstum beitragen können. Bei sehr technischen Geschäftsmodellen trifft dies in der Regel nicht zu. Unternehmen mit einem solchen Geschäftsmodell können zwar hochprofitabel und spannend sein, doch für sie sind wir nicht der richtige Käufer. In diesem Fällen können wir aber beratend tätig werden. 

Die meisten KMU, die einen Nachfolger brauchen, stammen aus dem produzierenden Gewerbe und dem Bereich unternehmensnahe Dienstleistungen. Auf welche Hürden stoßen Sie bei solchen Firmen in Hinblick auf Digitalisierung und nachhaltige Transformation? 

Bei Digitalisierung und nachhaltiger Transformation haben nahezu alle Unternehmen, die wir uns anschauen, Aufholbedarf - und zwar branchenunabhängig. Das liegt auch am Generationenproblem. Denn die Seniorunternehmer sind nicht mit der Digitalisierung groß geworden. Die für uns größte Hürde im Akquiseprozess ist dabei die Datenverfügbarkeit. KMUs sind in der Regel über einen langen Zeitraum organisch gewachsen, was unternehmerisch betrachtet von Vorteil ist. Doch im Analyseprozess merken wir oft, dass im Ist-Zustand nur ein lückenhafter Flickenteppich an Daten vorliegt. Denn auch die Daten sind historisch gewachsen und wurden meist nur punktuell restrukturiert, erweitert oder angepasst. 

In solchen Fällen sind Datenverfügbarkeit, -qualität und -struktur eine Herausforderung bei der Analyse, die dann wesentlich länger dauert als bei jüngeren, digital gut aufgestellten Unternehmen. Doch genau diese Schwächen können nach der Übernahme wertvolle Skalierungspotenziale bedeuten. Denn gerade in der Digitalisierung kann man mit vergleichsweise kleinen Stellschrauben große Effizienzgewinne erzielen. Dies zeigt sich auch im Nachfolgemonitor 2022 vom KCE Kompetenz Centrum für Entrepreneurship und Mittelstand der FOM Hochschule: Rund 40 Prozent aller Nachfolger können demnach den Umsatz in den ersten zwei Jahren nach Übernahme um mehr als 20 Prozent steigern.

Nachfolge ist das neue Gründen, haben Sie in einem Artikel geschrieben. Mit einem hippen Start-up hat ein KMU im Handwerk aber wenig zu tun. Hat die Unternehmensnachfolge ein Imageproblem und wie kann man diesem begegnen?

Ich würde nicht sagen, dass die Unternehmensnachfolge ein Imageproblem hat. Ich würde vielmehr sagen: Sie hat überhaupt kein Image. Sie ist im öffentlichen Raum schlichtweg nicht präsent. Um das Problem fehlender Nachfolger zu lösen, müssen wir das Thema präsenter platzieren und über die Vorteile sprechen, die sie insbesondere gegenüber einer Neugründung hat. Denn Unternehmensnachfolge ist wirtschaftlich viel weniger riskant und daher auch für mehr Menschen mit dem Wunsch nach unternehmerischer Selbstverwirklichung realisierbar. 

Der Mittelstand hat einige Stärken, die viele Start-ups nicht mitbringen. Zum Beispiel wirtschaftliche Sicherheit und gewachsene Strukturen. Zwar hat der Mittelstand selten einen Kickertisch im Office stehen, jedoch könnte er sich diesen in der Regel eher leisten als die meisten Start-ups. Die Optionen sind theoretisch verfügbar, werden bisher jedoch oft nicht realisiert.

Eine Nachfolge im Mittelstand bietet die einzigartige Möglichkeit, in Zukunft das Beste aus beiden Welten zu verbinden. Denn auch wer in Fußstapfen tritt, hinterlässt Spuren. Während sich heute viele Start-up-Mitarbeitende nach finanzieller Absicherung und langfristigen Perspektiven sehnen, wünschen sich Mitarbeitende im Mittelstand flexiblere Arbeitszeiten. Solche Wünsche könnte eine KMU-Nachfolge künftig verbinden und so den Mittelstand auch für die nachfolgenden Generationen attraktiv machen.

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