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05.12.2023 | Mittelstand | Schwerpunkt | Online-Artikel

Ist der Mittelstand noch zukunftsfähig?

verfasst von: Andrea Amerland

4 Min. Lesedauer

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Der Mittelstand in Deutschland galt lange als Garant für Stabilität und Fortschritt. Jetzt ringen viele KMU mit der Unternehmensnachfolge. Als Hauptproblem für ihre Existenzsicherung nennen Führungskräfte aber externe Faktoren. 

Kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) blicken düster in die Zukunft. Das geht aus einer Online-Umfrage unter 520 Führungskräften im Mittelstand hervor, die Yougov im Auftrag von Metafinanz von Juli bis August 2023 durchgeführt hat. Nur 42 Prozent der Befragten wählen demnach auf einer Skala von eins bis sechs die Kategorie "sehr zukunftsfähig", um die Perspektiven für diesen Wirtschaftsbereich in Deutschland zu bewerten.

Als größte Gefahren für KMU nennen die Umfrageteilnehmer folgende Probleme:

  • Überregulierung/Bürokratie (61 Prozent),
  • Fachkräftemangel (57 Prozent),
  • unzeitgemäße Führungs- und Firmenkulturen (36 Prozent),
  • Technologieskepsis (29 Prozent) sowie 
  • fehlende Umsetzungskompetenz (23 Prozent).

Fachkräftemängel und Energiekosten gefährden KMU

Auf die Frage, welche die größten Herausforderungen zur Existenzsicherung in den kommenden Jahren seien, geben 51 Prozent und somit die meisten den Fachkräftemangel an, gefolgt von den steigenden Energiekosten (40 Prozent). Es folgen auf Rang drei die digitale Transformation (36 Prozent), der nachhaltige Wandel (28 Prozent) sowie die Cyber-Sicherheit (28 Prozent), die den Fortbestand des eigenen Unternehmens gefährden können.

Interessanterweise kommt das Thema Unternehmensnachfolge in dieser Rangliste möglicher Gefahren nicht vor. Und das, obwohl laut einer KfW-Umfrage bereits bis Ende 2026 rund 560.000 der insgesamt 3,8 Millionen mittelständischen Unternehmer ihre Firma an einen Nachfolger übergeben oder verkaufen wollen. Laut der Studienverantwortlichen eine bedenkliche Entwicklung: Weitere 190.000 Inhaber planen, "ohne eine Nachfolgeregelung aus dem Markt auszutreten".

Rahmenbedingungen sind für Mittelständler das Problem

Doch die in der Metafinanz-Studie befragten Führungskräfte finden den Hauptverantwortlichen für den Fortbestand ihres Unternehmen nicht in den eigenen Reihen, sondern nennen umweltbedingte Rahmenbedingungen wie die Politik (48 Prozent) an erster Stelle. Immerhin vier von zehn Befragten sehen den einzelnen Unternehmer (40 Prozent) in der Verantwortung. 

"Die Betriebe sollten ihre Zukunft nicht anderen überlassen, sondern die Herausforderungen zügig annehmen. Vor allem Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Cyber-Sicherheit, moderne Arbeitsweisen und Prozesse sollten jetzt ganz oben auf der Prioritätenliste stehen", kommentiert Rainer Göttmann, Geschäftsführer bei Metafinanz, die Ergebnisse.

Wenn es um eine Betrachtung nach Branchen geht, beurteilen die Umfrageteilnehmer die Aussichten für den Energie- und Umweltsektor (49 Prozent) besonders rosig, dicht gefolgt von Pharma- und Gesundheitsunternehmen (48 Prozent). Aber auch dem Maschinenbau auf Rang drei bescheinigen die mittelständischen Führungskräfte gute Erfolgschancen. Allerdings landet die lange Zeit wachstumsverwöhnte Automobilindustrie (22 Prozent) neben dem Handel (22 Prozent) sowie dem Finanz-, Versicherungs- und Immobiliensektor (22 Prozent) nur im Mittelfeld des Rankings. Die Schlusslichter bilden die Bau- (16 Prozent) sowie die Medien- und Verlagsbranche (acht Prozent).

Wirtschaftsflaute setzt Mittelständler zu

Insgesamt setzt allerdings derzeit die schlechte Konjunktur dem deutschen Mittelstand immer mehr zu, ergibt der Geschäftsklimaindex der Wirtschaftsauskunftei Creditreform. "Die Unternehmen sind in den Abwärtssog aus Inflation und Rezession geraten", fassen die Studienautoren die Ergebnisse der Erhebung unter mehr als 1.200 Unternehmen zusammen. Demnach ist die Situation für die deutschen KMU so schlecht wie seit dem Höhepunkt der Corona-Krise nicht mehr. Erstmals seit 2020 ist infolgedessen das Stimmungsbarometer in den Minusbereich abgerutscht, ein Signal dafür, dass die Wirtschaftskraft schrumpft.

Gleichzeitig befindet sich die Investitionsbereitschaft auf einem Tiefpunkt. Der Anteil der Unternehmen, die Ausgaben planen, ist im Vergleich zum Vorjahr von 46,2 Prozent auf 38,4 Prozent gesunken und liegt damit auf dem niedrigsten Wert seit rund 20 Jahren. Kostensteigerungen, hohe Zinsen sowie eine geringe Nachfrage belasten kleinere und mittlere Unternehmen derart, dass bis zum ersten Halbjahr 2024 mit einer steigenden Zahl an Insolvenzen zu rechnen sei. 

Mit Innovationen aus der Krise

In solchen Situationen ist ein besseres Krisenmanagement in Unternehmen gefragt, betont Springer-Autor Holger Reinemann. Denn exogene Krisen legen seiner Ansicht nach offen, "dass Geschäftsmodelle und -prozesse den Anforderungen einer digitalisierten Wirtschaft nicht mehr gerecht werden". Er empfiehlt vor diesem Hintergrund "eine grundlegende strategische Neuorientierung der Unternehmen".  

Innovative digitale Leistungen können zu einer resilienten Unternehmensstruktur beitragen. Häufig sind die regionalen mittelständischen Unternehmen aufgrund von fehlenden digitalen Kompetenzen aber nicht in der Lage, die digitale Transformation zu meistern. Wirtschaftsförderung kann auch in diesem Feld eine Plattform bieten und die Zusammenarbeit mit regionalen Innovationsträgern wie Start-ups und Hochschulen initiieren. Dies gilt nicht nur, aber besonders in Krisensituationen." (Seite 287)

Scheinbar gibt es allerdings für KMU langsam wieder etwas Licht am Ende des Tunnels. Wie das KfW-ifo-Mittelstandsbarometer von September 2023 zeigt, verschlechtert sich das Geschäftsklima nur noch gering (minus 3,7 Punkte im Vergleich zum Vormonat) und die Erwartungen fallen etwas weniger pessimistischer aus (plus 1,3 Zähler) als noch im August. Auch wenn die Experten aktuell davon ausgehen, dass der konjunkturelle Talboden erreicht sein könnte, dürfen sich Mittelständler allerdings nicht ausruhen, sondern müssen jetzt die richtigen Weichen für die Zukunft stellen.

Laut der Metafinanz-Experten sollten KMU:

  • ihre Abläufe und Strukturen "umkrempeln", um flexibler zu werden, 
  • die Digitalisierung als Hebel nutzen,
  • manuelle Tätigkeiten automatisieren, um personelle Lücken durch den Fachkräftemangel abzufedern,
  • gegen Cyber-Bedrohungen weiter aufrüsten,
  • die Potenziale grünen Wirtschaftens nutzen,
  • Partnerschaften als Booster für das Geschäftsmodell verstehen.

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