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08.09.2023 | Nachhaltigkeit | Interview | Online-Artikel

"Nachhaltigkeit in breitere Schichten zu bringen, ist die größte Herausforderung"

verfasst von: Sven Eisenkrämer, Marc Ziegler

14:30 Min. Lesedauer

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Wie setzt man Nachhaltigkeit sinnvoll bei einem Automobilzulieferer um? Dr. Dirk Kesselgruber, der neue CTO von GKN Automotive, spricht im Interview über die wichtigen Bemühungen und die Herausforderungen.   

GKN Automotive hat sich als Zulieferer und Dienstleister nicht nur für Antriebskomponenten wie Wellen, sondern für komplette Antriebssysteme etabliert. Beispielsweise der komplette Antriebsstrang im Fiat 500e stammt vom Unternehmen. Zudem befindet sich GKN Automotive nach einer Neuordnung im Konzern in der Transformation. Dr. Dirk Kesselgruber, der neue CTO des britischstämmigen Unternehmens, hat nun die gesamttechnologische Verantwortung für die Automotive-Sparte. Gemeinsam mit MTZ – Motortechnische Zeitschrift hat springerprofessional.de mit Dr. Kesselgruber im GKN-Werk in Lohmar gesprochen. Ergänzend zum Interview in der gerade erschienenen MTZ 10/2023 über die Zukunft von Hybridantrieben hat er mit uns über die Notwendigkeit nachhaltigen Wirtschaftens und der konkreten Umsetzung von Sustainability-Zielen gesprochen.

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springerprofessional.de: Herr Dr. Kesselgruber, GKN schließt gerade sein Gelenkwellen-Werk in Zwickau-Mosel. Wie viel von diesem traditionellen Geschäft bleibt in der heutigen Phase des Mobilitätswandels und der Transformation der Automobilindustrie noch übrig?

Dirk Kesselgruber: Zur Werksschließung werde ich nichts kommentieren, aber eine klassische Content-per-Vehicle-Diskussion können wir natürlich führen.

Wenn man ein Allradfahrzeug von heute und ein Allradfahrzeug von morgen nimmt – einen Allrad-Verbrenner und ein Allrad-BEV – sieht man, dass die Kardanwelle bzw. der Propshaft verschwindet. Was wir allerdings im Bereich der Antriebswelle sehen, ist, dass zunächst einmal die Anzahl der Allradfahrzeuge steigt. Das hat die einfache Logik, dass man bei BEVs Leistung skaliert, indem man Motoren hinzufügt. Man baut also nicht immer größere Motoren, sondern man baut einen oder zwei Basis-Motoren und skaliert dann, indem man einen weiteren Antrieb dem Fahrzeug auf der zweiten Achse hinzufügt. Das bedeutet, die Anzahl der Seitenwellen wird im Markt steigen. Elektrofahrzeuge haben deutlich höhere Drehmomente, die Systeme sind viel steifer, haben andere Akustikanforderungen. Deswegen werden die Wertigkeit und die Technologie der Seitenwellen auf E-Fahrzeugen im Vergleich zu Verbrennern ebenfalls steigen.

Im Allrad-Bereich sind wir mit Differentialgetrieben und Torque-Management-Systemen aktiv. Und das Gute ist hier erstmal: Der E-Antrieb hat ein Differentialgetriebe. Bisher haben wir festgestellt, dass das Hauptmerkmal war, ein Fahrzeug mit einem elektrischen Vortrieb auszustatten. Aber wir bemerken, dass die ganzen Torque-Management-Features wieder in der Priorisierung zurückkommen. Das bedeutet, ab jetzt werden andere Aspekte wie 'Fun-to-drive', Fahrdynamik, Offroad-Möglichkeiten interessant. Und damit kommt im Prinzip unsere Allradtechnologie, die wir im Verbrenner haben, eins-zu-eins ins BEV. Und das ist auch von der Logik her klar, denn aus der Sicht des Nutzers – wenn ich mich einmal von der reinen Antriebstechnologie löse – spielt es im Prinzip am Ende keine Rolle, ob er elektrisch fährt oder einen Verbrennungsmotor hat. Er möchte jedoch eine Differentialsperre haben. Er möchte ein Torque-Managementsystem haben. Er benötigt also bestimmte fahrdynamische Aspekte, die er von einem Fahrzeug erwartet, und er möchte diese genauso einstellen können wie zuvor.

Dieser Wandel findet jetzt langsam statt, und wir spüren, wie Anfragen zu den Grundtechnologien genau in diese Richtung gehen. In dieser Hinsicht bedeutet dies für GKN eine Veränderung im Portfolio, die jedoch innerhalb unseres Kerngeschäfts eher als Chance betrachtet wird. Alles, was in die elektrischen Achsen integriert wird, stellt im Grunde eine zusätzliche Möglichkeit dar.

Ist das sozusagen eine Umstellung der Fokussierung von der Längs- zur Querbeschleunigung bei Elektrofahrzeugen?

Genau. Und Traktion. Sehr viel Traktion. Denn diese Fahrzeuge verfügen über beeindruckende Traktionsfähigkeiten. Angenommen, ein Rad hängt plötzlich in der Luft oder man steht auf Eis mit einem solchen Fahrzeug: Nur weil du jetzt auf einmal nachhaltig fährst, möchtest du nicht stehen bleiben – bei minus 40 Grad in Schweden.

Wenn wir über Regelungstechnik sprechen: Wie groß ist eigentlich der Anteil der Software am Geschäft?

Dieser Anteil steigt natürlich an. In den vergangenen Jahren haben wir unsere größten Kompetenzen vor allem in der Elektronik, Softwareentwicklung und Systemtechnik aufgebaut. In der Systemtechnik konzentrieren wir uns auf klassische Regelungstechnik, also Funktionsdarstellung. Aber es geht auch um Fahrzeugintegration, Akustik und Komfortthemen – Bereiche, in denen man das Verständnis auf die Fahrerebene abstrahieren muss. Dieser Anteil wächst, momentan geht er im Powertrain-Bereich fast auf eine 50/50-Aufteilung zu. Im Driveline-Bereich herrscht natürlich immer noch hauptsächlich Mechanik vor, dort wird sich die Vielfalt reduzieren. Wahrscheinlich liegen wir im Durchschnitt bei etwa einem Drittel mechatronischer Disziplinen. Aber der Trend zeigt nach oben, da wir neue Projekte haben und Personal aufbauen, speziell in diesen Bereichen.

Im MTZ-Interview sprechen Sie auch über Recycling-Themen, also Nachhaltigkeit. Anfänglich sind Investitionen in Nachhaltigkeit oft kostenintensiv. Wie viel investiert GKN derzeit in Nachhaltigkeit?

Der Vorteil liegt darin, dass – ich werde keine genauen Zahlen nennen – wir eine Rendite erhalten. Sobald wir also auf eine grüne Lösung im Produktionsprozess umsteigen, wie beispielsweise die Nutzung von Grundwasserkühlung, resultieren Kostenersparnisse. Oder wir errichten Solaranlagen an bestimmten Standorten weltweit, um unseren eigenen Strom zu erzeugen, was zu einer Amortisierung führt. Zwar gibt es eine Anfangsinvestition, aber auch eine Rückführung des Kapitals. Wir beschäftigen uns derzeit mit verschiedenen Themen – die dringendsten betreffen natürlich klimaneutralen Strom. Hierbei gibt es verschiedene Ansätze: Wir erzeugen ihn selbst, beziehen lokal erzeugten Wasserstrom oder kaufen Kontingente ein. Das ist relativ klar zu berechnen.

Wenn es um Produkt-Nachhaltigkeit geht, gestaltet sich die Trennung schwieriger. Wenn ich ein neues Produkt entwickle, ist Nachhaltigkeit lediglich ein zusätzliches Attribut, das ich hinzufüge. Hingegen ergibt sich bei der Umstellung eines bestehenden Produkts auf Nachhaltigkeit, ohne dass der Wert erhalten bleibt, eine Investition, die sich nicht auszahlt. Wenn ich jedoch einen Anforderungskatalog für eine vollkommen neue Produktgeneration erstelle und Nachhaltigkeit von Anfang an einfließen lasse, bedeutet das keinen zusätzlichen Aufwand. In meiner Organisation gibt es nun ein Product Sustainability Office, das Projekte, auch Kundenprojekte auf der OEM-Seite, unterstützt. Damit können wir unsere CO2-Fußabdrücke herausarbeiten und Potenziale erkennen. Für neue Produkte haben wir auch Prozesse etabliert, wie wir Nachhaltigkeit einbetten können. Dieses Büro ist bereits eingerichtet. 

Definieren Sie doch bitte einmal, was für Sie Nachhaltigkeit bedeutet!

Nachhaltigkeit ist alles das, was nachhaltig einen Wert erhält, was also nicht konsumiert. Diese Definition an sich ist bereits eine gute Investition. Das bedeutet, ich investiere nicht in Ressourcen, die nach Gebrauch vollständig aufgebraucht sind und Entropie erzeugen, sondern ich erhalte am Ende eines Zyklus neue Grundwerte, um neue Produkte herzustellen. Dies führt im Grunde zu einem geschlossenen Wirtschaftskreislauf in Bezug auf Energie, Materialien und Veredelung, der keine Verluste mehr erzeugt. Es ist der Grundsatz des Energieerhalts und des Materialerhalts in Reinform. Als Gesellschaft sind wir daran gewöhnt, billige Produkte zu konsumieren. Wir erhalten bestimmte Funktionen und Annehmlichkeiten günstig, aber dafür zerstören wir Werte. Wir fördern Öl aus der Erde oder verbrauchen Materialien – sie sind weg. Oder sie können nicht schnell genug nachwachsen. Doch der Markt bietet diese Produkte an. Das bedeutet, wenn ein Produkt zuvor 100 Euro kostete und ich dasselbe Produkt nun für 700 Euro erhalte, jedoch langfristige Nachhaltigkeitseffekte entstehen, da es nach 25 Jahren entweder verfallen oder effizient recycelt werden kann, sieht der Verbraucher nicht sofort den Wert darin. Der moderne Verbraucher denkt nicht daran, was mit dem Produktwert passiert, den er in Händen hält, wenn sein Lebenszyklus abgeschlossen ist. Hierbei handelt es sich meiner Meinung nach um ein Thema, bei dem ein Mindset-Wechsel oder eine Kostenbewertung erforderlich sind, um die langfristigen Auswirkungen wahrzunehmen. Nehmen wir beispielsweise eine Bremse: Eine besteht aus herkömmlichem Stahlguss, die andere aus umweltfreundlichem Stahl. Letztere ist 40% teurer, beide bremsen gleich gut.

Da wählt man natürlich das günstigere Teil …

Richtig. Aber das beginnt nicht beim Hersteller, sondern beim Verbraucher. Meistens kann sich derjenige, der es sich leisten kann, auch das teurere Teil leisten. Wie bringt man also Nachhaltigkeit in breitere Schichten? Das ist meiner Meinung nach die größte Herausforderung. Deshalb sage ich: Wenn man in die Zukunft denkt, muss man das als einen Prozess betrachten. Zwar hat man ein Endziel vor Augen – sagen wir, "Die Welt wird zu einem bestimmten Zeitpunkt so aussehen" –, jedoch kann man diesen Zustand nicht erzwingen. Transformationswiderstände wirken als Trägheit. Dabei darf man das langfristige Ziel nicht aus den Augen verlieren. Man muss die Anreize so setzen, dass jeder Schritt in die richtige Richtung führt.

Was ist gegenwärtig das Hauptziel der nachhaltigen Bemühungen?

Nachhaltigkeit hat verschiedene Ziele. Ein klassisches Umweltziel ist die Reduzierung der CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts. Dabei betrachten wir nicht nur lokale Emissionen, sondern auch die Gesamtemissionen. Eine wichtige Diskussion dreht sich darum, wie viel Energie für die Produktion, den Betrieb und die spätere Entsorgung eines Produkts benötigt wird. Es entsteht eine Debatte darüber, was "sinnvolle Entsorgung" überhaupt bedeutet. Das ist ein zentrales Thema.

Ein weiteres Thema ist die soziale Verantwortung. Es geht darum, Wohlstand zu generieren, ohne dabei die Lebensqualität anderer Menschen zu beeinträchtigen. Wir streben danach, sozial verantwortlich zu handeln und zur Gesellschaft beizutragen.

Das dritte Thema ist die Einhaltung von Regeln und Vorschriften. Das bedeutet, dass wir uns an die Vorgaben halten und ehrlich handeln. Diese drei Themen sind essentiell.

Auf der Produktebene ist ein Problem dabei ist, die Herstellungsanforderungen unserer Systeme zu unterschiedlichen Spezifikationen führen können. Wenn beispielsweise eine Schraube aus Stahl hergestellt wird, kann die Wahl der Produktionsmethode einen Einfluss auf die Umweltauswirkungen haben. Herstellung mit grünem Wasserstoff ist teurer als die Nutzung von Kohleöfen. Wir bieten also ein nachhaltiges Produkt A im Vergleich zu einem weniger nachhaltigen Produkt B an. Es stellt sich die Frage, ob der Markt dieses Angebot akzeptiert. Diese Transformation ist ein Prozess. Die Einheitlichkeit der Nachhaltigkeitsziele ist wichtig, doch die Geschwindigkeit der Transformation variiert. Früher war die Richtung uneinheitlich, jetzt haben wir in der Industrie eine gewisse Ausrichtung.

Die einzelnen Ziele mögen unterschiedlich sein, aber der Endpunkt ist derselbe: Netto-Null-Emissionen. Vollständige Dekarbonisierung ist zwar unrealistisch. Aber wir müssen uns in die richtige Richtung bewegen.

Und wie schafft man die Balance im Markt?

Wir nutzen das Systems Engineering und das Product Sustainability Office, um unsere Ziele in Bezug auf die Klimaziele zu erreichen. Wir passen unsere operativen Prozesse an und haben die nötige technische Kompetenz, um uns an die Marktbewegung anzupassen. In Bezug auf unser Produkt müssen wir jederzeit den CO2-Fußabdruck verstehen und wissen, wie wir ihn reduzieren können. Auf der Design-Seite berücksichtigen wir Ressourcen und treffen Entscheidungen. Dann erfolgt ein Abgleich: Ist der Markt bereit, diese Veränderungen anzunehmen, oder wenn nicht, wie können wir die Kostenstruktur optimieren, um dennoch Nachhaltigkeit zu gewährleisten? Hierbei befinden wir uns ständig im Wettbewerb, was der Vorteil des freien Marktes ist. Wir konkurrieren mit anderen Unternehmen, die sich alle dieselbe Frage stellen. Dies ist es auch, was mich letztendlich positiv stimmt: Wir finden Lösungen, da wir alle dieselbe Herausforderung bewältigen.

Einige Standorte von GKN haben Vorteile, wenn sie klimaneutral werden wollen, während es für andere möglicherweise Nachteile gibt. Zum Beispiel hat Bruneck in Südtirol ein Wasserkraftwerk. Wie können solche Ansätze auf andere Standorte übertragen werden, wie Lohmar?

Das ist definitiv ein Thema. Es gibt keine universelle Lösung für CO2-Emissionen sondern nur lokale. Jeder Standort hat seine eigene Situation, und wir müssen uns an die Strategien jedes Landes anpassen. Und da darf man auch nicht zu dogmatisch arbeiten. Ich muss mich also mit der jeweiligen Situation arrangieren, mich an die jeweiligen Landesstrategien anlehnen, und dann schauen, wie ich das am besten hinbekomme. In Ländern, in denen die Energiewende noch nicht so weit fortgeschritten ist, müssen wir möglicherweise mehr auf Eigenproduktion setzen. Wenn ich die Wasserkraft nebenan habe, wie in Bruneck, dann muss ich nur den Stecker an den Wasserfall halten. Wenn ich vielleicht eher in Ländern agiere, wo es auf absehbare Zeit außer Kohlestrom nichts gibt, dann muss ich mir Solarzellen aufs Dach packen, wenn ich die Ziele erfüllen will. Ich kann als Konzern meine Klimaziele nur erreichen, wenn alle meine Standorte mitziehen. Ich kann aber nicht sagen: “Ich produzier einfach nicht in Gebieten, die noch nicht so dekarbonisiert unterwegs sind”. Das wäre dann Super Cherry Picking und dann bin ich irgendwann nirgendwo mehr. Auch bei unseren Produkten spielen lokale Faktoren eine Rolle. Produkte werden in Zukunft stärker regionalisiert sein. Dies betrifft die Materialauswahl und andere Aspekte, die Produkte regional spezifisch machen. Zum Beispiel Materialmix für Produkte in Europa im Vergleich zu Asien oder den USA.

Wird grüne Energie irgendwann zu einem Standortvorteil?

Natürlich. Aber: Ein energiebasierter Standortvorteil hängt immer vom Energiepreis ab. Langfristig glaube ich, dass grüne Energie immer kostengünstiger sein wird als fossile Brennstoffe.

Sehr langfristig?

Nein, da bin ich noch nicht so sicher. Ich erziele aus einem Windkraftwerk viel Output im Verhältnis zu vergleichsweise geringen Investitionen. Aber ich bin kein Experte für Energie. Ich glaube jedoch, Wind- und Sonnenenergie ist kostengünstiger Strom, nahezu unschlagbar günstig. Das Problem wird wohl erneut die Frage der Grundlast sein und wie man damit umgeht. Einige Politiker behaupten, es gäbe keine Grundlast-Frage, aber nehmen wir an, es gibt doch eine solche Grundlast. Ich denke, wir werden es schaffen, dorthin zu gelangen. Kohle oder Braunkohle zu verbrennen ist definitiv keine Lösung. Und ich denke, wenn man sich die Strompreise in Deutschland ansieht, besteht ein erheblicher Anteil an Steuerbelastung. Politische Steuerung spielt hierbei eine große Rolle, und das ist ein Standortnachteil.

Als Unternehmen GKN haben wir jedoch die Möglichkeit, innerhalb des Rahmens durchaus Entscheidungen zu treffen. Es stellt sich immer die Frage, ob wir selbst produzieren oder wie wir unsere Verträge gestalten, wie viel Kontingent und Kapazität wir von welchem Ort aus einkaufen. Das ist durchaus wichtig. Denn bei uns verhält es sich so: Die Elektromobilität und die elektrische Transformation sind Teil unserer aktuellen Markenidentität. Wir möchten die Transformation in der Elektrifizierung bewältigen, und das Ganze ist nur ehrlich, wenn wir sagen: "Wir gehen die anderen Themen jetzt konsequent an." Andernfalls wäre das gesamte Thema Elektromobilität trügerisch.

Für GKN ist das doch relativ einfach: GKN baut die Motoren, die elektrische Achse. Alle Materialien sind theoretisch im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft darstellbar, und auch die CO2-Emissionen vom Anfang bis zum Ende (Grave-to-Grave) sind statistisch gut darstellbar. Oder?

Theoretisch, ja. Die Frage ist, wann und zu welchen Kosten dies in Bezug auf die Marktposition möglich ist. Aber technisch ist es machbar. In der Fahrzeugperspektive ist die Batterie sicherlich das größte Problem, während alles andere größtenteils bewältigt werden kann.

Wir haben das Thema Energieerzeugung angesprochen, wir haben über die Infrastruktur gesprochen, all das muss gemeinsam funktionieren. Wenn das nicht gleichzeitig bereit ist, sodass wir bis 2035 ein Mainstream-Produkt haben, haben wir unser Ziel als Wirtschaft nicht erreicht. Dann besitzt GKN zwar immer noch die besten E-Antriebe der Welt, aber wir verwenden weiterhin Kohlestrom. Das beschäftigt uns, und am Ende des Tages müssen wir fragen: In welche Richtung treibt uns die Energie und Motivation – in eine rückwärtsgerichtete destruktive Richtung oder in eine vorwärtsgerichtete konstruktive Richtung? Das Ziel ist festgelegt, und unsere Triebkraft bewegt uns nach vorne.

Vorwärtsgerichtet: Wie lange werden wir überhaupt noch Autos auf der Welt fahren?

Da bin ich sehr optimistisch. Die individuelle Mobilität bleibt. Es gibt ja immer diese große Erzählung der Urbanisierung, die natürlich zu mehr öffentlichem Nahverkehr führen würde, wie es bereits heute der Fall ist. Straßenbahnen und Busse sind ja keine neuen Innovationen, und in dicht besiedelten städtischen Gebieten, in denen es öffentlichen Nahverkehr gibt, ist dieser oft die bevorzugte Wahl. Denn in einer Innenstadt ist ein Auto immer schwierig. Aber die individuelle Mobilität in ländlichen Gebieten wird weder durch Shared Mobility noch durch autonomes Fahren obsolet – und warum auch? Der Anwendungsfall bleibt derselbe, ob ich selbst fahre oder fahren lasse. Zudem zeigen viele Studien, dass Shared Mobility oder autonomes Fahren das Problem von Staus im urbanen Umfeld nicht lösen werden. Auf der Welt gibt es viele Länder, die stark zersiedelt sind. Autos sind dort wichtig. Welcher Megatrend sollte das ändern? Keiner, denke ich.

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