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Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

4. Natur und ihre Erkenntnis

verfasst von : Thomas Marzi, Manfred Renner

Erschienen in: Das Weltbild der Circular Economy und Bioökonomie

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Zusammenfassung

Wie das vorangehende Kapitel gezeigt hat, wird sowohl in der Bioökonomie wie in Teilen der Circular Economy auf die Natur Bezug genommen und mit ihr argumentiert. Bevor wir untersuchen, welche Vorstellungen hierzu herangezogen werden, müssen wir uns zunächst allgemein mit den Themen Natur und Naturerkenntnis auseinandersetzen. Wissen wir überhaupt, was Natur eigentlich ist?
Wie das vorangehende Kapitel gezeigt hat, wird sowohl in der Bioökonomie wie in Teilen der Circular Economy auf die Natur Bezug genommen und mit ihr argumentiert. Bevor wir untersuchen, welche Vorstellungen hierzu herangezogen werden, müssen wir uns zunächst allgemein mit den Themen Natur und Naturerkenntnis auseinandersetzen. Wissen wir überhaupt, was Natur eigentlich ist? Wir beginnen das Kapitel deshalb mit der Frage, was alles gemeint sein kann, wenn wir das Wort „Natur“ aussprechen.

4.1 Was ist Natur?

Eigentlich sollte es nicht schwierig sein, dzu erklären, was mit dem Wort Natur gemeint ist. Schließlich verwenden wir das Wort häufig, und es ist uns aus dem Alltag vertraut. Wenn wir jedoch einen konkreten Versuch unternehmen, merken wir, dass Natur kein feststehender Begriff ist. Das Wort kann alles Mögliche bedeuten (Zitat 4.1). Im Alltagsverständnis gehört für uns alles zur Natur, was ohne menschliches Zutun entstanden ist: Wildnis, Atome, Naturgesetze, Unwetter, vielleicht auch unser eigenes Wesen und vieles andere mehr. Was aber ist dann eine Plastiktüte? Unserem gewöhnlichen Verständnis nach gehört sie nicht zur Natur. Sie ist etwas Künstliches oder Unnatürliches, das nicht von selbst entstanden ist. Die Tüte besteht aber aus Atomen, die von selbst da waren, und ihre molekulare Struktur widerspricht auch nicht den Naturgesetzen. Ist eine Plastiktüte also doch Natur?
Zitat 4.1: Philipp Blom (*1970)
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„Die Schwierigkeit des Nachdenkens liegt schon in diesem einen Wort ‚Natur‘ beschlossen, von dem man meinen sollte, dass sofort klar ist, was gemeint ist; aber schon beim ersten Nachfragen stellen sich Zweifel ein und niemand weiß, wie sein Gegenüber den Begriff versteht.“1 „Es ist wichtig, die schwierige Biografie dieses Begriffs mitzulesen und mitzudenken, wenn […] das Wort ‚Natur‘ in verschiedenen Kontexten und Bedeutungen auftaucht und sich jeder klaren Definition immer wieder entzieht.“2
Die Frage nach der Natur gehört „zu den ältesten und grundlegendsten der Philosophie“3. Es sollte uns also nicht wundern, wenn sie nicht eindeutig zu beantworten ist. Natur ist kein Gegenstand, sondern eine abstrakte Vorstellung, in die wir womöglich etwas hineinlegen, das nur unserem Denken entspringt. Die Bedeutungen, die dem Wort Natur in unterschiedlichen Kulturen gegeben wurden, sind jedenfalls diffus und haben sich gewandelt. Um später in Kap. 7 die Frage nach dem Naturverständnis der Circular Economy und Bioökonomie beantworten zu können, analysieren wir im Folgenden deshalb zunächst, welche Bedeutungen dem Wort Natur gegeben werden.

4.2 Die Natur Henri Rousseaus

Mit der Natur haben sich auch viele Künstlerinnen und Künstler auseinandergesetzt. Wir beginnen die Reflexion des des Wortes Natur deshalb mit der Interpretation des in Abb. 4.1 gezeigten Gemäldes. Es trägt den Titel „Der Traum“. Das heute im Besitz des New Yorker Museums of Modern Arts befindliche Bild ist das letzte Werk des Pariser Malers Henri Rousseau, der nur wenige Monate nach dessen Fertigstellung verstarb. Er ist nicht mit seinem Namensvetter, dem Philosophen Jean-Jaques Rousseau, zu verwechseln, den wir in Abschn. 1.​4 bereits kennen gelernt haben. Beide trennen etwa 100 Jahre. Sie sind auch nicht miteinander verwandt.4
Das drei Meter lange und zwei Meter hohe Gemälde zeigt wie viele andere Werke Rousseaus auch die Natur als Dschungel. Zu sehen ist eine in Mondlicht getauchte, unwirklich erscheinende Szenerie, in der sich verschiedene Tiere und eine Flöte spielende Frau inmitten einer üppigen Vegetation befinden. Das Bild zeigt eine harmonische Lebensgemeinschaft, in der Pflanzen, Tiere und Menschen ihren Platz haben. Es entsteht der Eindruck einer paradiesischen Natur, in der es keine Gefahren zu geben scheint, weil Mensch und Tiere miteinander auskommen. Warum aber malt Rousseau die Natur auf diese Art und Weise? Wusste er nicht, dass ein Dschungel ein gefährlicher Ort ist? Letzteres wäre durchaus möglich, weil er wohl nie einen realen Dschungel gesehen hat und hauptsächlich durch die Bepflanzung der Pariser Gewächshäuser inspiriert wurde.5 Ein anderes Bild von ihm, „Der hungrige Löwe“ in Abb. 4.2, zeigt jedoch, dass Rousseau keinesfalls so naiv war, sich die Natur als eine reine Idylle vorzustellen. Anscheinend war ihm sehr wohl bewusst, dass in der Natur nicht nur Harmonie, sondern auch Not, Leid und Tod zu finden sind. Bei der Dschungelszene aus Abb. 4.1 kann es sich also nicht um einen realen Dschungel handeln. Darauf verweist bereits der Bildtitel, „Der Traum“.
Dass das Gemälde kein reales Geschehen zeigen kann, wird auch durch ein nicht in das Gesamtbild passendes Fragment deutlich. In der linken Bildhälfte ist, inmitten des Waldes, eine unbekleidete Frau auf einem Sofa zu sehen. Sie blickt in Richtung der Tiere und der Flöte spielenden Frau und zeigt mit der Hand auf sie. Lassen wir hier Rousseau selbst zu Wort kommen, der die auf dem Gemälde dargestellte Situation folgendermaßen beschrieb: „Die Frau, die auf der Couch schläft, träumt davon, in den Wald versetzt worden zu sein, und hört den Klängen der Zauberin zu“6. Die Szene zeigt also keine äußere Wirklichkeit, in der eine Frau auf einem Sofa im Dschungel liegt, sondern eine Träumende und ihren Traum. Dieser steht entweder dafür, wie die Träumende sich die Natur vorstellt, oder er gibt ihr eigenes Wesen, ihre „innere Natur“, wieder.
Spätestens an dieser Stelle wird klar, dass das Wort Natur mehrdeutig ist. Wir benutzen es nicht nur als Sammelbezeichnung für alle Dinge und Prozesse, die es physikalisch gibt, sondern sprechen auch dann von Natur, wenn es darum geht, das Wesen von etwas zu benennen. Wenn wir beispielsweise sagen, dass es die Natur einer Katze ist, Mäuse zu jagen, dann meinen wir damit, dass das Mäusejagen unabdingbar zu einer Katze gehört. Dass die Frau auf dem Sofa unbekleidet ist, deutet darauf hin, dass das, was sie sieht, etwas Ursprüngliches ist. Sie erkennt dieses Ursprüngliche, die Natur oder ihre innere Natur, im Dschungel ihres Traums. Die Unterscheidung zwischen innerer und äußerer Natur, die Jean-Jaques Rousseau vorgenommen hat (Abschn. 1.​4), findet sich somit auch im Bild seines Namensvetters Henry wieder.
Das Bild lässt jedoch noch eine weitere Interpretation des Wortes Natur zu bzw. wirft eine Frage auf, die den Gegensatz zwischen Kultur und Natur betrifft. Wenn Natur ursprünglich das ist, was ohne menschliches Zutun entstanden ist, ist das Sofa dann auch noch Teil der Natur? Es wurde von Menschen hergestellt und ist nicht wie die Bäume des Dschungels von selbst gewachsen. Und wo gehört die Träumende hin? Ist sie Teil der Natur oder ist sie eher, wie das Sofa, etwas der Natur Gegenüberstehendes, das nur noch über etwas in ihrem inneren Wesen mit der „äußeren“ Natur verbunden ist?
Insgesamt lassen sich somit anhand des Bildes mit einer umfangs-, bedeutungs- und wesenslogischen Interpretation drei kategorial verschiedene Auslegungen benennen. Diese versuchen wir im Folgenden begrifflich zu fassen, wohlwissend, dass eine solche Fixierung dem Wort Natur nicht angemessen ist.7
1.
Umfangslogischer „Naturbegriff“
In einem umfangslogischen oder extensionalen Naturverständnis bezeichnet das Wort Natur die Gesamtheit der physischen Welt (Materie und Energie), also all das, was wir in Raum und Zeit beobachten können. Wenn wir in Rousseaus Bild die dargestellte Szenerie als Abbildung eines realen Geschehens werten, was sie nicht ist, gehört alles, was zu sehen ist, zur extensionalen Natur: Pflanzen, Tiere, Menschen, der Mond und das Sofa.
 
2.
Bedeutungslogischer „Naturbegriff“
Das bedeutungslogische oder intensionale Naturverständnis orientiert sich an Eigenschaften, die ihre Bedeutung in Abgrenzung zu etwas anderem, beispielsweise zu etwas Künstlichem oder Geistigen, erhalten. Die Bedeutung des Wortes Natur hängt dann davon ab, was als ihr Gegenüber definiert wird.
Werten wir die in Rousseaus Bild dargestellte Szene als reales Geschehen, können wir beispielsweise die folgende Unterscheidung vornehmen: Zur Natur gehören der Mond, Pflanzen, Tiere und die Flötenspielerin. Die Flöte und das Sofa sind nicht von selbst entstanden, sondern wurden von Menschen gemacht. Sie gehören nicht zur Natur, sondern sind Teil eines gedachten Gegenübers, in diesem Fall der Kultur, die hier als Bereich des menschlichen Wirkens verstanden wird. Zu klären wäre dann die Frage, wie die Frau auf dem Sofa einzuordnen ist. Sie ist biologisch betrachtet ein Naturwesen, da sie aus dem Paris des 20. Jahrhunderts kommt aber auch ein Kulturwesen. Auf das Gegenüber von Natur und Kultur gehen wir in Abschn. 5.​7 noch ein.
Werten wir die Szene dagegen als Traum und differenzieren nicht zwischen Natur und Kultur, sondern zwischen Natur und geistiger Welt, wie das René Descartes getan hat (Abschn. 4.3.2), dann sind das Sofa und der Körper der träumenden Frau Teil der Natur, während die Traumbilder, ihre Gedanken, von geistiger Art und kein Teil der Natur sind.
 
3.
Wesenslogischer „Naturbegriff“
Die wesenslogische oder essenzialistische Naturvorstellung bezieht sich auf ein inneres Prinzip oder Wesen, d. h. auf die typischen Merkmale und Eigenschaften, die etwas charakterisieren. Sichtbar wird diese Auslegung, wenn wir wie oben davon sprechen, dass es zur Natur einer Katze gehört, Mäuse zu jagen, oder wenn wir die Natur eines Menschen als jähzornig oder sanft beschreiben. Wenn wir das Bild von Rousseau wesenslogisch verstehen, geht es um die innere Natur der Frau auf dem Sofa oder das Wesen der Natur selbst. Beides wird durch den von ihr geträumten, als harmonische Gemeinschaft gemalten Dschungel symbolisiert.
Neben der hier vorgenommenen Differenzierung gibt es noch weitere Möglichkeiten, eine kategoriale Unterscheidung vorzunehmen. Die Philosophin Karen Gloy spricht, indem sie auf Kant Bezug nimmt, beispielsweise von einer „materiellen“ und „formellen“ Auslegung. Die materielle Deutung kann mit der umfangslogischen Auslegung gleichgesetzt werden. Sie umfasst die „sinnlich wahrnehmbaren Gegenstände“. Je nachdem, welcher bedeutungslogische Filter dann zur Anwendung kommt, gehören künstliche Produkte wie Kunstwerke, Werkzeuge, Maschinen und Kunststoffe zur materiellen Natur oder zur Kultur. Die Natur in formaler Bedeutung entspricht einem wesenslogischen Naturverständnis. Materielle und formelle Naturinterpretation hängen zusammen, weil „die Natur in formaler Bedeutung gedacht, das Wesen der materiellen Natur ausdrückt“8. Die Zusammenhänge zwischen den genannten Kategorien sind in Abb. 4.3 dargestellt.
Welches Naturverständnis wir aus Rousseaus Bild herauslesen, hängt davon ab, was für eine Auslegung wir anwenden und ob wir das Bild als reale Szenerie oder als Traum deuten. Je nachdem, wie wir die Randbedingungen setzen, sind Sofa bzw. Mensch Teil der Natur oder auch nicht. Was wir unter Natur verstehen, hängt also entscheidend von der vorgenommenen Grenzziehung ab. Gibt es dann aber, wie beispielsweise Christoph Helferich in seiner „Geschichte der Philosophie“ fragt, „die Natur“ überhaupt „oder gibt es immer nur verschiedene Ansichten über etwas, was die Jahrhunderte hindurch […] mit ein und demselben Wort „Natur“ bezeichnet wurde?“9 Um uns einer Antwort anzunähern, zeichnen wir deshalb in der Folge historisch und kulturell unterschiedliche Naturverständnisse nach.
 

4.3 Historische Naturdeutungen

Unser heutiges Denken über die Natur ist von den Naturwissenschaften geprägt. Da diese im westlichen Kulturkreis entstanden sind, konzentrieren wir uns hier auf dessen Geschichte und lassen andere Naturvorstellungen weitgehend unberücksichtigt. Aufgrund des Rahmens, den wir uns in diesem Buch gesetzt haben, müssen wir selbst dabei vieles, was von Bedeutung ist, weglassen. Wir beschränken uns, bevor wir anschließend noch auf das Naturverständnis der Naturwissenschaften eingehen, auf zwei diametral unterschiedliche Positionen: Die ganzheitliche Perspektive der stoischen Philosophie und das mechanistische Weltbild von René Descartes.

4.3.1 Alles ist Eins: Das Naturverständnis der Stoiker

Das Wort „Natur“ entstammt dem römischen Kulturkreis und leitet sich von dem lateinischen Wort „natura“ ab. Es hat seinen Ursprung im Wort „nasci“ und bedeutet „geboren werden“.10 Das lateinische „natura“ ist eine Übersetzung des älteren griechischen Wortes „physis“ (φύσις), was sowohl den Prozess des Werdens, Wachsens, Blühens oder Aufgehens als auch die Beschaffenheit oder das Wesen eines Dinges bezeichnet.11 Das, was die frühen Griechen unter Wachstum verstanden, unterscheidet sich jedoch von unserem heutigen Wortverständnis. Wenn wir von Wachstum reden, erwarten wir, dass etwas größer wird, also quantitativ zunimmt. Für die Griechen war Wachsen jedoch eher eine qualitative Veränderung. Es bedeutete, dass etwas Verborgenes zum Vorschein kommt und wieder verborgen wird. Letzteres empfinden wir heute als Gegenteil von Wachsen.12
Es wäre jedoch eine falsche Annahme, wenn wir von einem einheitlichen Naturverständnis der Griechen ausgehen würden. Im „Hellenismus“, wie die historische Phase bezeichnet wird, in der sich, auf Alexander den Großen folgend, die griechische Kultur verbreitete, konkurrierten die bereits in Abschn. 3.​3 erwähnten „Stoiker“ mit „Epikureern“ und „Skeptikern“ um die richtige Weltdeutung.13 Auf die Stoiker, die ihre Ethik aus ihrem Naturverständnis abgeleitet haben,14 gehen wir im Folgenden ein. Dabei beziehen wir uns hauptsächlich auf die von Anna Schriefl gegebene Einführung in die stoische Philosophie15.
Mit den Begriffen „Stoizismus“ oder „Stoa“ wird eine griechische Philosophenschule bezeichnet, die bis weit in die römische Zeit sehr einflussreich war. Als ihre Gründerväter gelten Zenon, Kleanthes und Chrysipp.16 Das Wort Stoizismus leitet sich aus dem griechischen Wort „stoa“ ab, womit eine Säulenhalle bezeichnet wurde. Die Stoiker heißen Stoiker, weil sie sich regelmäßig in der Athener Säulenhalle trafen.17
Oberflächlich betrachtet könnte man das Naturverständnis der Stoiker als „materialistisch“ missverstehen, weil sie nicht wie Platon von einer transzendenten Ideenwelt ausgehen, die hinter den materiellen Gegenständen steht (Abschn. 4.3.1.2). Für die Stoiker existieren diese Ideen nicht, für sie gibt es nur Körper. Diese sind nach stoischer Vorstellung dreidimensional und widerstandsfähig. Körper können interagieren, indem sie sich berühren, voneinander abprallen oder, was ungewöhnlich ist, sich durchdringen. Letzteres, ist im Rahmen eines atomistischen Verständnisses, wie es die Epikureer vertreten haben, nicht möglich. Dort benötigt jedes Atom einen eigenen, separaten Raum, da sich zwei Atome nicht am gleichen Ort aufhalten können. Für die Stoiker wird die Welt durch die Prinzipien Materie und Vernunft konstituiert. Beide werden aber nicht transzendent, sondern körperlich gedeutet, sie können sich aufgrund der o. g. Eigenschaften, die Körper bei den Stoikern haben, durchdringen.18
Als einflussreichste Quelle des Stoizismus gilt Heraklit.19 Er wird zu einer Gruppe Philosophen gerechnet, die, weil sie zeitlich vor Sokrates wirkten, oft als „Vorsokratiker“ bezeichnet werden. Von fast allem, was wir über sie wissen, haben wir nur Kenntnis, weil spätere Autoren über sie berichtet haben. Die Vorsokratiker stellten sich die Natur als allumfassend und unvergänglich vor. Ihre Vorstellung von der Physis bezog sich auf die gesamte Wirklichkeit, die noch nicht, wie es später der Fall sein sollte, in verschiedene Seinsbereiche unterteilt war. Mit der Physis ist bei ihnen das Weltganze gemeint. Es umfasst auch das Göttliche bzw. die Götter sowie Gedanken, Menschen und das, was durch Menschen hervorgebracht wird. Das Göttliche steht in diesem Fall nicht der Natur gegenüber, sondern die Natur selbst ist göttlich.20
Die Ordnung und Einheit der Physis war durch etwas gegeben, das die Griechen als „logos“ (λόγος) bezeichneten. Wir gehen im Folgenden auf diesen Begriff näher ein, weil die in Abschn. 3.​2 genannten Erzählungen der Bioökonomie und Circular Economy auch Motive transportieren, die an Vorstellungen erinnern, die mit dem Logos verbunden werden. Diesen Zusammenhang erläutern wir in Abschn. 7.​4.
Das Wort Logos ist wegen seiner Mehrdeutigkeit kaum zu übersetzen. Es können unterschiedliche Dinge damit gemeint sein, beispielsweise eine „zusammenhängende Rede“ oder auch eine „Proportion in der Mathematik“. Diese Mehrdeutigkeit wird auch, wie der Philosoph Georg Picht ausführt, in einem Textfragment deutlich, in dem Heraklit scheinbar verschiedene Dinge Logos nennt. Er benutzt das Wort zum einen, um seinen eigenen Text zu bezeichnen, und zum anderen, um auf eine Art Prinzip hinzuweisen, auf das alles, was in der Physis erscheint, zurückgeht. Der Logos ist also etwas, das in der Tiefe der Physis enthalten ist. Er ist eine Art Ordnung, die sie im Innersten zusammenhält, aber auch in den Gedanken Heraklits zu finden ist. Der Logos ist kein Gegenstand, der in der Physis sichtbar ist, gehört aber wesentlich zu ihr. Wenn man so will, ist der Logos „die Natur der Natur“ und zugleich die Natur der Menschen! Beide sind im Logos verbunden.21
Indem sie annimmt, dass die Welt „von einer göttlichen Vernunft“ gestaltet und geordnet wird, knüpft die Stoa an Heraklits Vorstellungen an. Für die stoischen Philosophen ist die Welt eine Art Organismus, d. h. ein „sinnvolles Ganzes“, das von einem „göttlichen Prinzip“ bzw. einer „göttlichen Vernunft“ durchdrungen wird.22 Die menschliche Vernunft ist ein Teil davon, sodass die Strukturen menschlichen Denkens mit der Ordnung der Natur übereinstimmen.23,24
In den Vorstellungen der Stoa wirkt der Logos als aktives Prinzip auf die passive Materie ein. Er „durchdringt sie […] und [verursacht…] den Kosmos als Ganzen sowie alles, was er enthält: Steine, Artefakte, Pflanzen, Tiere, Menschen, ihre Seelen, ihre Vernunft, […]“25. Während in der Vorstellung Platons (Abschn. 4.3.1.2) das Göttliche als äußere Kraft auf die Materie einwirkt, ist es in der stoischen Philosophie mit ihr vermischt. Gott und Natur bzw. Gott und Materie sind hier nicht voneinander unterschieden.26 Die Philosophie der Stoiker ist deshalb auch nicht materialistisch. Im Gegensatz zu ihren Zeitgenossen, den Epikureern, die die Welt als „zufällige Zusammenfügungen von Atomen im leeren Raum“ auffassen, deuten die Stoiker die Welt als sinnvolles Ganzes.27 Das Lebensziel besteht nach stoischer Lehre deshalb darin, „im Einklang mit der Natur bzw. mit der kosmischen Vernunft zu leben“28 (Zitat 4.2). Ein „tugendhafter“ Mensch lebt für die Stoa mit dem Ganzen im Einklang, weil er der Vernunft folgt. Tugend ist nach diesem Verständnis nicht etwas, mit dem unser natürliches Verhalten eingehegt werden soll, sondern ist im Gegenteil „mit der vollen Entwicklung unserer Natur“ gleichzusetzen.29
Zitat 4.2: Diogenes Laertius (3. Jh.) zitiert Chrysipp (281/276–208/204 v. Chr.)
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„Ferner ist das Leben gemäß der Tugend dasselbe wie das Leben in Übereinstimmung mit unserer Erfahrung dessen, was von Natur aus geschieht, wie Chrysipp […] schreibt: Unsere Naturen sind nämlich Teile des Ganzen. Aus diesem Grund besteht das Ziel darin, in Übereinstimmung mit der Natur zu leben, d. h. in Übereinstimmung mit der eigenen Natur und der des Universums, indem man nichts tut, was durch das allgemeine Gesetz […] verboten ist. Dies ist die richtige Vernunft (orthos logos), die alle Dinge durchzieht und identisch ist mit Zeus, dem Anführer und Verwalter aller Dinge.“30

4.3.1.2 Von der Einheit zum Dualismus

Die Vorstellung von einer einheitlichen, allumfassenden göttlichen Natur, wie sie viele Vorsokratiker und die Stoa hatten, unterscheidet sich vor allem in einem sehr wichtigen Punkt von der Philosophie des Mittelalters. Die Natur war im Mittelalter nichts Göttliches mehr wie in der Stoa, sondern das Werk Gottes. Gott gehört in diesem Denken nicht zur Natur, sondern ist deren Schöpfer bzw. Schöpferin. Dieser „kosmische Dualismus“, in dem sich zwei „verschiedene […] Welten gegenüberstehen“, war jedoch bereits in der Antike angelegt.31 Für Antiphon beispielsweise gibt es bereits einen von der Natur abgegrenzten Bereich der menschlichen Zivilisation, den er „nomos“ (νόμος) nennt.32 Aristoteles differenziert bereits zwischen Naturgegenständen und Artefakten, unterscheidet also Natürliches und Künstliches voneinander. Natürliches ist für ihn das, was von selber da ist, und Künstliches das, was nicht von selber da ist. Diese Unterscheidung ist jedoch für ihn nicht etwas Grundsätzliches. Beides rechnet er insgesamt der Natur zu, weil Kunst, Handwerk und Technik nur etwas vollenden, was vorher bereits potenziell in ihr angelegt war.33 Unterschiede sieht er allerdings in der Art der Bewegung. Für Aristoteles trägt Natürliches das Prinzip der Bewegung in sich, während bei künstlich hergestellten Gegenständen die Bewegung von außen kommen muss.34
Sich gegenüberstehende Bereiche findet man vor allem bei Platon. Er differenziert zwischen einem mit den Sinnen wahrnehmbaren, aus Materie bestehenden Teil der Welt und einem Bereich der Ideen. Letztere sind sinnlich nicht erfahrbar, können also weder gesehen, gehört, gerochen oder ertastet werden. Sie sind nur der Vernunft und dem Verstand zugänglich.35 Platons Ideen sind „das zeitlos Vernünftige, Schöne und Gerechte an sich“36. Sie sind perfekt und existieren ewig. Die mit unseren Sinnen wahrnehmbare Welt ist dagegen alles andere als perfekt. Laut Platon wurde sie von einem göttlichen Welterbauer nach dem Vorbild der Ideen geschaffen. Die Gegenstände unserer Alltagswelt sind also unperfekte Abbilder ihrer Vorbilder aus der Ideenwelt (Zitat 4.3). Menschen haben laut Platon Kenntnis von diesen Ideen, weil ihre Seele sie bereits gesehen hat, bevor sie mit dem menschlichen Körper verbunden wurde.
Zitat 4.3: Platon (428/427–348/347 v. Chr.)
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„Schreiten wir nun auf diesen Grundlagen zur Betrachtung dieser unserer Welt, so ist sie eben hiernach ganz notwendigerweise ein Abbild von etwas.“37
Auf den ersten Blick scheint Platon ein dualistisches Weltbild zu vertreten, weil er einem unvollkommenen aus Materie bestehenden einen transzendenten Bereich mit idealen Werten und Formen gegenüberstellt.38 Aber was ist dann für Platon die Natur? Bezieht er das Wort Physis nur auf die sichtbare körperliche Welt, oder sind auch die Ideen ein Teil davon? Wie nicht anders zu erwarten, gibt es hier unterschiedliche Auslegungen. Während Georg Schiemann zwischen Natur und Ideen trennt, findet Christian Pietsch, dass Platon mit Physis nicht nur den sichtbaren Teil der Welt meint. Wie Letzterer schreibt, ist die Physis für Platon „ein Ganzes, dessen Teile sowohl die Ideen […] als auch die nach diesen Vorbildern gebildeten Abbilder […] sind.“ Der Bereich der Ideen ist für Platon, wie Pietsch weiter ausführt, „Wesen und Grund der (sichtbaren) Dinge“ bzw. der unveränderliche wahre Bereich der Natur.39 Laut Pietsch lässt sich Platons Ideenwelt mit dem Logos in Beziehung setzen. Die Natur, die umfangslogisch aus der sinnlich erfahrbaren Welt und der Ideenwelt besteht, hat ihren wesenslogischen Grund, ihren Logos, in der Ideenwelt, von der die menschliche Seele wie vom Logos Heraklits Kenntnis hat.
Platons Vorstellungen von einem die materielle Welt formenden Gott waren ein Grund, warum seine Philosophie bereits sehr früh mit der christlichen Theologie verbunden wurde.40 Später hat dann die Scholastik, die dominierende philosophische Richtung des Mittelalters, auch aristotelisches Denken in die christliche Theologie integriert. Dabei hat insbesondere Thomas von Aquin die aristotelische Ursachenlehre mit Platons Konzept eines planvoll wirkenden Schöpfergottes verknüpft. Technische Produkte und Natur sind aus dieser Perspektive miteinander vergleichbar. Beides sind „Werke“ eines zielsetzenden Geistes. Der Unterschied zwischen Natur und Technik besteht für Thomas lediglich darin, dass dieser Geist im Fall der Natur göttlich und bei der Technik menschlich ist. Einer auf Gott zurückgehenden „ersten Schöpfung“ aus Himmel, Erde und Lebewesen wurde von Thomas eine „zweite Schöpfung“ gegenübergestellt, die aus dem besteht, was Menschen mithilfe von Technik oder Kunst schaffen.41
Bei Thomas findet sich bereits eine klar dualistische Struktur. Etwas Entscheidendes hat sich verändert. Menschen sind einerseits Gottes Geschöpfe und somit Teil der Natur, andererseits aber auch seine oder ihre Ebenbilder, die über die Erde und ihre Lebewesen herrschen sollen (Zitat 4.4).42 In der mittelalterlichen Philosophie ist somit bereits die ideengeschichtliche Grundlage dafür gelegt, die Natur als eine zu beherrschende Ressource zu betrachten.43 Dieses Denken wurde in der Neuzeit vor allem von René Descartes zu einem neuen Naturverständnis entwickelt, das in der Folge auch das Denken der Naturwissenschaften prägte.
Zitat 4.4: Augustinus von Hippo (354–430)
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„Auch den Menschen hat […Gott] erschaffen, und zwar nach seinem Ebenbild, damit wie er selber durch seine Allmacht die ganze Schöpfung beherrscht, so der Mensch durch seine Vernunft, womit er zugleich seinen Schöpfer erkennt und verehrt, alle irdischen Wesen beherrsche.“44

4.3.2 Natur und Geist – Der Dualismus des René Descartes

In der mittelalterlichen Philosophie bzw. Theologie war bereits eine Zweiteilung (Dichotomie) des Weltbildes angelegt. Natürliche Gegenstände gingen auf Gott und künstliche auf Menschen zurück. Beides waren aber Produkte eines zwecksetzenden Geistes und somit in gewisser Weise vergleichbar. In der Renaissance setzte sich deshalb der Gedanke durch, dass die Natur ebenso wie ein künstliches Gebilde behandelt und umgestaltet werden kann. Er wird vor allem mit René Descartes in Verbindung gebracht. Descartes, den man sowohl einen Philosophen als auch einen Mathematiker oder Naturwissenschaftler nennen kann, sieht, anders als noch Aristoteles, überall die gleichen Bewegungsgesetze wirken. Während Aristoteles Künstliches und Natürliches durch ein passives bzw. aktives Bewegungsprinzip unterscheidet, existieren diese Unterschiede für Descartes nicht.45 Trotzdem ist die Welt für ihn eine geteilte Welt. Er differenziert aber nicht zwischen Künstlichem und Natürlichem, sondern wie vor ihm schon Augustinus zwischen Geist und Natur.

4.3.2.1 „Ausgedehnte“ und „denkende“ Sachen

Die Überlegungen, die Descartes im Winter des Jahres 1619/20 anstellte, waren im Kern erkenntnistheoretisch. Er fragt: Gibt es die Dinge, die ich wahrnehme, überhaupt wirklich? Auf den ersten Blick scheint Descartes mit dieser Frage eine ähnliche Haltung wie die Skeptiker der Antike einzunehmen. Diese glaubten, dass uns unsere Sinne kein verlässliches Bild der Wirklichkeit vermitteln und eine Erkenntnis der Welt grundsätzlich nicht möglich ist. Descartes ist aber kein Skeptiker, er will nicht im Zweifel verharren, sondern ihn auflösen. Sein Zweifel ist nicht grundsätzlicher, sondern methodischer Art. Er zweifelt, um etwas zu identifizieren, das nicht bezweifelt werden kann, um auf diesem Fundament seine weiteren Überlegungen aufzubauen. Seine Denkmethode, die er dementsprechend selbst als „methodischen Zweifel“ bezeichnet hat, ist radikal und stellt zunächst alles infrage: die Sitten der Menschen, das Urteil der Sinne, das Gedächtnis und auch die Wirklichkeit der Außenwelt. Was bleibt, so fragt er, noch übrig, dessen Existenz über jeden Zweifel erhaben ist? Bleibt als einzige Gewissheit, dass nichts gewiss ist, oder gibt es doch etwas, an dem nicht gezweifelt werden kann? Descartes entscheidet sich im Gegensatz zu Philosophen wie George Berkeley für das Letztere. Das, woran er nicht zweifeln kann, ist, dass sein denkendes „Ich“ existiert. Es ist dasselbe Ich, das zuvor den Gedanken hatte, dass nichts gewiss ist (Zitat 4.5).46
Zitat 4.5: René Descartes (1596–1650)
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„Ich weiß nicht, ob ich euch von den ersten Betrachtungen (meditations, cogitationes), die ich hier gemacht habe, unterhalten soll, denn sie sind so metaphysisch und so wenig in der gewöhnlichen Art, dass sie wohl schwerlich nach jedermanns Geschmack sein werden. Doch, um prüfen zu lassen, ob die Grundlagen, die ich genommen habe, fest genug sind, bin ich gewissermaßen genötigt, davon zu reden. […] So wollte ich, weil unsere Sinne uns bisweilen täuschen, annehmen, dass kein Ding so wäre, wie die Sinne es uns vorstellen lassen […]. Alsbald aber machte ich die Beobachtung, dass, während ich so denken wollte, alles sei falsch, doch notwendig ich, der das dachte, irgend etwas sein müsse, und da ich bemerkte, dass diese Wahrheit »ich denke, also bin ich« (je pense, donc je suis; Ego cogito, ergo sum, sive existo) so fest und sicher wäre, dass auch die überspanntesten Annahmen der Skeptiker sie nicht zu erschüttern vermöchten […].“47
Das Ich, das Descartes erkennt, bezeichnet er als „denkende Sache“ („res cognitans“). Es ist für ihn reines Denken und damit etwas völlig anderes als das, was es außerhalb von ihm gibt. Alles, was nicht zum Denken gehört, Dinge der Außenwelt, bezeichnet er als „ausgedehnte“ Sachen („res extensa“). Während die Außenwelt seiner Vorstellung nach physikalisch erklärbar ist, d. h. sie kann mithilfe quantitativer Größen vollständig beschrieben und verstanden werden,48 unterliegt sein Denken nicht physikalisch determinierten Prozessen, sondern hat einen freien Willen.49
Descartes stellt einer vollständig physikalischen Natur mit dem nicht physikalischen Denken einen Bereich des Geistes gegenüber. Zur Natur gehört für ihn alles, was nicht zum Denken gehört: Materie, Pflanzen, Tiere und technische Apparate. Tiere sind für Descartes ausgedehnte und keine denkenden Sachen. Er betrachtet sie als kausal funktionierende Automaten. Auch der menschliche Körper besteht aus Materie und ist für Descartes vom denkenden Ich unterschieden. Der Körper gehört zur Natur und kann wie die übrige Natur mithilfe kausaler Beziehungen beschrieben werden.50 Diese Unterscheidung zwischen Körper und uns selbst kommt auch in heute gebräuchlichen Redeformen zum Ausdruck, beispielsweise wenn wir sagen, wir müssen etwas für unseren Körper tun. Wir tun dann so, als wäre der Körper etwas anderes als wir selbst. Diese Perspektive lässt sich recht gut mit dem Gemälde „Der Wanderer im Nebelmeer“ von Caspar David Friedrich in Abb. 4.4 anschaulich machen. Der Wanderer steht, dem Betrachter den Rücken zukehrend, auf einer Bergspitze und blickt auf eine ihm gegenüberstehende Natur. Weil er uns als Betrachter den Rücken zukehrt, können wir zum Teil seine Perspektive einnehmen. Wir sehen dann die Natur, wie der Wanderer sie sieht. Ziehen wir uns gedanklich auf unsere Perspektive zurück, wird der Körper des Wanderers für uns auch zu einem Teil der Natur.
Descartes Weltbild ist sowohl dualistisch als auch materialistisch. Dies scheint zunächst ein Widerspruch zu sein, weil im Materialismus normalerweise davon ausgegangen wird, dass es ausschließlich Materie und Energie gibt und Weltbilder, die alles auf einen Gegenstandsbereich zurückführen, als monistisch bezeichnet werden. Descartes unterteilt die Welt aber in eine materialistisch verstandene Natur und einen Bereich des Geistes. Obwohl er die Natur materialistisch deutet, ist seine Philosophie nicht atheistisch, wie es bei späteren Konzepten der Fall ist. Gott spielt für Descartes noch eine wichtige Rolle. Die Gesetzmäßigkeiten in der Natur kommen von Gott, und sie wurden auch dem menschlichen Geist eingeprägt. Letzteres garantiert Descartes, dass die Menschen sichere Erkenntnisse über die Natur haben, da Gott sie nicht betrügt.51

4.3.2.2 Ist die Natur eine Maschine?

Descartes Philosophie entfaltete in den naturwissenschaftlichen Vorstellungen der Neuzeit eine große Wirkung. Die Natur wurde von den meisten Wissenschaftlern als große Maschine gedeutet, die aus physikalischen, quantitativ charakterisierbaren Körpern besteht, deren Verhalten durch die Naturgesetze bestimmt wird.52 Sie ist in diesem „mechanistischen“ Weltverständnis kein lebendiger Organismus, wie sie es bei den Stoikern war, sondern etwas Lebloses. Natur wird als Objekt wahrgenommen, das mit den Mitteln der Mathematik und Physik untersucht werden kann. Was dabei entdeckt wird, kann verwendet werden, um technische Anwendungen zu entwickeln oder Gegebenheiten in der Natur zu verändern.53 Natur wird, wie die Philosophin Regine Kather schreibt, so sowohl zu einem wissenschaftlichen als auch zu einem „wertfreien“ Objekt, das zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse nach Belieben gestaltet und genutzt werden kann.54 Descartes selbst bestätigt, wie Zitat 4.6 zeigt, diese Deutung. Er spricht davon, dass die Menschen sich mithilfe von Wissenschaft und Technik zu „Herrn und Eigentümern der Natur“ machen können. Obwohl das mechanistische Weltbild Descartes als überholt gilt, zeigt, Zitat 4.30 bzw. Perspektive 15 in Abschn. 4.8, dass die Vorstellung von der Natur als einer Maschine auch heute noch nicht der Vergangenheit angehört.
Zitat 4.6: René Descartes (1596–1650)
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„Denn diese Begriffe haben mir die Möglichkeit gezeigt, Ansichten zu gewinnen, die für das Leben sehr fruchtbringend sein würden, und statt jener theoretischen Schulphilosophie eine praktische zu erreichen, wodurch wir die Kraft und die Tätigkeiten des Feuers, des Wassers, der Luft, der Gestirne, der Himmel und aller übrigen uns umgebenden Körper ebenso deutlich wie die Geschäfte unserer Handwerker kennenlernen und also imstande sein würden, sie ebenso praktisch zu allem möglichen Gebrauch zu verwerten und uns auf diese Weise zu Herrn und Eigentümern der Natur zu machen. Und das ist nicht bloß wünschenswert zur Erfindung unendlich vieler mechanischer Künste, kraft deren man mühelos die Früchte der Erde und alle deren Annehmlichkeiten genießen könnte, sondern vorzugsweise zur Erhaltung der Gesundheit […].“55

4.4 An welche Natur glauben die Naturwissenschaften?

Wer wissen möchte, was die Natur ist, könnte auf den Gedanken kommen, sich den Begriff von den Naturwissenschaften erklären zu lassen. Dieser Schluss liegt nahe, da es sich bei ihnen, dem Namen nach, um die Disziplinen handelt, die Natur untersuchen. In naturwissenschaftlichen Studiengängen sucht man jedoch vergeblich nach einer Vorlesung, in der die Natur behandelt wird. Obwohl nach Erklärungen für Phänomene in der Natur gesucht wird, gibt es so etwas wie eine naturwissenschaftliche Definition der Natur nicht.56 Trotzdem lassen sich aus der Art und Weise, wie vorgegangen wird, Vorstellung über das Wesen der Natur erkennen, die unausgesprochen vorausgesetzt werden. Auch diese haben sich historisch gewandelt. Während das Naturbild in der Neuzeit durch die klassische Physik und eine mechanistische Perspektive gekennzeichnet war, sind neuere Ansätze wesentlich differenzierter.57

4.4.1 Die Natur entspricht dem physikalischen Teil der Welt

In den Naturwissenschaften gibt es vor allem eine umfangslogische Naturperspektive (Abschn. 4.2). Die von ihnen untersuchte Natur ist dabei auf den ersten Blick mit der Welt als Ganzem identisch. Sie umfasst das Universum, d. h. die Gesamtheit von Materie und Energie in Zeit und Raum, also alles, was es physikalisch gibt. Hinzu kommen noch die Gesetzmäßigkeiten, die das physikalische Verhalten bestimmen und auch zur Natur gerechnet werden. Die Zahl Eins, eine Romanfigur, ein Gesetz oder ein Gedanke gehören jedoch nicht dazu. Während diese „Dinge“ für moderate Naturwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen nur methodisch ausgeschlossen sind, weil sie, obwohl es sie gibt, kein Teil des physikalischen Universums sind, existieren sie für radikal materialistische Angehörige der Naturwissenschaften nicht wirklich. Sie sind für sie lediglich Begleitphänomene materieller Prozesse.58
Die Natur ist aus der Perspektive der Naturwissenschaften so beschaffen, dass Menschen grundsätzlich Zusammenhänge und Prozesse in ihr erkennen können. Andernfalls wäre Naturwissenschaft nicht möglich. Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler forschen, indem sie logische Überlegungen anstellen und diese durch Beobachtungen oder eine künstlich hergestellte experimentelle Situation überprüfen. Die untersuchten Phänomene lassen sich dabei mithilfe von mathematischen Zusammenhängen beschreiben, die in den Gedanken der Forschenden formuliert werden. Die Naturwissenschaften setzen damit voraus, wir könnten auch sagen, sie glauben daran, dass die Natur sinnvoll organisiert ist und dass der menschliche Verstand sie grundsätzlich begreifen kann. Das Mittel, mit dem sie verstanden und beschrieben werden kann, ist nach naturwissenschaftlichen Verständnis die Mathematik (Zitat 4.7).59
Zitat 4.7: Galileo Galilei (1564–1641/1642)
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„Die Philosophie ist in diesem großen Buch niedergeschrieben, das vor unseren Augen immer offen liegt (ich meine das Universum), welches wir aber nicht verstehen können, wenn wir nicht zuvor lernen, die Sprache zu verstehen und die Zeichen zu deuten, in denen es geschrieben ist. Es ist in der mathematischen Sprache geschrieben, und seine Buchstaben sind Dreiecke, Kreise und andere geometrische Figuren; ohne diese Mittel ist es dem Menschen unmöglich, ein einziges Wort zu verstehen.“60

4.4.2 Naturgesetze und Kausalität

Das Weltbild der im 17. Jahrhundert entstehenden Naturwissenschaften war das „mechanistische“ Weltbild René Descartes. Die Natur wird darin als Maschine gedeutet, die nach einem erkennbaren Plan konstruiert ist. Naturvorgänge lassen sich dementsprechend wie die Teile eines Apparates in Einzelteile zerlegen und für sich betrachten. Im Experiment beispielsweise werden Teile der Natur von ihrer Umgebung isoliert, um sie ohne den Einfluss nicht gewünschter Faktoren zu untersuchen. Das Experiment lässt sich somit als „Frage an die Natur“ oder „kontrollierte Erfahrung“ verstehen.61
Die Bezeichnung Natur wurde nicht nur auf die Materie selbst angewendet, sondern auch auf die Gesetze, die ihre Bewegung bestimmen. Sie wurden Ende des 17. Jahrhunderts zunehmend mathematisch formuliert, u. a. 1687 von Isaak Newton in den „Mathematischen Prinzipien der Naturphilosophie“.62 Naturgesetze formulieren Zusammenhänge zwischen verschiedenen Größen und haben die Form von Wenn-dann-Aussagen.63
Was aber müssen wir uns unter „Naturgesetzen“ konkret vorstellen? Für Descartes wurden sie von Gott in die Natur gelegt und zugleich „dem menschlichen Geist eingeprägt“64. Der Begriff stellt ursprünglich somit eine Analogie zur menschlichen Gesetzgebung her, mit Gott als Gesetzgeber. Im Bild dieser Analogie muss sich die Natur nach den gesetzmäßig verfassten Geboten Gottes richten.65 In den heutigen Naturwissenschaften hilft diese Analogie jedoch nicht weiter, da sie die Natur beschreiben wollen, ohne auf Gott als Erklärung zurückzugreifen.
Einer der Naturwissenschaftler, die versucht haben, den Naturgesetzbegriff näher zu fassen, war der Physiker Erwin Schrödinger. Seine 1922 an der Universität Zürich gehaltene Antrittsrede überschrieb er mit der Frage: „Was ist ein Naturgesetz?“.66 Dabei ging er zunächst vom Verständnis der klassischen Physik aus (Zitat 4.8), um diesem eine neue, quantenphysikalisch begründete Auslegung entgegenzusetzen.
Zitat 4.8: Erwin Schrödinger (1887–1961)
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„Über die Erfahrung hinaus wird als allgemeines Postulat aufgestellt, daß auch in solchen Fällen, in denen es noch nicht gelungen ist, die bedingenden Ursachen eines bestimmten Erscheinungsablaufes zu isolieren, solche doch angebbar sein müssen, oder mit anderen Worten, daß ein jeder Naturvorgang absolut und quantitativ determiniert ist […]. In diesem Postulat, das wohl auch als Kausalitätsprinzip bezeichnet wird, werden wir durch fortschreitende Erkenntnis spezieller bedingender Ursachen stets aufs neue bestärkt.
Als Naturgesetz nun bezeichnen wir doch wohl nichts anderes als eine mit genügender Sicherheit festgestellte Regelmäßigkeit im Erscheinungsablauf, sofern sie als notwendig im Sinne des oben genannten Postulats gedacht wird.“67
Wie Schrödinger feststellt, verstand man bis dahin eine regelmäßige Ereignisabfolge, die nicht zufällig geschieht, sondern durch „notwendige“ kausale Zusammenhänge bestimmt wird, als Naturgesetz. Das heißt, eine bestimmte Ursache muss immer und überall zu einer bestimmten Wirkung führen (Abb. 4.5).
In Abb. 4.5 wirkt die Ursache A auf B ein. B erfährt hierdurch eine Veränderung und wird zu B‘, das seinerseits als Ursache auf C einwirkt, usw. Damit eine Kausalerklärung Anwendung findet, reicht es nicht aus, dass B‘ zeitlich auf A folgt, vielmehr muss A auf B wirken und B‘ so verursachen. In diesem Prozess gibt es kein Ziel. Im mechanistischen Weltbild der klassischen Physik wird der „Weltenlauf“ allein durch die Position der Teilchen sowie mathematische Gesetzmäßigkeiten bestimmt. Wenn die Ausgangsbedingungen festliegen, ist alles vorherbestimmt bzw. determiniert (Zitat 4.9). In einer vollständig determinierten Welt kann es freie menschliche Entscheidungen nicht geben. Zu Ende gedacht, impliziert eine solche Sichtweise, dass Lebewesen und soziale menschliche Beziehungen letztendlich nichts anderes sind als die Bewegung von Elementarteilchen oder Atomen.
Zitat 4.9: Pierre-Simon Laplace (1749–1827)
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„Wir müssen […] den gegenwärtigen Zustand des Weltalls als die Wirkung seines früheren Zustandes und andererseits als die Ursache dessen, der folgen wird, betrachten. Eine Intelligenz, welche für einen gegebenen Augenblick alle Kräfte […] sowie die gegenseitige Lage der Wesen, die sie zusammensetzen, kennen würde, und überdies umfassend genug wäre, um diese gegebenen Grössen einer Analyse zu unterwerfen, würde in derselben Formel die Bewegungen der grössten Weltkörper wie die des leichtesten Atoms ausdrücken: nichts würde für sie ungewiss sein und Zukunft wie Vergangenheit ihr offen vor Augen liegen.“68
Schrödinger bezweifelt, dass die Natur eine determinierte Verfasstheit hat. Dabei bezieht er sich auf die von ihm mitbegründete Quantenphysik. Sie stellte Anfangs des 20. Jahrhunderts das vorherrschende Weltbild der klassischen Naturwissenschaft infrage, da die Prozesse auf atomarer und subatomarer Ebene nicht mehr mithilfe kausal vorgestellter Prozessstrukturen erklärt werden können. Hier sind keine klaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu finden, oder anders gesagt, Ursache und Wirkung lassen sich nicht mehr klar voneinander trennen.69
Eines der Beispiele, mit denen Schrödinger seinen Zweifel an der Existenz kausaler Naturgesetze begründet, ist der radioaktive Zerfall,70 bei dem instabile Atomkerne unter Abgabe von Strahlung zerfallen und stabilere übrigbleiben. Für diesen Vorgang gibt es keine äußere Ursache. Ob ein einzelner Kern unter Abgabe radioaktiver Strahlung zerfällt, ist völlig offen und dem Zufall überlassen. So kann es bei zwei Urankernen, die an sich identisch sind und den gleichen Umgebungsbedingungen ausgesetzt sind, sein, dass der eine Kern in der nächsten Minute zerfällt und der andere nicht. Angeben lässt sich nur eine Wahrscheinlichkeit für den Zerfall. Erst wenn eine große Zahl von Atomen vorliegt, wird aus Wahrscheinlichkeit ein Gesetz, mit dessen Hilfe vorhergesagt werden kann, wie viel nach einer bestimmten Zeit zerfallen ist. Makroskopisch können somit Zusammenhänge formuliert werden, die wie kausale Naturgesetze wirken. Es lässt sich beispielsweise eine Halbwertzeit ermitteln, mit der berechnet werden kann, wie viele Atomkerne nach einer bestimmten Zeit zerfallen sind. Welche das sind, ist aber völlig unbestimmt. Für Schrödinger sind die Prozesse in der Natur durch echte Zufälle bestimmt. Erst auf makroskopischer Ebene ergeben sich aufgrund der großen Zahl der beteiligten Teilchen aus Zufällen scheinbar geordnete Zusammenhänge (Zitat 4.10).
Zitat 4.10: Erwin Schrödinger (1887–1961)
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„Die physikalische Forschung hat in den letzten 4–5 Jahrzehnten klipp und klar bewiesen, daß zum mindesten für die erdrückende Mehrzahl der Erscheinungsabläufe, deren Regelmäßigkeit und Beständigkeit zur Aufstellung des Postulates der allgemeinen Kausalität geführt hat, die gemeinsame Wurzel der beobachteten strengen Gesetzmäßigkeit der Zufall ist. […]
Es ist nun, mindestens in einer sehr großen Zahl von Fällen ganz verschiedener Art gelungen, die beobachtete Gesetzmäßigkeit voll und restlos aus der ungeheuer großen Zahl der zusammenwirkenden molekularen Einzelprozesse zu erklären. Der molekulare Einzelprozeß mag seine eigene strenge Gesetzmäßigkeit besitzen oder nicht besitzen – in die beobachtete Gesetzmäßigkeit der Massenerscheinung braucht jene nicht eingehend gedacht zu werden, sie wird im Gegenteil in den uns allein zugänglichen Mittelwerten über Millionen von Einzelprozessen vollständig verwischt. Diese Mittelwerte zeigen ihre eigene, rein statistische Gesetzmäßigkeit, die auch dann vorhanden wäre, wenn der Verlauf jedes einzelnen molekularen Prozesses durch Würfeln, Roulettespiel, Ziehen aus einer Urne entschieden würde71
[…] es ist sehr wohl möglich, daß die Naturgesetze samt und sonders statistischen Charakter haben.“72
Insgesamt bleibt festzustellen, dass, obwohl in den Naturwissenschaften mit dem Begriff gearbeitet wird, nach wie vor Unklarheit darüber besteht, um was es sich bei einem Naturgesetz handelt und warum es gilt.73 „Realisten“ glauben, dass Naturgesetze wirklich als solche existieren. Reduktionisten wie Schrödinger vertreten dagegen die Auffassung, dass es die Naturgesetze selbst nicht gibt, sondern dass sie Ausdruck von etwas anderem sind. Dieses andere ist selbst kein Naturgesetz, sondern beruht womöglich nicht auf Regeln, sondern auf Zufälligkeiten. Eine weitere Position versteht Naturgesetze als Denkstrukturen, mit denen wir die Natur beschreiben.74

4.4.3 Statische oder dynamische Natur?

Bevor sich die Naturwissenschaften entwickelten wurde die Natur als „unwandelbare Welt“ wahrgenommen, die „Stabilität, Konstanz und Perfektion“ ausdrückte. Veränderungen betrafen nur Individuen, nicht aber Arten oder die Natur als Ganzes. Dieses Verständnis prägte zu Beginn der Neuzeit auch noch die Naturwissenschaften. Descartes setzt ein Universum voraus, das, ähnlich wie ein Uhrwerk, durch gottgegebene Naturgesetze gesteuert wird. Dieses Verständnis hat sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts gewandelt. Neuere Erkenntnisse wie die Entwicklung der Evolutionstheorie oder die Entdeckung, dass das Universum expandiert, führten zu der Einsicht, dass die Natur nicht unwandelbar ist, sondern dass sie sich in einer naturgeschichtlichen Entwicklung ständig verändert. Für die heutigen Naturwissenschaften ist die Natur kein „perfektes, absolutes System“, sondern ein „offener, relativer Prozess“.75
Für Konzepte, die sich wie die Bionik oder die Circular Economy an Vorbildern aus der Natur orientieren, ist in diesem Zusammenhang vor allem die Evolutionstheorie von Bedeutung (Abschn. 4.5). Der Begriff „Evolution“ leitet sich aus dem lateinischen Wort „evolvere“ ab, was „herausrollen“ oder „entwickeln“ bedeutet. Ab Beginn des 19. Jahrhunderts wird Evolution, nachdem zuvor mehr die individuelle Entwicklung von Lebewesen damit gemeint war, auf deren Entwicklungsgeschichte und den zugehörigen Prozess bezogen. Charles Darwin und Alfred Russel Wallace entwickelten hierzu in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine wissenschaftliche Theorie.76 Wesentlich darin sind das Selektionsprinzip und damit verbundene „unterschiedliche Überlebens- und Fortpflanzungswahrscheinlichkeiten“77.
Heute werden vor allem drei Bedeutungen mit einer „biologischen Evolution“ verbunden. Sie bezeichnet sowohl die generationenübergreifende Veränderung von Lebewesen als auch deren Verwandtschaft und die Mechanismen, die bei ihrer Veränderung wirksam sind.78 Grundlegend für Letztere ist, dass sich alle Lebewesen in Merkmalen voneinander unterscheiden und dass diese, zumindest geringfügig, unterschiedliche Fortpflanzungsraten zur Folge haben. Die Merkmale werden über die Gene an die nachfolgende Generation weitergegeben und sind teilweise vererbbar. Ein wichtiger Punkt in der Evolutionstheorie ist, dass sich im Laufe der Zeit so „Typen“ von Lebewesen ausbreiten, die eine höhere Überlebens- und Fortpflanzungsrate haben als andere. Es entstehen neue Populationen, die sich irgendwann von ihren Vorfahren so weit unterscheiden, dass sie mit diesen nicht mehr kreuzbar sind. Das Ausleseergebnis schränkt zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten ein und führt zu mehr Komplexität. Der Prozess ist irreversibel und unwiederholbar. Wichtig ist, dass er in der Evolutionstheorie keinem Ziel folgt. Das Auge entstand, evolutionär betrachtet, nicht, „um zu sehen“, sondern weil die Fähigkeit, auf Lichtreize reagieren zu können, die Fortpflanzungswahrscheinlichkeit erhöht hat. Der Evolutionsprozess ist nicht auf bestimmte Merkmale oder Anpassungen, beispielsweise mehr Effizienz, ausgerichtet (Abschn. 4.7.2). Er ist ergebnisoffen und bis auf Ausnahmen nicht vorhersagbar.79

4.4.4 Die Umgestaltung der Natur

Bereits Descartes hatte in den Naturwissenschaften nicht nur eine Methode zur Untersuchung von Naturprozessen gesehen. Er verstand sie auch als neue Möglichkeit, die Natur zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse umzugestalten (Zitat 4.6). Dass Natur wie eine Maschine prinzipiell auch „konstruiert“ werden kann, drückt sich jedoch nicht nur in technischen Anwendungen aus, auch die naturwissenschaftliche Untersuchungsmethode selbst nimmt Natur nicht einfach wie sie ist, sondern richtet sie für ihre Experimente her. Die Natur wird dabei in Form von „systematisierbaren, verwertbaren Fragmenten wahrgenommen“80.
Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler stellen die Objekte, die sie in ihren Experimenten untersuchen, teilweise erst selbst her. In der Physik werden Elementarteilchen beobachtet, die ohne die künstlichen Bedingungen im Beschleuniger nicht existieren würden, in der Chemie werden Stoffe hergestellt, die es zuvor nicht gab, und in der synthetischen Biologie werden neue Organismen konstruiert. Naturwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen gehen dabei davon aus, dass die von ihnen künstlich hergestellten Untersuchungsobjekte auch Naturgegenstände sind. Sie untersuchen also nicht die ursprüngliche Natur Rousseaus, wie es sie ohne menschliche Einwirkung geben würde, sondern stellen die Natur, die sie untersuchen, selbst her. Die Naturwissenschaften untersuchen somit nicht nur eine gegebene Natur, sondern ebenfalls auch eine potenziell mögliche, die erst im Experiment und in technischen Anwendungen verwirklicht wird. Eine Unterscheidung zwischen Künstlichem und Natürlichem macht in den Naturwissenschaften deshalb keinen Sinn. Aus ihrer Perspektive wirken überall die gleichen Prinzipien, alles besteht aus Energie, Elementarteilchen, Atomen, Molekülen oder Genen, deren Verhalten durch Naturgesetze bestimmt wird.81

4.5 Gründe für eine Orientierung am Vorbild Natur?

Bevor wir im nachfolgenden Abschnitt nach Möglichkeiten der Naturerkenntnis fragen, wollen wir hier ein kurzes Resümee ziehen, ob die in Abschn. 4.3 vorgestellten historischen Naturdeutungen Anlass geben, die Natur als Vorbild herauszustellen, und wenn ja, warum. Die Deutung der Stoiker und die von René Descartes bilden dabei ausgesprochene Gegensätze. Beide interessieren sich zwar für die Natur, allerdings aus unterschiedlichen Gründen.
Für die Stoa ist die Natur ein einheitliches Ganzes. Sie ist lebendig und eine Art Organismus, in dem ein göttliches Prinzip wirkt. Sich am Vorbild Natur zu orientieren, heißt hier, im „Einklang mit der Natur“ zu leben, diesem Prinzip zu folgen und mit dem Göttlichen ins Einverständnis zu setzen. Es geht darum, sich in das große Ganze einzufügen und Teil des kosmischen Organismus zu sein. Descartes will das Gegenteil. Er möchte Zusammenhänge in der Natur erkennen, um sie zu verändern. Die Natur, inklusive der Tiere und seines eigenen Körpers, ist für ihn tote Materie, in der sich Teilchen wie in einer Maschine bewegen. Dieser Naturmaschine stellt er den lebendigen Geist der Menschen und den Geist Gottes gegenüber.
In den frühen Naturwissenschaften, für die Descartes hier stellvertretend steht, ist die Natur weniger ein „Vorbild für Nachahmungen“, sondern, wie Birgit Peuker schreibt, eine „Ressource für die schöpferischen Konstruktionen“ von Menschen.82 Eine Orientierung an Naturgesetzen erfolgte oft nicht wie bei den Stoikern aus Achtung vor der Natur, sondern um sie zu beherrschen.83 Auch wenn die meisten Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler heute nicht mehr dem mechanistischen Weltverständnis von Descartes folgen, vertreten viele dennoch einen physikalischen Monismus. Letztendlich ist die Natur für sie zunächst etwas Unbelebtes, in dem das Entstehen von Leben mithilfe von Mechanismen, die in der toten Materie wirken, erklärt werden muss.
Wenn in den Naturwissenschaften oder technischen Fächern wie der Bionik von einer Orientierung an der Natur die Rede ist, ist als Vorbild meistens die Evolution gemeint. Gleich et al., die wir in diesem Zusammenhang bereits in Abschn. 3.​3 zitiert haben, nennen in einer Studie, in der sie Entwicklungstrends in der Bionik untersuchen, drei „Ebenen“, die für das „Lernen von der Natur“ herangezogen werden können. Sie sind alle auf die Evolution bezogen. Wir wiederholen sie hier noch einmal und geben sie wörtlich so wieder, wie Gleich et al. sie zusammengefasst haben:84
1.
„Lernen von den Ergebnissen der Evolution“
 
2.
„Lernen vom Prozess der Evolution“ 
 
3.
„Lernen von den (Erfolgs-)Prinzipien der Evolution“
 
Wie wir bereits berichtet haben, zählen Gleich et al. zum ersten Punkt der Aufzählung konkrete Systemlösungen wie beispielsweise den Klettverschluss, der sich an der gleichnamigen Pflanze orientiert, oder einen Flugzeugflügel, der dem eines Vogels nachempfunden ist. Als Grund, warum man die Ergebnisse der Evolution als technisches Vorbild heranziehen soll, geben sie an, dass die natürlichen Vorbilder über Jahrmillionen in einem evolutionären Prozess erprobt und optimiert wurden.85 Punkt 2 umfasst Methoden, mit denen der Evolutionsprozess durch Variation und Auslese nachgeahmt wird. Für die Circular Economy ist Punkt drei der Aufzählung relevant. Sie wird von Gleich et al. in diesem Zusammenhang explizit als Beispiel genannt. Das Entstehen von natürlichen Kreisläufen wird von ihnen als ein wesentliches Erfolgsprinzip der Evolution interpretiert. Die Weisheit der Natur, die in der Stoa mit dem Logos gleichzusetzen war, wird hier quasi durch das Wort „Erfolg“ ersetzt.

4.6 Was können wir über Natur wissen?

4.6.1 Erkenntnistheoretische Grundsatzpositionen

Wenn wir die Natur als Vorbild heranziehen, beispielsweise um ihre Prinzipien in unser Wirtschaftssystem zu übertragen, setzen wir stillschweigend voraus, dass wir von diesen Prinzipien gesicherte und objektive Kenntnisse haben.86 Was wir jedoch über die Natur sagen, wie wir sie sehen und wie wir sie verstehen, ist kein absolutes Wissen, sondern hängt von unserer Perspektive ab. Sowohl unser persönlicher Standpunkt als auch unser kulturelles Umfeld spielen dabei eine Rolle. Was Natur „von sich aus“ ist – ohne unsere Deutung – entzieht sich unserer Erkenntnis. Wir können keine Aussagen über die Natur an sich treffen, sondern nur, wie sie uns erscheint.87 Wenn wir also von der Natur lernen wollen, stellt sich die erkenntnistheoretische Frage, ob wir ihre „Prinzipien“ und sie selbst überhaupt erkennen können.
Die Erkenntnistheorie ist eine philosophische Disziplin, die Möglichkeiten und Grenzen der Erkenntnisfähigkeit untersucht. Die meisten historischen Versuche, sich dem Erkenntnisproblem zu nähern, unterteilen die Welt in Subjekt und Objekt (Zitat 4.11).
Zitat 4.11: Heinz Zahrnt (1915–2003)
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„Das Wesen der Neuzeit und ihres Denkens besteht darin, daß, daß ihr die Welt zum Bilde wird. […] Damit hat sich eine tiefe Wandlung im Verhältnis des Menschen zur Welt angebahnt: der Mensch wird zum Subjekt und die Welt zu seinem Objekt. […] und entsprechend wird die Welt für ihn zum ‚Gegenstand‘. Ob er die Welt als Gegenstand so oder so beschreibt, ob sein ‚Weltbild‘ idealistisch oder materialistisch ausfällt, ist ziemlich gleichgültig – auf jeden Fall hat er es unter Absehen von seiner eigenen Existenz entworfen.“88
Subjekt ist das denkende und ggf. erkennende Ich und Objekt alles, was nicht zu diesem Ich gehört. Die Kernfrage der meisten Erkenntnistheorien ist nun, wie Subjekt und Objekt zusammenkommen, ob also das, was in unserer Innenwelt als Gegenstand „erscheint“, mit dem identisch ist, was es in der Außenwelt gibt. Einen anderen Ansatz, auf den wir hier nicht näher eingehen, verfolgt die „Phänomenologie“. Dabei handelt es sich um eine philosophische Richtung, in der Phänomene, also unmittelbar gegebene Erscheinungen, im Mittelpunkt stehen. Die Unterscheidung zwischen Innen- und Außenwelt macht hier keinen Sinn. Ein Subjekt existiert in der Phänomenologie nicht als Gegenüber von Welt. Existenz gib es nur in der Bezogenheit aufeinander, d.h. nur mit der Welt zusammen.89
Stark vereinfacht lassen sich mit dem Dogmatismus und Skeptizismus zwei erkenntnistheoretische Grundsatzpositionen unterscheiden.90 Der Dogmatismus geht davon aus, dass es unbezweifelbare Auffassungen und Aussagen gibt, der Skeptizismus bezweifelt dagegen grundsätzlich die Möglichkeit, sichere Erkenntnisse zu haben. Die in Abschn. 4.3.2 vorgestellte Philosophie Descartes ist, obwohl man aufgrund seines methodischen Zweifels zunächst einen anderen Eindruck haben könnte, dem Dogmatismus zuzurechnen. Für Descartes stand unbezweifelbar fest, dass es sowohl sein denkendes Ich als auch Gott gibt. Gott sorgt, laut Descartes, dafür, dass Innen- und Außenwelt übereinstimmen.
Nahe mit dem Dogmatismus verwandt ist der „Realismus“. Realisten und Realistinnen gehen davon aus, dass wir „die Dinge an sich erkennen“.91 Es gibt jedoch verschiedene realistische Spielarten. Der als widerlegt geltende „naive Realismus“, den wir meistens im Alltag praktizieren, ist davon überzeugt, dass die reale Welt genauso wahrgenommen wird, wie sie ist. Der „hypothetische Realismus vermutet dagegen nur, dass es eine reale Welt gibt, nimmt aber an, dass ihre Strukturen zumindest teilweise erkennbar sind und dass eine Prüfung dieser Hypothese möglich ist92“.
Im Folgenden stellen wir exemplarisch mit dem von Immanuel Kant entwickelten „Kritizismus“ und der „Evolutionären Erkenntnistheorie“ zwei Ansichten vor, die zu gegensätzlichen Einschätzungen kommen, was die menschlichen Erkenntnismöglichkeiten betrifft. Für Kant ist die für die Formulierung von Naturgesetzen so wichtige Kausalität kein Prinzip der Natur, sondern ein Schema im menschlichen Geist. „Sie ist das Prinzip, wonach unser Verstand die sinnlichen Eindrücke ordnet“.93 Vertreter der Evolutionären Erkenntnistheorie greifen Kants Gedanken auf und verknüpfen sie mit der Evolutionstheorie. Dabei bewerten sie Kant neu und kommen zu anderen Aussagen.

4.6.2 Das Ding an sich

Kant entwickelte seine erkenntnistheoretischen Vorstellungen in der Auseinandersetzung mit dem Denken des Philosophen David Hume. Dieser gilt als wichtigster Vertreter des „Empirismus“, womit eine erkenntnistheoretische Richtung gemeint ist, nach welcher gesichertes Wissen nur aus Erfahrung gewonnen werden kann.94 Hume fragte sich in seiner 1748 veröffentlichten „Untersuchung über den menschlichen Verstand“, wie es sich begründen lässt, dass Ursache und Wirkung notwendigerweise miteinander verknüpft sein müssen. Beobachten können wir nämlich nur eine zeitliche Aufeinanderfolge und nicht deren Zusammenhang (Zitat 4.12). Diesen stellen wir laut Hume aus Gewohnheit her, wenn wir die zeitliche Aufeinanderfolge zweier Ereignisse öfter beobachten. Wir entwickeln dann aus einer endlichen Zahl von Beobachtungen allgemeine Sätze. Die kausale Verknüpfung selbst kann aber weder durch logische Vernunft noch durch Beobachtung bzw. Erfahrung nachgewiesen werden, sondern beruht, laut Hume, auf einem „irrationalen Glauben“ an wiederholt gemachte Erfahrungen.95
Zitat 4.12: David Hume (1711–1776)
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„Wenn man sich unter äusseren Gegenständen umsieht und die Wirksamkeit der Ursachen betrachtet, so kann man für den einzelnen Fall niemals eine Macht oder nothwendige Verknüpfung entdecken; keine Eigenschaft zeigt sich da, welche die Wirkung an die Ursache bände und die eine zur untrüglichen Folge der andere machte. Man bemerkt nur, dass das Eine thatsächlich und wirklich dem Andern folgt. Dem Stosse der einen Billardkugel folgt die Bewegung der zweiten. Dies allein nehmen die äussern Sinne wahr. […] Das einzelne Beispiel einer Ursache und Wirkung hat deshalb nichts an sich, was den Begriff von Kraft oder nothwendiger Verknüpfung darbieten könnte.“96
Beurteilen Menschen alles, was sie wahrnehmen, aufgrund gemachter Erfahrungen, oder gibt es Urteile, die nicht darauf beruhen? Kant war sich zwar mit Hume darüber einig, dass die Erfahrung der Erkenntnis zeitlich vorangeht, ging aber davon aus, dass nicht die gesamte Erkenntnis aus der Erfahrung kommt. Ein Teil wie die Gesetze der Logik und Mathematik sind davon unabhängig. Für das, was wir Wahrnehmung nennen, verwendet Kant den Begriff „Anschauung“. Dabei unterscheidet er zwischen empirischen, durch die Sinne gegebenen, und „reinen“, nicht durch die Sinne gegebenen Anschauungen. Letztere bezeichnet er mit dem lateinischen Begriff „a priori“, was „von einem Früheren herkommend“ bedeutet. „A-priori-Anschauungen“ sind für Kant Einordnungen, die das menschliche Bewusstsein vornimmt. Sie sind nicht mit angeborenen Fähigkeiten zu verwechseln. A priori, im Sinne Kants, bedeutet lediglich, dass sie von der Erfahrung unabhängig sind. Zu ihnen gehören die Anschauungen Raum und Zeit. Die Ordnung, die der Verstand durch sie erzeugt, besteht darin, dass wir alles, was wir wahrnehmen, in eine räumliche und zeitliche Beziehung zueinander setzen. Gegenstände befinden sich nebeneinander und Ereignisse geschehen nacheinander. Kant versteht Raum und Zeit nicht physikalisch, sondern als Erkenntnisstrukturen. Folgt man ihm an dieser Stelle, kann das bedeuten, dass Natur nicht von sich aus organisiert sein muss, sondern dass ihr ihre scheinbare Ordnung erst durch den menschlichen Verstand übergestülpt wird.97 Ein Aspekt, der uns bei der Deutung der Natur als System in Abschn. 5.​2 noch beschäftigen wird.98
Als weitere Erkenntnisquellen identifiziert Kant die „Kategorien“. Dabei handelt es sich um Begriffe, die der Verstand bildet, um Sinneseindrücke zuzuordnen. „Wir können uns keinen Gegenstand denken, ohne durch Kategorien […]“ schreibt Kant.99 Sie sind erforderlich, um beispielsweise ein weißes Etwas als Blatt Papier zu erkennen und es nicht nur als Ansammlung von Weiß wahrzunehmen. Kant definiert Kategorien, die, ebenso wie die Anschauungen, vor aller Erfahrung liegen. Ohne sie ist Naturerfahrung nicht möglich.100
Objektives Wissen über die Natur können wir, so sieht es Kant jedenfalls, nur von den „Erscheinungen“ haben, also davon, wie wir Dinge erfahren und erleben. Über ein „Ding an sich“, wie Kant das Objekt nennt, auf das unsere Sinneswahrnehmung letztendlich zurückgeht, können keine Aussagen getroffen werden, sondern nur darüber, als was es uns erscheint (Zitat 4.13).
Zitat 4.13: Immanuel Kant (1724–1804)
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„Wir müssen aber empirische Gesetze der Natur, die jederzeit besondere Wahrnehmungen voraussetzen, von den reinen oder allgemeinen Naturgesetzen, welche, ohne daß besondere Wahrnehmungen zum Grunde liegen, bloß die Bedingungen ihrer notwendigen Vereinigung in einer Erfahrung enthalten, unterscheiden, und in Ansehung der letzteren ist Natur und mögliche Erfahrung ganz und gar einerlei; und da in dieser die Gesetzmäßigkeit auf der notwendigen Verknüpfung der Erscheinungen in einer Erfahrung ( ohne welche wir ganz und gar keinen Gegenstand der Sinnenwelt erkennen können), mithin auf den ursprünglichen Gesetzen des Verstandes beruht, so klingt es zwar anfangs befremdlich, ist aber nichtsdestoweniger gewiß, wenn ich in Ansehung der letzteren sage: der Verstand schöpft seine Gesetze (a priori) nicht aus der Natur, sondern schreibt sie dieser vor.“101
Dass die Grundstrukturen für die Ordnung, die wir in der Natur wahrnehmen, im menschlichen Verstand angelegt sind, heißt jedoch nicht, dass es die Dinge und Zusammenhänge, die in den Naturwissenschaften ermittelt werden, nicht gibt. Viel hängt davon ab, ob die Strukturen des Verstandes dieselben sind wie die der äußeren Natur. Ob eine Erscheinung mit dem Gegenstand übereinstimmt, auf den sie zurückgeht, ist aber, laut Kant, nicht festzustellen. Das Erkennen von Natur ist in der Kant’schen Philosophie kein objektives „Abbilden“, sondern ein „subjektiver Entwurf“.102 Die Vorstellung von der Natur als einheitliches Gebilde hat seinen Ursprung deshalb im denkenden Ich oder, wie Kant schreibt (Zitat 4.13): „Der Verstand schöpft seine Gesetze (a priori) nicht aus der Natur, sondern schreibt sie dieser vor“.103 Seit Kant kann Erkenntnis nicht mehr als reines „Abbild einer objektiven Wirklichkeit“ aufgefasst werden. Es ist zu berücksichtigen, dass sie vom Subjekt und dessen Wissensstrukturen abhängig ist.104

4.6.3 Evolutionäre Erkenntnistheorie

Wenn unsere Vorstellungen von der Natur ein „subjektiver Entwurf“105 sind, stellt sich die Frage, wie weit dieser Entwurf mit dem, was wirklich ist, übereinstimmt. Es kann eine weitgehende Übereinstimmung geben, nur, so Kant, lässt sich das leider nicht feststellen. Kants Reflexion führt also, wie der Biophilosoph Hans-Werner Ingensiep schreibt, in eine „erkenntnistheoretische Sackgasse“106. Damit es eine Übereinstimmung gibt, müssten in unserem Denken die gleichen Strukturen wirksam sein wie in der äußeren Natur, oder, anders ausgedrückt, was der Natur ihre Ordnung verleiht, bildet sich vielleicht auch im menschlichen Verstand ab. Dass das so ist und dass unsere Erkenntnisstrukturen „wahre“ Zusammenhänge wahrnehmen, weil sie durch Evolution entstanden sind, ist der zentrale Gedanke der „Evolutionären Erkenntnistheorie“ (Zitat 4.14). Zu ihren Begründern zählen die Biologen Konrad Lorenz und Rupert Riedl sowie die Philosophen Karl Popper und Gerhard Vollmer.
Zitat 4.14: Gerhard Vollmer (*1943)
 
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„Unser Erkenntnisapparat ist ein Ergebnis der Evolution. Die subjektiven Erkenntnisstrukturen passen auf die Welt, weil sie sich im Laufe der Evolution in Anpassung an diese reale Welt herausgebildet haben. Und sie stimmen mit den realen Strukturen (teilweise) überein, weil nur eine solche Übereinstimmung das Überleben ermöglichte.“107
Ihren Ausgangspunkt nimmt die Evolutionäre Erkenntnistheorie bei Kant. Sie akzeptiert zunächst seine Vorstellung von A-priori-Anschauungen, deutet sie aber anders. Lorenz setzt sie mit angeborenen Organfunktionen gleich, die sich durch Mutation und Selektion entwickelt haben,108 während sie für Kant logisch der Erkenntnis vorangehende Anschauungen waren.
Was für Kant die A-priori-Anschauungen und Kategorien sind, ist aus der Sicht der Evolutionären Erkenntnistheoretiker das Ergebnis eines evolutionären Prozesses. In diesem konnte nur ausgebildet werden, was sich in einer langandauernden Auseinandersetzung mit einer objektiven Wirklichkeit bewährt hat. Aus Sicht des Individuums sind die A-priori-Anschauungen in der Evolutionären Erkenntnistheorie angeboren, aus Sicht der Art sind sie erworben.109 Leben ist hier ein „erkenntnisgewinnender Prozess“, bei dem die Information, die sich im Laufe evolutionärer Anpassungsvorgänge im Genom der Lebewesen angesammelt hat, als eine Art Wissen ausgelegt wird.110 Unsere Denkstrukturen wurden durch die Evolution auf diese Weise an den „Mesokosmos“ mit seinen mittleren Dimensionen angepasst. Wir kommen zurecht, wenn es um Entfernungen von Millimetern bis zu Kilometern, Zeiträumen von Sekunden bis zu Jahren und Geschwindigkeiten bis zu einigen Metern pro Sekunde geht. Außerhalb dieser Bereiche, im Mikrokosmos der Atome und Elementarteilchen oder im kosmischen Makrokosmos, stoßen wir jedoch an unsere Grenzen.111 Für die reale Welt in den Dimensionen des Mesokosmos wird in der Evolutionären Erkenntnistheorie aufgrund evolutionärer Anpassungsprozesse eine Übereinstimmung zwischen den subjektiven Erkenntnisstrukturen angenommen. Für Descartes wurde diese Übereinstimmung noch von Gott garantiert, in der Evolutionären Erkenntnistheorie übernimmt die Evolution seine bzw. ihre Rolle.
Die Übereinstimmung unserer Denkstrukturen mit der Wirklichkeit ist jedoch auch für die Evolutionäre Erkenntnistheorie nicht absolut, sondern nur partiell gegeben. Vollmer vertritt beispielsweise einen „hypothetischen Realismus“112. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen müssen deshalb zunächst von unbewiesenen Postulaten ausgehen. Ihre darauf aufbauenden Theorien werden dann entweder durch eine erfolgreiche Anwendung bestätigt oder widerlegt. Hypothesen bewähren sich oder werden als falsch ausselektiert. Für Popper sind wissenschaftliche Aussagen allesamt Hypothesen. Die Annahme, dass eine Aussage oder Theorie als „wahr“ gilt, kann jedoch damit begründet werden, dass sich andere als falsch erwiesen haben. Wahrheit kann in der Evolutionären Erkenntnistheorie (nur) annäherungsweise erreicht werden. Anders als bei Kant sind „Dinge an sich“, um seinen Ausdruck zu gebrauchen, aber partiell erkennbar, wenn die Dimension ihrer Strukturen zu denen unseres Alltags passt. Die Vertreter der evolutionären Erkenntnistheorie gehen von einem realen und kausalen Zusammenhang zwischen der „Erscheinung“, die sich dem Subjekt der Innenwelt zeigt, und dem „Ding an sich“, dem Objekt der Außenwelt, aus. In der Evolutionären Erkenntnistheorie entsprechen sich beide.113

4.7 Prinzipien der Natur

4.7.1 Lassen sich Naturprinzipien erkennen?

In Abschn. 4.6 haben wir mit der Philosophie Kants und der evolutionären Erkenntnistheorie zwei Konzepte vorgestellt, die zu sehr unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen, ob objektive Naturerkenntnis möglich ist. Letzteres ist eine wichtige Voraussetzung, um die Natur als Vorbild für technisch-ökonomische Konzepte heranziehen zu können. Folgen wir beispielsweise Kant in seiner Argumentation, können wir nur Aussagen darüber treffen, nach welchen Prinzipien unser Verstand vorgeht, ob es aber die Dinge so in der Natur gibt, wie wir sie wahrnehmen, müsste dann offenbleiben. Im Gegensatz dazu geht die Evolutionäre Erkenntnistheorie davon aus, dass unser Verstand die Wirklichkeit zumindest teilweise erkennen kann, weil er sich in Auseinandersetzung mit ihr entwickelt und bewährt hat.
Da wir angewandte Wissenschaftler sind, ist es nicht an uns, eine Frage zu klären, die von Philosophinnen und Philosophen seit mehr als zwei Jahrtausenden diskutiert wird. Um jedoch als Natur- oder Ingenieurwissenschaftler arbeiten zu können, bleibt uns in der Praxis nichts anderes übrig, als davon auszugehen, dass wir etwas über Dinge in der Natur und die Art und Weise, wie sie zusammenhängen, herausfinden können. Wir glauben deshalb auch, dass es, wie es die Bionik macht, sinnvoll ist, naturwissenschaftlich ermittelte Erkenntnisse über den Aufbau von Lebewesen auf technische Anwendungen zu übertragen. In manchen Denkschulen der Circular Economy geht es jedoch um etwas anderes. Die Prinzipien Ressourceneffizienz und Kreislauf sollen von der Natur auf die menschliche Wirtschaft übertragen werden. Wie wir in Abschn. 3.​3 bereits angedeutet haben, sind sie jedoch kein unmittelbarer Gegenstand naturwissenschaftlicher Erkenntnis. Sie sind keine Dinge in der Natur und können deshalb auch nicht in ihr untersucht werden. Naturprinzipien stellen auch nicht wie Naturgesetze kausale Wenn-dann-Beziehungen her, sondern treffen Aussagen über die Natur und ihr Wesen an sich. Unseres Erachtens sind sie deshalb eher der Metaphysik zuzurechnen und nicht als naturwissenschaftliche Erkenntnisse einzuordnen. Selbst wenn wir uns dem Standpunkt der Evolutionären Erkenntnistheorie anschließen, ist zu berücksichtigen, dass Prinzipien der Natur nicht mehr in deren Zuständigkeitsbereich gehören. Auch unterschiedliche Perspektiven, aus denen auf Natur geschaut werden kann (Abschn. 4.8) sollten zumindest nachdenklich machen.
Wir, für unseren Teil, ziehen hieraus den Schluss, dass wir mit der Formulierung sogenannter Naturprinzipien behutsam umgehen müssen und dass wir sie nicht mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen gleichsetzen dürfen. Allgemeingültige Aussagen über das Wesen der Natur sollten möglichst vermieden werden. Zumindest sollten sie angemessen reflektiert, als nicht naturwissenschaftliche Aussagen kenntlich gemacht und relativiert werden. Aussagen dieser Art finden sich oft in „Die-Natur-ist-Sätzen“. „Die Natur ist grausam!“ wäre z. B. ein Satz, der in diese Kategorie gehört, genauso wie die Aussagen „Die Natur arbeitet in Kreisläufen!“ und „Die Natur ist effizient!“. Sie sollen etwas über das Wesen der Natur aussagen und sind oft mit einer Schlussfolgerung verknüpft, die sich aus ihnen ergibt. Wir werden sie deshalb im Folgenden näher betrachten. Das Kreislaufmotiv ist für die Circular Economy und Bioökonomie allerdings so prägend, dass es eine ausführlichere Behandlung verdient hat, als es hier im Rahmen eines Kapitels möglich ist. Der zweite Band unserer Buchreihe widmet sich deshalb ausschließlich dem Kreislaufthema. Im Folgenden wollen wir jedoch die Aussage, dass die Natur effizient ist, untersuchen. So viel sei schon vorweggenommen: Für uns ist Effizienz kein Naturprinzip!

4.7.2 Ist Effizienz ein Naturprinzip?

Wie ein Diskussionspapier der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) zu einer bionischen Materialforschung zeigt, verweisen Publikationen zur Bionik oft auf die hohe Effizienz natürlicher Prozesse.114 Die besondere Qualität bionischer Lösungen wird meistens mit einer verbesserten Effizienz gegenüber herkömmlichen technischen Lösungen begründet. Nahezu jeder Beitrag des Diskussionspapiers bezieht sich argumentativ auf eine solche Effizienzsteigerung. Auf insgesamt 113 Textseiten  haben wir 53-mal die Wörter „Effizienz“ oder „effizient“ gefunden.
Bionische Anwendungen können material- und ressourceneffizient sein, weil sie u. a. bestimmte Leichtbauweisen ermöglichen,115 durch die mehr Stabilität mit weniger Material erreicht werden kann. Auch auf einen anderen Aspekt wird häufig verwiesen: In der belebten Natur werden komplexe Strukturen aus Stoffen gebildet, die nicht so viele unterschiedliche chemische Elemente enthalten, wie Produkte für technische Anwendungen. Eine Wiederverwertung und eine Verbesserung der Ressourceneffizienz werden dadurch erleichtert.116
Bionische Entwicklungen können also effizienter sein als herkömmliche technische Anwendungen. Lässt sich hieraus aber der Schluss ziehen, die Natur selbst sei effizient, oder dass Effizienz ein Naturprinzip ist? Manche Verlautbarungen zur Bionik vermitteln diesen Eindruck. So schrieb der bayerische Projektverbund Baybionik 2020 noch auf seiner Homepage: „Die Natur ist effizient, sowohl was den Verbrauch von Energie als auch von Rohstoffen anbelangt“117. Andere Autoren118 definieren „Ressourceneffizienz“ als Naturprinzip oder sprechen davon, „dass Material- und/oder Energieeffizienz die wichtigsten Stellschrauben in der Natur sind, um konkurrenzfähig zu sein und das Überleben einer Art zu sichern“119. So, wie es hier formuliert wird, scheint Effizienz eine Art Ziel der Evolution zu sein. Diese zeichnet sich aber gerade dadurch aus, dass sie kein Ziel hat.
Bevor wir auf die Frage zurückkommen, ob Effizienz ein Prinzip der Natur ist, wollen wir zunächst rekapitulieren, was mit dem Begriff gemeint ist. Effizienz ist ihrem Ursprung nach kein biologischer, sondern ein ökonomischer Begriff. Er „beschreibt das Verhältnis zwischen eingesetzten Mitteln (Kosten) und erreichtem Erfolg (Nutzen)“ und gibt damit Auskunft über die Wirtschaftlichkeit einer Handlung oder Maßnahme. „Von einer hohen E[ffizienz] spricht man, wenn ein vorgegebenes Ziel mit möglichst geringem Aufwand erreicht wird oder mit vorgegebenen Mitteln ein möglichst hoher Ertrag erzielt wird“.120
$${{\text{Effizienz}}=\frac{{\text{Nutzen}}}{{\text{Kosten}}}}$$
Wenn wir also von Effizienz in der Natur sprechen, müssen wir im Blick haben, dass wir ein ökonomisches Kosten-Nutzen-Denken verwenden, um uns die Natur zu erklären. Wir deuten sie dann aus einer ökonomischen Perspektive. Einzelne Prozesse in der Natur lassen sich durchaus unter diesem Blickwinkel betrachten. Es ist beispielsweise möglich, den Materialaufwand zu bestimmen, der für einen zu erzielenden Nutzen wie eine bestimmte Stabilität benötigt wird. Viele Prozesse und Produkte in der Natur sind aus diesem Blickwinkel ausgesprochen effizient. Viele, aber nicht alle! Die Energieumwandlung durch pflanzliche Fotosynthese in Bezug auf die pro Flächeneinheit umgewandelte Energie ist beispielsweise deutlich ineffizienter, als es technische Fotovoltaikanwendungen sind.121 Wie effizient Prozesse in Lebewesen organisiert sind, hängt weiterhin auch davon ab, wie viel Ressourcen zu Verfügung stehen. Effizient sind Prozesse oft nur dann, wenn Ressourcen knapp sind.122
In Technik und Ökonomie hat der Effizienzgedanke, solange er nicht zum Selbstzweck wird, seine Berechtigung. Effizienz ist jedoch ein quantitatives Konzept, das nur angewendet werden kann, wenn sich Nutzen und Aufwand auch quantifizieren lassen. Der Begriff stößt an seine Grenzen, wenn es nicht um messbare Dinge geht, sondern um Qualitäten. Eine neue Quantität bedeutet, dass mehr oder weniger von etwas da ist, was schon vorhanden war. Durch eine neue Qualität kommt aber etwas hinzu, was anders ist als das, was es zuvor gab. Qualitäten lassen sich, auch wenn das häufig erfolgt, nicht in etwas Quantitatives übersetzen. Ein Beispiel ist die Aussage, dass auf die deutschen Treibhausgasemissionen im Jahr 2019 „Umweltkosten“ in Höhe von 156 Mrd. Euro anfallen, die auf „umweltbedingte Gesundheits- und Materialschäden, Ernteausfälle oder Schäden an Ökosystemen“ zurückzuführen sind.123 Dabei handelt es sich um eine quantitative Beschreibung aus einer rein ökonomischen Perspektive. Sie berücksichtigt keine qualitativen Verluste wie das Verschwinden von Arten.
Die Grenzen des Effizienzdenkens werden besonders deutlich, wenn wir uns auf Lebewesen oder die Natur als Ganzes beziehen. Während wir in Technik und Ökonomie in der Regel einen Nutzen klar benennen können, ist das in der Natur nicht der Fall. Was ist in der Natur der Nutzen? Ist es das Überleben, die Fortpflanzung, die Arterhaltung? Wäre das der Fall, warum haben sich dann komplexe Lebensformen entwickelt? Würde es dann nicht völlig ausreichen, wenn es nur Lebewesen wie die „Haarsterne“ in Abb. 4.6 gäbe? Sie, bewegen sich nur wenige Zentimeter pro Jahr fort und verwenden keine Energie darauf, die eigene Körpertemperatur aufrechtzuerhalten.124 Die Tiere kommen mit dieser Art zu leben bestens klar. Bestünde der Nutzen in der bloßen Arterhaltung, dann stellt sich die Frage, warum es so etwas wie Warmblüter überhaupt gibt. Ist Warmblütigkeit nicht eine Form von Energieverschwendung? Energieeffizient wäre es doch, wenn es keine Warmblüter gäbe, sondern nur Tiere, die keine Energie für die Aufrechterhaltung ihrer Körpertemperatur verwenden. Überleben und Fortpflanzen können sie sich schließlich auch.
Das Beispiel zeigt, dass Effizienz in der Natur möglicherweise zwar wichtig ist, keinesfalls aber von anderen Aspekten isoliert bewertet werden darf. So eröffnet eine konstante, ausreichend hohe Körpertemperatur, wie sie bei warmblütigen Tieren vorliegt, vermutlich ein reichhaltigeres Innen- und ein ganz anderes Sozialleben, als es bei wechselwarmen Tieren möglich ist. Hier reden wir jedoch über etwas Qualitatives und nicht über eine quantitativ messbare Größe. Die Qualität „Warmblütigkeit“ lässt sich mithilfe des Effizienzgedankens nicht erfassen. Effizienz als Naturprinzip zu verstehen geht deshalb unseres Erachtens zu weit. Es ist eine ökonomische Verengung der Perspektive.
Wenn wir den Effizienzgedanken aus der Ökonomie oder Technik auf die Natur anwenden, nehmen wir eine Begriffsübertragung vor. Wir blicken wie durch einen Filter auf die Natur, und zwar durch einen, den Ingenieurinnen und Ingenieure oder Ökonominnen und Ökonomen routinemäßig in ihrem Berufsleben anwenden. Was wir als Angehörige der Ingenieurs- oder ökonomischen Wissenschaften in der Natur entdecken, sind oft Kosten-Nutzen-Relationen, und zwar, weil wir in diesen Wissenschaften gelernt haben, so zu denken. Wenn wir von der Effizienz der Natur sprechen, dann deuten wir sie mithilfe dieses Denkens. Effizienz als Naturprinzip aufzufassen ist eine Übertragung technisch-ökonomischer Zusammenhänge auf die Natur. Wie wir Natur wahrnehmen, ist also nicht nur eine Frage von Kants A-priori-Anschauungen, sondern hängt auch von unseren Denkgewohnheiten und Perspektiven ab. Da sich aber eine perspektivische Betrachtung nicht vermeiden lässt, ist es umso wichtiger, dass wir, wegen ihres relativen Charakters, keine Blickrichtung absolut setzen.125 Im folgenden Abschnitt benennen wir deshalb, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, unterschiedliche Perspektiven aus denen auf die Natur geschaut werden kann (Abschn. 4.8). Wie wir später noch ausführen, ist die ökonomische Perspektive dabei konstituierend für das Naturverständnis der Circular Economy und Bioökonomie.

4.8 Naturbilder

Das Bild, das wir uns von der Natur machen, enthält immer eine bestimmte Perspektive. Je nachdem, aus welchem Umfeld die Aussagen zur Natur kommen, werden bestimmte Aspekte betont und andere weggelassen. Dies gilt, wie wir in Kap. 7 noch behandeln werden, auch für die Circular Economy und Bioökonomie. Im Folgenden werden unterschiedliche Perspektiven auf die Natur kurz vorgestellt.
Perspektive 1: Es gibt keine Welt
Die Position, dass es keine Welt gibt, bedeutet nicht, dass nichts existiert. Philosophen wie Markus Gabriel betonen sogar, dass es viel mehr als das von den Naturwissenschaften untersuchte Physikalische gibt. Für Gabriel existiert in gewisser Weise auch Sherlock Holmes, und zwar als Romanfigur. Er bestreitet jedoch, dass es so etwas wie ein Übersystem „Welt“ gibt, das alles umfasst. Gabriel geht stattdessen von der Existenz unterschiedlicher Bereiche aus, von denen manche zusammenhängen, aber nicht alle mit allen. Die von den Naturwissenschaften untersuchte Natur ist für ihn nur ein Bereich unter vielen.126 Wohlgemerkt, Gabriels These richtet sich auf die Welt und nicht auf die Natur. Es ist aber auch nicht selbstverständlich, dass die Natur ein durch Gesetze geordneter Zusammenhang ist. Das zeigt beispielsweise das auf Erwin Schrödinger zurückgehende Zitat 4.10 in Abschn. 4.4.2, in dem Schrödinger die Natur auf Zufälle und Statistik zurückführt.
Zitat 4.15: Markus Gabriel (*1980), Philosoph
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„Die Welt kann […] prinzipiell nicht existieren, weil sie nicht in der Welt vorkommt.“127
Eigene Darstellung
Perspektive 2: Animistisches Naturverständnis
Der Begriff Animismus steht für den Glauben an die Allbeseeltheit der Natur. Sowohl die Natur als auch alle Naturphänomene sind hier beseelt. Die Naturwahrnehmung des Animismus ist durch ein Gefühl der Verbundenheit und Teilhaftigkeit geprägt. Da Menschen und Tiere im Animismus in Verwandtschaft verbunden sind, müssen Menschen demütig und ehrfürchtig handeln. Im animistischem Naturverständnis wird die Natur oft als „Mutter“ beschrieben (Perspektive 9).128 Zwischen Perspektive 2 und Perspektive 3 (Natur als organische Einheit) bzw. Perspektive 6 (Menschen sind Teil der Natur) gibt es Überschneidungen.
Zitat 4.16: Tahaltan-Kultur (Westkanada)
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„Die Erde lebt und ist dasselbe wie unsere Mutter. Denn bestünde die Erde nicht, gäbe es keine Menschen. Die Menschen sind ihre Kinder, und ebenso die Tiere. Sie achtet auf sie alle und versorgt sie mit Nahrung. Die Steine sind ihre Knochen und das Wasser ihre Milch […] Die Tiere sind dasselbe wie die Menschen; sie sind von gleichem Blut; sie sind Verwandte.“129
Höhlenmalerei, Bildquelle Pixabay
Perspektive 3: Natur als organische Einheit
Aus dieser Perspektive ist die Natur ein Ganzes, das als eine Art Organismus gedeutet werden kann. Beispiele hierfür finden sich in der stoischen Philosophie (Abschn. 4.3.1) sowie in der deutschen Romantik, für die u. a. die Namen Goethe und Schelling stehen.
Zitat 4.17: Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), Dichter u. Naturforscher
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„Wie alles sich zum Ganzen webt,
Eins in dem andern wirkt und lebt
Wie Himmelskräfte auf und nieder steigen
und sich die goldnen Eimer reichen!
Mit segenduftenden Schwingen
Vom Himmel durch die Erde dringen,
Harmonisch all das All durchklingen!
Welch ein Schauspiel! Aber ach! Ein Schauspiel nur!
Wo fass ich dich, unendliche Natur?“130
Bildquelle Pixabay
Perspektive 4: Natur als Schöpfung
Die Perspektive, die Natur als Schöpfung zu verstehen, nimmt an, dass sie ihren Ursprung außerhalb von sich selbst hat. Sie setzt voraus, dass ein Gott die Welt gewollt und gemacht hat („creatio prima“), und geht oft auch von deren Erhaltung durch Gott aus („creatio continua“). Eine Welt, die auf einen Schöpfer oder eine Schöpferin zurückgeht, sollte nicht sinnlos, sondern in gewisser Weise geordnet sein (Perspektive 5: Natur als Abbild einer höheren Ordnung). In der Schöpfungsvorstellung ist Gott im Gegensatz zur stoischen Philosophie nicht mit der Natur identisch. Er oder sie steht außerhalb und ist mehr als die Natur.
Zitat 4.18: Bibel
 
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Creatio prima: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“131
Creatio continua: „Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht und ernten nicht, sammeln auch keine Vorräte in Scheunen – und Gott, Vater und Mutter für euch im Himmel, ernährt sie.“132
Die Schöpfung des Menschen. Darstellung auf einem Kirchenfenster (Bildquelle Pixabay)
Perspektive 5: Natur als Abbild einer höheren Ordnung
Die Perspektive auf eine Natur, die Abbild einer höheren Ordnung ist, ist eng mit der Schöpfungsperspektive (Perspektive 4) oder der als organische Einheit (Perspektive 3) verwandt. Ein Beispiel für eine solche Sichtweise ist die in Abschn. 4.3.1.2 beschriebene Ideenwelt Platons. Perspektive 5 ist wichtig für den Vorbildcharakter der Natur. Wenn sie Abbild einer höheren Ordnung ist, dann kann sie, sofern diese Ordnung erkannt werden kann, auch als Vorbild herangezogen werden.
Zitat 4.19: Carolo Rubia (*1934), Physiker
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„Als Beobachter der Natur kann ich den Gedanken nicht zurückweisen, dass hier eine höhere Ordnung der Dinge im Voraus existiert.“133
Schedelsche Weltchronik, 1493, Michel Wolgemut, Wilhelm Pleydenwurff (Text: Hartmann Schedel), Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek, Leipzig)
Perspektive 6: Menschen sind Teil der Natur
Die Perspektive, Menschen als Teil der Natur zu begreifen, betont den Aspekt ihrer Körperlichkeit. Menschen sind von der Natur abhängig: Sie haben einen Körper, in dem natürliche Prozesse ablaufen, sie müssen Essen und Trinken. Stoffe, Bakterien und Viren können uns krank machen.
Zitat 4.20: Paul-Henri Thiry d’Holbach (1723–1789), Philosoph der Aufklärung
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„Der Mensch ist das Werk der Natur, er existiert in der Natur, er ist ihren Gesetzen unterworfen, er kann sich nicht von ihr freimachen, er kann nicht einmal durch das Denken von ihr loskommen; vergeblich strebt sein Geist über die Grenzen der sichtbaren Welt hinaus, immer ist er gezwungen, zu ihr zurückzukehren.“134
Giuseppe Arcimboldo (1526–1593), Portrait von Rudolf II als Vertumnus, 1591, Skokloster Castle.
Perspektive 7: Menschen treten aus der Natur hinaus
Die Position, dass Menschen nicht nur zu Natur gehören, sondern „mehr“ sind, betont, dass sie als geistige Wesen ihre Umgebung selbst gestalten und Erkenntnisse über Zusammenhänge in der Natur gewinnen können. Sie entwickeln transzendente Vorstellungen und versuchen, sich ihre eigene Welt zu erschaffen.
Zitat 4.21: Max Planck (1858–1947), Physiker
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„Denn es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass unsere Gedanken uns ohne weiteres über jedes uns bekannte Naturgesetz hinausführen können und dass wir Zusammenhänge auszumalen vermögen, die mit eigentlicher Physik überhaupt nichts mehr zu tun haben.“135
Flammarion, Camille, 1842–1925, L’Atmosphere: Météorologie Populaire (Paris, 1888), S. 163
Perspektive 8: Natur als Gegenüber
Natur wird bedeutungslogisch oft im Gegensatz zu etwas anderem definiert. Bei Descartes war dies der denkende Geist. Die heute vielfach diskutierte und kritisierte Gegenüberstellung, die auch mit dem Dualismus Descartes zusammenhängt, besteht in einem Gegenüber aus Natur und Kultur (Abschn. 5.​7). Diese Position ist nah verwandt mit der vorherigen Position, die Menschen als über die Natur hinausgehende Wesen betrachtet.
Zitat 4.22: Karen Gloy (*1941), Philosophin
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„Der entscheidende Unterschied zu dem […ganzheitlichen] Naturbild besteht darin, dass die Natur […] nicht mehr als … Ganzheit auftritt und der Mensch als Teil des Ganzen, sondern dass sie auf Basis einer Subjekt-Objekt-Spaltung dem Menschen als Anderes, Fremdes, Differenziertes gegenübertritt.“136
Caspar David Friedrich (1774–1840), Wanderer über dem Nebelmeer (um 1817), Bildnachweis: SHK/Hamburger Kunsthalle/bpk, Foto: Elke Walford.
Perspektive 9: Natur als (allein)erziehende Mutter
Von der Natur wird oft so gesprochen, als ob sie eine Person wäre, die etwas tut, handelt oder leistet. Hierdurch wird eine persönliche Beziehung hergestellt. Besonders geläufig ist in diesem Zusammenhang die Rede von „Mutter Natur“. Die Metapher soll ausdrücken, dass wir, wie Kinder, die ihr Leben aus ihrer Mutter erhalten haben, aus der Natur kommen. Mütter sorgen für ihre Kinder und trauern, wenn ihnen etwas passiert. Perspektive 9 ist mit Perspektive 2 (Animistisches Naturverständnis) und Perspektive 6 (Menschen sind Teil der Natur) verwandt. In Zitat 4.23 kommt Mutter Natur ihrem Erziehungsauftrag nach, indem sie uns eine Pandemie schickt. Andere Personifikationen in diesem Kapitel sind Perspektive 12 (Natur als Ingenieurin), Perspektive 13 (Natur als Lehrerin) oder Perspektive 21 (Natur als Dienstleisterin). Sie betonen einen anderen Aspekt als die Metapher Mutter.
Zitat 4.23: Barrie Kosky (*1967), Opernintendant
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„Das ist eine Naturgewalt. Und Mutter Natur ist nicht glücklich mit uns. Sie schickt uns dieses Virus aus einem Grund.“137
Bildquelle Pixabay
Perspektive 10: Natur als einzuhaltende Norm
Das Wort „natürlich“ wird in der Regel verwendet, wenn etwas so ist, wie es sein soll. Die Natur zeigt uns dann, so die oft zu hörende Annahme, was richtig ist und was nicht. Aus dieser Perspektive wird die Natur als normative Institution verstanden. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Begründung gesellschaftspolitischer Bewertungen anhand der Darwin’schen Evolutionstheorie. Es gibt jedoch noch weitere, ähnlich abschreckende Beispiele. Zitat 4.24 zeigt ein solches aus dem frühen 20. Jahrhundert. Es richtet sich gegen die Gleichstellung von Frauen und argumentiert mit der Natur. Zitat 4.25 stammt von der Philosophin und Frauenrechtlerin Rosa Mayreder, die es ablehnt Natur als normativen Maßstab heranzuziehen. Die Regeln, die angeblichen in ihr gefunden werden, sind in Wirklichkeit menschliche Moralvorstellungen, die der Natur zugeschrieben werden, die in diesem Fall eine Alibifunktion hat.
Zitat 4.24: Paul Julius Möbius (1853–1907), Neurologe und Psychiater
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„Die Natur ist eine strenge Frau und bedroht die Verletzung ihrer Vorschriften mit harten Strafen. Sie hat gewollt, dass das Weib Mutter sei, und hat alle ihre Kräfte auf diesen Zweck gerichtet. Versagt das Weib den Dienst der Gattung, will es sich als Individuum „ausleben“, so wird es mit Siechthum geschlagen.“138
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Zitat 4.25: Rosa Mayreder (1858–1938), Philosophin und Frauenrechtlerin
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„Ja, es ist wahr und nicht zu vertuschen: Mann und Weib repräsentieren physiologisch zwei verschiedene Typen der Art. […] Die ganze ältere Literatur der Frauenbewegung ist voll von theoretischen Erörterungen, wie weit dieser physiologische Unterschied hinübergreife in die psychische Oekonomie des einzelnen Individuums, und welche Consequenzen für die sociale Stellung sowie für die fernere intellektuelle Entwicklung des weiblichen Geschlechtes daraus zu ziehen sind. Man […] führte die Leistungen weiblicher Rennpferde, weiblicher Jagdhunde ins Treffen, […] ja man kam sogar auf den Bienenstaat, diese merkwürdigste Organisation, welche die Natur hervorgebracht hat, und die beweist, dass sich das weibliche Princip von Natur aus auch zur absoluten Herrschaft entwickeln kann. Doch als die Frauenbewegung die Kinderschuhe ausgetreten hatte, begann man einzusehen, wie unnütz und dilettantisch alle diese Hinweise auf andere Lebensformen sind. […] Jede Stellung und Bethätigung, die den Frauen jemals zukommen kann, wird sich immer nach den immanenten Gesetzen ihrer Natur reguliren. Deshalb ist es ganz überflüssig, die Frauen auf ihre ‚Natur‘ zu verweisen und sie vor Versündigungen dagegen zu warnen. Was gegen die Natur ist, kann sich nicht lebendig behaupten. Das Leben allein wird uns lehren können, ob die Natur mit uns ist oder nicht.“139
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Perspektive 11: Natur als zu schützendes Objekt
Natur kann aus unterschiedlichen Motiven als zu schützendes Objekt betrachtet werden. Man kann sie um ihrer selbst willen schützen oder um menschliche Lebensgrundlagen zu erhalten. Auch wenn Naturschutz ein positives Mensch-Natur-Verhältnis voraussetzt, treten Menschen hier eher als Gegenüber denn als Teil von Natur auf. Sie sind für sie verantwortlich. Will man die Mutter-Natur-Metapher aus Perspektive 9 bemühen, ist Mutter Natur pflegebedürftig geworden. Im Naturschutz müssen auch Entscheidungen getroffen werden, welche Arten für das Gesamtgefüge besonders wichtig sind und demnach besonders geschützt werden müssen. Auch als Naturschützer und -schützerinnen greifen Menschen, wenn auch mit guten Absichten, in die Natur ein.
Zitat 4.26: Scinexx Wissensmagazin (2004), Onlinemagazin
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„Das Ziel des Naturschutzes ist relativ einfach zu beschreiben: primär geht es um den Erhalt bedrohter Tier- und Pflanzenarten einschließlich ihrer Lebensräume.“140
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Perspektive 12: Natur als Ingenieurin
In der Bionik wird der Aufbau biologischer Systeme aus der Perspektive der Ingenieurwissenschaften untersucht. In der Natur vorgefundene Formen und Zusammenhänge dienen als Vorbild für technische Konstruktionen. Natur wird hier als technischer Zusammenhang gedeutet, der verbal oft als eine technisch begabte Person beschrieben wird.
Zitat 4.27: Verein Deutscher Ingenieure, VDI (2016)
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„Im Laufe der Evolution hat die Natur viele technische Probleme gelöst.“141
Bildquelle Pixabay
Perspektive 13: Natur als Lehrerin
Aus dieser Perspektive ist die Natur ein Vorbild, von dem man etwas lernen kann. Das Naturbild sagt für sich genommen noch nicht viel aus. Es kommt darauf an, in welcher Hinsicht die Natur als Vorbild herangezogen wird, d. h., mit welch weiteren Naturbildern die Perspektive von der Natur als Vorbild verknüpft wird. Bei den Stoikern, die die Natur als organische Ganzheit begriffen (Perspektive 3), von der sie ein Teil waren, bestand das Lernen in einem Einfügen. Bei Descartes, der die Welt als Maschine deutete (Perspektive 15), ging es darum, Wissen über die Natur zur Beherrschung der Natur zu nutzen. Die Bionik kombiniert das Motiv der Lehrerin mit dem der Ingenieurin (Perspektive 12).
Zitat 4.28: Werner Nachtigall (2008)
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„Schon immer hat sich der Mensch am Vorbild der Natur orientiert. Bionik – zusammengesetzt aus Biologie und Technik – geht darüber hinaus: Sie ist die aufstrebende Wissenschaftsdisziplin, die das Lernen von der Natur systematisiert und die Prinzipien biologischer Systeme in neue Erfindungen umsetzt.“142
Bildquelle Pixabay
Perspektive 14: Natur als Gefahr
Menschen haben Natur schon immer auch als Bedrohung erlebt. Man kann von Tieren gefressen werden, von Bergen stürzen, in Fluten ertrinken, von Bränden bedroht und von Krankheiten dahingerafft werden. Menschen fürchten sich deshalb auch vor der Natur. Kultur und Technik können auch als Versuche gedeutet werden, sich vor der Natur zu schützen.
Zitat 4.29: William Turner (1775–1851)
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William Turner wurde „zum Chronisten der elementaren Naturgewalten. Schiffsuntergänge, schwere Unwetter und verwüstende Feuer sind häufig Themen seiner Bilder, auf denen der Mensch bedrängt und vom Tode bedroht ist, die Natur in ihrer Erhabenheit und Macht das Geschehen bestimmt.“143
Joseph Mallord William Turner, Das Schiffswrack, ausgestellt 1805, Photo: © Tate
Perspektive 15: Natur als Maschine
Zu Beginn der Neuzeit entstand die Vorstellung, dass das Weltgeschehen vollständig physikalisch durch die Interaktion von Teilchen zu verstehen ist. Tiere und die ganze Natur wurden als Maschine gedeutet. Einer der wichtigsten Vertreter dieses Denkens war René Descartes (Abschn. 4.3.2). Die Beschreibung als Maschine versteht die Natur als zusammengesetztes System, das aus trennbaren Teilen besteht, die in ihrer Verbindung als Natur funktionieren.144 Natur kann dann grundsätzlich wie eine Maschine umgebaut und repariert werden. Wie das aus der KI-Forschung stammende Zitat 4.30 zeigt, ist diese Sichtweise auch heute noch verbreitet.
Zitat 4.30: Tim Landgraf, KI-Forscher
https://static-content.springer.com/image/chp%3A10.1007%2F978-3-662-68230-2_4/MediaObjects/602102_1_De_4_Figad_HTML.jpg
„Die Natur ist für mich eine höchstentwickelte Technologie.“145
Mechanische Ente, Scientific American Volume 80 Number 03 (January 1899) S. 43.
Perspektive 16: Natur als chemischer Reaktionscocktail
Die Perspektive stellt chemisch-physikalische Prozesse in den Vordergrund. Leben ist im Grunde ein komplexer chemischer Prozess. Die ersten Lebensformen haben sich hiernach aus chemischen Verbindungen in einer „Ursuppe“ entwickelt.
Zitat 4.31: Biologielehrbuch
https://static-content.springer.com/image/chp%3A10.1007%2F978-3-662-68230-2_4/MediaObjects/602102_1_De_4_Figae_HTML.jpg
„Die Bedingungen, unter denen die Ursuppe existierte, kann man sich nicht vielgestaltig genug vorstellen. Es gab den Urozean, die Urkontinente und die Uratmosphäre. Durch Verwitterung wurden Urgesteine zerstört und die Sedimente neu zusammengesetzt. Auf den Kontinenten sammelte sich Wasser in Flüssen und Seen. Sie konnten austrocknen und wieder volllaufen. Meeresbuchten wurden durch Landhebungen abgetrennt. In ihnen bildeten sich durch Verdunstung konzentrierte Lösungen. So finden wir auf der Urerde vielfältige Reaktionsräume für sehr unterschiedliche chemische Prozesse. Sonnenlicht, Gewitter und Vulkanausbrüche lieferten Energie. Durch die Jahreszeiten veränderten sich die Reaktionsbedingungen in regelmässigem Wechsel.“146
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Perspektive 17: Natur 2.0
Wenn die Welt wie eine Maschine ist, kann man sie grundsätzlich auch nachbauen. Beispiele für diese Naturdeutungen finden sich in der „synthetischen Biologie“, wo Zellen neu konstruiert werden, in der KI und Robotik (Zitat 4.32) sowie im Geoengineering, wo auf globaler Ebene mittels technischer Eingriffe Natur gestaltet werden soll. Auch das gescheiterte Projekt Biosphäre 2, mit dem als Vorbereitung für künftige Raumfahrtmissionen ein von der Außenwelt unabhängiges, sich selbst erhaltendes Ökosystem geschaffen werden sollte, ist hier zu nennen. Ein extremes Beispiel für die Natur-2.0-Perspektive ist der Transhumanismus, der das Verschmelzen von Menschen und Technik zu einer neuen Spezies anstrebt.
Zitat 4.32: Robert Wood (Ingenieur), Radhika Nagpal (Informatikerin) und Gu-Yeon Wie (Elektrotechniker und Informatiker) (2013)
https://static-content.springer.com/image/chp%3A10.1007%2F978-3-662-68230-2_4/MediaObjects/602102_1_De_4_Figaf_HTML.jpg
„Während des letzten Jahrzehnts begann eine rätselhafte Krankheit […] ganze Völker von Honigbienen in den USA auszulöschen – so massiv, dass gravierende Folgen für die Landwirtschaft zu befürchten waren. Aus diesem Anlass begannen wir 2009 […] ernsthaft über die Schaffung künstlicher Bienen nachzudenken. Die kleinen Maschinen sollten sich nicht nur jede für sich verhalten wie eine Biene, sondern im Zusammenspiel zu Tausenden die kollektiven Aktionen vollbringen, zu denen ein echter Bienenschwarm fähig ist. Inzwischen ist es uns gelungen, die ersten fliegenden Roboter in Bienengröße zu bauen; jetzt arbeiten wir am kooperativen Schwarmverhalten.“147
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Perspektive 18: Natur als Managementobjekt
Die Aufgaben von Managerinnen und Managern sind Planung, Organisation, Führung und Kontrolle. Die Natur als Managementobjekt zu deuten, interpretiert Natur als untergeordnetes Gegenüber (Perspektive 8). Sie wird Gegenstand von Führung und Planung und auf messbare Daten reduziert. Menschen ersetzen in dieser Perspektive die schöpferische, erhaltende Rolle Gottes („creatio continua“) aus Perspektive 4.148
Zitat 4.33: William C. Clark (1989)
https://static-content.springer.com/image/chp%3A10.1007%2F978-3-662-68230-2_4/MediaObjects/602102_1_De_4_Figag_HTML.png
„It is as a global species that we are transforming the planet. It is only as global species – pooling our knowledge, coordinating our actions and sharing what the planet has to offer – that we may have any prospect for managing the planet’s transformation along the pathways of sustainable development. Self-conscious, intelligent management of earth is one of the great challenges facing humanity as it approaches the 21th century.“149
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Perspektive 19: Natur als ökonomischer Zusammenhang
Natur wird auch als ökonomischer Zusammenhang gedeutet. Dabei stehen oft die Aspekte Konkurrenz, Wettbewerb und Ressourcendruck im Vordergrund. Auch werden Zusammenhänge in der Natur mithilfe ökonomischer Theorien erklärt (Abschn. 5.​6).150 Die ökonomische Deutung der Natur spielt in der Circular Economy und Bioökonomie eine wichtige Rolle (Abschn. 7.​1.​6).
Zitat 4.34: Frederic Vester (1991), Systemwissenschaftler
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„Ich will „über jene ‚Firma, die seit 4 Mrd. Jahren nicht Pleite gemacht hat‘, […] zitieren: » Die Biosphäre, dieses Supersystem aus Mikroben, Algen, Plankton, verletzlichen Tieren und zarten Pflänzchen, macht immerhin einen Jahresumsatz von 200 Mrd. Tonnen Kohlenstoff und organischem Material. Es produziert über seine subtilen Funktionsformen allein 100 Mrd. Tonnen Sauerstoff und verarbeitet selbst an Schwer- und Leichtmetallen wie Eisen, Vanadium und Kobalt, Magnesium, Natrium und Kalium Jahr für Jahr zusammengenommen viele Milliarden Tonnen, ohne je Rohstoff- oder Abfallsorgen zu kennen.“151
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Perspektive 20: Natur als Ressource
Die Perspektive, aus der die Natur als Ressource betrachtet wird, nimmt sie als Rohstoffreservoir war. Sie ist ökonomisch und die Natur wird als etwas wahrgenommen, das für Menschen da ist.
Zitat 4.35: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2023)
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„Die Bioökonomie nutzt biologische Ressourcen wie Pflanzen, Tiere oder Mikroorganismen. […] Aus Pflanzen oder Tieren werden Nahrungsmittel, Kleider, Roh- und Baustoffe oder Medikamente erzeugt.“152
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Perspektive 21: Natur als Dienstleisterin
Eine Natur, die als Dienstleisterin wahrgenommen wird, setzt ebenfalls eine ökonomische Perspektive voraus. Diese ist ambivalent: Einerseits wird durch die Einordnung von Natur als Naturkapital und deren Funktionen als Ökosystemleistungen der Natur, die in der Ökonomie zuvor „wertlos“ war, ein ökonomischer Wert zugewiesen, andererseits wird Natur aber so ausschließlich anthropozentrisch und ökonomisch bewertet.
Zitat 4.36: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, BMUV (2016)
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„Die Natur liefert den Menschen eine Vielzahl von Gütern und Leistungen, die das Fundament menschlichen Wohlergehens darstellen. Intakte Böden, Nahrung, Trinkwasser, Brennstoffe und Arzneimittel, Schutz vor Überschwemmungen und Bodenerosion sowie Klimaregulation oder Kohlenstoffspeicherung sind „Ökosystemleistungen“, die uns von der Natur kostenlos bereitgestellt werden. Viele Leistungen der Natur sind bisher bei konventionellen ökonomischen Bewertungen entweder gar nicht berechnet oder als selbstverständlich angenommen worden. Diese Leistungen der Ökosysteme und der Biodiversität besitzen jedoch einen hohen ökonomischen Wert.“153
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Perspektive 22: Natur als System
Die Deutung der Natur als System impliziert ein komplex organisiertes, zusammenhängendes Ganzes. Da die Circular Economy und Bioökonomie, wie in Kap. 7 noch dargelegt wird, Natur, Technik und Wirtschaft systemisch deuten, haben wir diesen Aspekt mit Absicht an das Ende unserer Perspektivensammlung, die sich noch weiter ergänzen ließe, gesetzt. Im folgenden Kapitel gehen wir ausführlich auf die Systemperspektive ein.
Zitat 4.37: Jannis Hülsen, Designer
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„Meine Perspektive auf die Natur stammt aus der Gestaltung. Natur ist für mich alles, was ist. Es ist ein komplexes System mit Dynamiken, die als Gemeinschaften in Abhängigkeiten zueinander stehen, sich gegenseitig regulieren und nach einem Gleichgewicht streben.“154
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Fußnoten
1
Blom 2022, S. 21.
 
2
Blom 2022, S. 24.
 
3
Kather 2012, S. 7.
 
4
Dibb.de Biographien.
 
5
Frankfurter Rundschau 2010.
 
6
„The woman asleep on the couch is dreaming she has been transported into the forest, listening to the sounds from the instrument of the enchanter“, MoMA 2020.
 
7
Kirchhoff 2020c.
 
8
Gloy 1995, S. 23, 287.
 
9
Helferich und Lang 2012, S. 132.
 
10
Picht 1993a, S. 89.
 
11
Schiemann 1996a, S. 12.
 
12
Picht 1993a, 54 ff.; Graeser 1989, S. 13.
 
13
Schriefl 2019, S. 19.
 
14
Schriefl 2019, S. 16 f.
 
15
Schriefl 2019.
 
16
Schriefl 2019, S. 23.
 
17
Schriefl 2019, S. 13.
 
18
Schriefl 2019, 87 ff.
 
19
Schriefl 2019, S. 25.
 
20
Schiemann 1996a, S. 19; Graeser 1989, S. 13 f.
 
21
Picht 1993a, S. 169–170.
 
22
Ruffing 2021, S. 65; Schriefl 2019, S. 89 f.
 
23
Picht 1993a, S. 195, 334.
 
24
Für Georg Picht ist die Gleichsetzung von Logos und Vernunft jedoch das Resultat einer Umdeutung, die die Stoa an den Logos-Vorstellungen Heraklits vorgenommen hat. Picht 1993a, S. 188 ff.
 
25
Schriefl 2019, S. 89 f.
 
26
Schriefl 2019, S. 112 f., 164.
 
27
Schriefl 2019, S. 14, 82.
 
28
Schriefl 2019, S. 139.
 
29
Schriefl 2019, S. 125, 40.
 
30
Schriefl 2019, S. 139 zitiert Diogenes Laertius, „Leben und Meinungen berühmter Philosophen“, 7.88 = LS 63 C.
 
31
Zahrnt 2002, S. 227.
 
32
Schiemann 1996b, S. 17.
 
33
Aristoteles 1987, Physik II,, 199a S. 15–17; Schiemann 1996a, S. 19 ff.; Gloy 1995, S. 127.
 
34
Schiemann 1996a, S. 19 ff.
 
35
Gloy 1995, S. 81.
 
36
Schiemann 1996b, S. 17.
 
37
Platon 1856, 27D–28A.
 
38
Schiemann 1996b, S. 17 ff.
 
39
Pietsch 2013 mit Bezug auf Platon 1865, 132d/Platon 1856, 38b und e.
 
40
Beierwaltes 2014.
 
41
Anzenbacher 2010, S. 64.
 
42
Bibel 1 Mose1 26: „Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich! Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über das Vieh und über die ganze Erde und über alle kriechenden Tiere, die auf der Erde kriechen!
 
43
Blom 2022.
 
44
Blom 2022, S. 94 zitiert Augustinus, De catechizandis rudibus, Kapitel 18.
 
45
Poser 2004, S. 138 ff.; Köchy 2010, S. 65.
 
46
Precht 2017, S. 166 ff.
 
47
Descartes 1637, IV,1.
 
48
Poser 2004, S. 138 ff.
 
49
Helferich und Lang 2012, S. 163.
 
50
Schiemann 1996a, S. 27 ff.
 
51
Peuker 2017, S. 153.
 
52
Peuker 2017, S. 152.
 
53
Köchy 2010, S. 65.
 
54
Kather 2012, S. 10.
 
55
Descartes 1637, VI,2.
 
56
Freise 1993, S. 126.
 
57
Freise 1993, S. 123; Isenmann 2003, S. 24.
 
58
Gabriel 2013.
 
59
Precht 2017, S. 503.
 
60
Gloy 1995, S. 157 zitiert und übersetzt Galilei 1929–1939, S. 232.
 
61
Peuker 2017, S. 151,155; Freise 1993, S. 123.
 
62
Peuker 2017, S. 160 f.
 
63
Spektrum.de 1999.
 
64
Peuker 2017, S. 153.
 
65
Peuker 2017, S. 161.
 
66
Schrödinger 1929.
 
67
Schrödinger 1929, S. 9.
 
68
„Essai philosophique sur les probabilités“, Laplace 1886, S. 4.
 
69
Rathmann 2008, S. 60.
 
70
Schrödinger 1929, S. 10.
 
71
Schrödinger 1929, S. 9.
 
72
Schrödinger 1929, S. 11.
 
73
Spektrum.de 1999.
 
74
Esfeld 2002, 23 ff.
 
75
Gloy 1995, S. 225.
 
76
Toepfer 2011c, S. 481.
 
77
Kutschera 2015, S. 99.
 
78
Toepfer 2011c, S. 484.
 
79
Toepfer 2011c, S. 481 ff.; Vollmer 1995, S. 68 ff., 95 ff.
 
80
Freise 1993, S. 126.
 
81
Peuker 2017, S. 162.; Freise 1993, S. 124 ff.; Gloy 1995, S. 221 ff.
 
82
Peuker 2017, S. 155.
 
83
Gloy 1995, S. 181.
 
84
Gleich et al. 2006, S. 26 ff.
 
85
Gleich et al. 2006, S. 30.
 
86
Gleich 1998, S. 8.
 
87
Katzenstein 2019, S. 12.
 
88
Zahrnt 2002, S. 246.
 
89
Zahavi 2010, S. 17 ff.
 
90
Ingensiep 1990, S. 32.
 
91
Gabriel 2013, S. 146 f.
 
92
Ingensiep 1990, S. 144.
 
93
Precht 2017, S. 475.
 
94
Ingensiep 1990, S. 143.
 
95
Ingensiep 1990, S. 73.
 
96
Hume 1869, S. 57 f.
 
97
Picht 1993a, S. 211.
 
98
Ingensiep 1990, S. 33 ff., 101 ff., 145.
 
99
Anzenbacher 2010, S. 143 zitiert Kants Kritik der reinen Vernunft B165.
 
100
Ingensiep 1990, S. 33 ff., 101 ff., 145.
 
101
Kant 1969, S. 77 ff., entnommen aus Ingensiep 1990, S. 170.
 
102
Ingensiep 1990, S. 37.
 
103
Ingensiep 1990, S. 33 ff., 101 ff., 145.
 
104
Ingensiep 1990, S. 107.
 
105
Ingensiep 1990, S. 37.
 
106
Ingensiep 1990, S. 37.
 
107
Vollmer 1981, S. 102.
 
108
Ingensiep 1990, S. 48.
 
109
Ingensiep 1990, S. 93.
 
110
Ingensiep 1990, 50, 70.
 
111
Ingensiep 1990, S. 92.
 
112
Ingensiep 1990, S. 144.
 
113
Ingensiep 1990, S. 103.
 
114
Fratzl et al. 2019.
 
115
Fratzl et al. 2019, S. 37,
 
116
Beispiele finden sich auf der Homepage des Bionik-Kompetenz-Netzwerks, BIOKON 2014.
 
117
StmUV und THD 2020.
 
118
Bauernhansl und Schwarz 2019, S. 25; Fraunhofer-Gesellschaft 2018, S. 23; Ferdinand et al. 2012, S. 45; Gleich 2006.
 
119
Bauernhansl und Schwarz 2019, S. 27.
 
120
Schubert und Klein 2018.
 
121
Fratzl et al. 2019, S. 50.
 
122
Vincent 2002.
 
123
Umweltbundesamt (UBA) 2021.
 
124
Weber 2010.
 
125
Katzenstein 2019, S. 20.
 
126
Gabriel 2013.
 
127
Gabriel 2013, S. 22.
 
128
Caviola 2013b.
 
129
Teit 1919, S. 227 in der Übersetzung von Caviola 2013b.
 
130
Goethe 1808, S. 38.
 
131
1 Moses 1, 1 (Genesis 1,1).
 
132
Bibel in gerechter Sprach Matthäus 6, 26.
 
133
Focus online 2013.
 
134
Holbach 1978, S. 17.
 
135
Planck 1949, S. 266.
 
136
Gloy 1995, S. 18.
 
137
Lenz und Maier 2021.
 
138
Möbius 1903, S. 28.
 
139
Mayreder 1899.
 
140
Scinexx 2004.
 
141
VDI-Blog 2016.
 
142
Nachtigall 2008, S. 2.
 
143
Stitz 2011.
 
144
Caviola 2013b.
 
145
LNDW-Podcast 2020.
 
146
Caviola 2013b zitiert Scharf et al. 1997, S. 423.
 
147
Wood et al. 2013.
 
148
Caviola 2013a, 7 f.
 
149
Caviola 2013a, S. 3 zitiert Clark 1989, S. 47.
 
150
Isenmann 2003, 122 f.
 
151
Vester 1991, S. 28.
 
152
BMEL 2023.
 
153
BMUV 2016.
 
154
LNDW-Podcast 2020.
 
Metadaten
Titel
Natur und ihre Erkenntnis
verfasst von
Thomas Marzi
Manfred Renner
Copyright-Jahr
2024
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-68230-2_4