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23.08.2022 | Plug-in-Hybrid | Schwerpunkt | Online-Artikel

Welche Zukunft haben Plug-in-Hybride?

verfasst von: Christoph Berger

4:30 Min. Lesedauer

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Die Abweichungen bei Kraftstoffverbräuchen und CO2-Emissionen von Plug-in-Hybriden zwischen Testzyklen und realen Gegebenheiten sind enorm. Wie lassen sich hier aussagekräftigere Ergebnisse erzielen? Und haben PHEVs überhaupt eine Zukunft?

2020 führten das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) und die gemeinnützige Forschungsorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT) zusammen eine Studie durch, in der Daten von über 100.000 Plug-in-Hybridfahrzeugen, kurz: PHEVs, analysiert wurden. Heraus kam damals, dass die realen Kraftstoffverbräuche und CO2-Emissionen von PHEVs bei privaten Haltern in Deutschland durchschnittlich mehr als doppelt so hoch ausfallen wie im offiziellen Testzyklus. Die Werte bei Dienstwagen waren sogar viermal so hoch.

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Fahrzyklen und ihre Kennparameter

Grundsätzlich ist ein Fahrzyklus durch einen Geschwindigkeits-Zeit-Verlauf sowie ein dazugehöriges Steigungsprofil charakterisiert. Bei Fahrzyklen kann zwischen realitätsnahen und synthetischen Fahrzyklen differenziert werden.

Die damalige Untersuchung wurde nun nochmals an etwa 9.000 Plug-in-Hybridfahrzeugen aus ganz Europa wiederholt. Mit ähnlichem Ergebnis: Erneut zeigte sich, dass die Kraftstoffverbräuche der Fahrzeuge weiterhin im Schnitt deutlich über den offiziellen Testzyklen liegen – und zuletzt sogar angestiegen sind. Demnach fallen die realen Kraftstoffverbräuche und CO2-Emissionen von Plug-in-Hybridfahrzeugen bei privaten Haltern in Deutschland und anderen europäischen Ländern etwa dreimal so hoch aus wie im offiziellen Testzyklus, die Werte bei Dienstwagen liegen sogar um ein fünffaches höher.

Abweichungen zwischen offiziellen Angaben und Erfahrungswerten

Von Seiten des Fraunhofer ISI und des ICCT heißt es zu den ermittelten Werten, dass die festgestellten Abweichungen zwischen offiziellen Angaben und realen Erfahrungswerten bei Plug-in-Hybridfahrzeugen sehr viel größer sind als bei Fahrzeugen mit konventionellem Verbrennungsmotor. Der reale Kraftstoffverbrauch liege für private Plug-in-Hybride im Durchschnitt bei etwa 4,0 bis 4,4 l je 100 km. Bei Dienstwagen seien es sogar 7,6 bis 8,4 l. Laut offiziellem Testverfahren liege der Verbrauch im Durchschnitt dagegen bei circa 1,6 beziehungsweise 1,7 l je 100 km. Jeder darüber hinaus verbrannte Liter Benzin sei nicht nur teuer, sondern entspreche einer Überschreitung der Emissionen, die laut CO2-Standards der EU für die Neuwagenflotten der Hersteller vorgesehen seien, so die Studienautoren.

Auf was ist der Anstieg zwischen 2020 und 2022 zurückzuführen? "Plug-in-Hybride, welche nach der neuen WLTP-Norm zertifiziert sind, weisen tendenziell eine noch höhere Abweichung auf als ältere, NEFZ-zertifizierte Modelle", sagt Dr. Georg Bieker, einer der Studienautoren. Man hätte herausgefunden, dass die Abweichung zwischen offiziellen und realen Kraftstoffverbräuchen und CO2-Emissionen jedes Jahr um etwa 0,1 bis 0,2 l je 100 km ansteige. Im Durchschnitt würden rein privat genutzte Plug-in-Hybride lediglich etwa 45 bis 49 % ihrer Fahrleistung weitgehend elektrisch erbringen, bei Dienstwagen seien es sogar lediglich 11 bis 15 %. 

Es bräuchte intelligente Betriebsstrategien

"Es stimmt, Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge (PHEVs) werden oft weniger elektrisch fahren [sic] als vorgesehen", schreibt Gernot Goppelt in seinem Fachartikel Neue Potenziale für den Plug-in-Hybrid (Seite 9) aus der MTZ 1-2022. Dabei gibt es laut seinen Ausführungen durchaus Vorschläge, wie sich sowohl der Nutzen mit einem höheren elektrischen Fahranteil als auch die Akzeptanz der PHEVs erhöhen ließe. Dies könnte zum Beispiel eine Dynamisierung der Dienstwagenbesteuerung sein, die sich nach der tatsächlichen elektrischen Nutzung richtet. Oder aber eine Ausweitung der elektrischen Reichweite sowie die Erhöhung der Ladeleistung. "Großes Potenzial gibt es laut NPM (Nationale Plattform Zukunft der Mobilität) auch bei intelligenten Betriebsstrategien: So könnte man beispielsweise in Verbindung mit einer automatischen Fahrstilanalyse bei aktiver Routenführung gezielt Ladestopps vorschlagen oder mit Blick auf innerstädtische Zonen elektrische Energie zum emissionsfreien Fahren vorhalten" (Seite 10), schreibt Goppelt weiter und zählt im weiteren Verlauf noch weitere Aspekte in seinem Beitrag auf.

Im Fachbeitrag Steigerung der elektrischen Reichweite für PHEVs durch intelligentes Thermomanagement aus der ATZ 2-2021 werden die Potenziale eines Thermomanagements vorgestellt, mit denen sich sowohl die elektrische Reichweite verlängern lässt als auch die CO2-Emission im realen Fahrbetrieb reduzieren lassen. Dies ist attraktiv, denn, so die Autoren: "Im Alltagsbetrieb kann die CO2-Emission durch diverse Faktoren wie Fahrweise, Ladeverhalten und Umgebungsbedingungen jedoch höher als bei vergleichbar motorisierten Fahrzeugen ohne Elektrifizierung sein (Seite 34)." Simulationen hätten jedoch gezeigt, "dass die elektrische Reichweite mit einem BSHG (Brennstoffheizgerät) bei -5 °C Umgebungstemperatur um bis zu 25 % gesteigert werden kann. Durch eine zusätzliche Konditionierung von Traktionsbatterie und Getriebeöl beträgt die gemessene Reichweitensteigerung sogar 29 %" (Seite 38). 

Mit Plug-in-Hybriden sind Klimaziele nicht zu erreichen

Auch die aktuelle vom Fraunhofer ISI und dem ICCT herausgebrachte Studie gibt konkrete Handlungsempfehlungen. So sollten Förderinstrumente wie Kaufprämien und reduzierte Dienstwagenbesteuerung an den Nachweis eines elektrischen Fahranteils von etwa 80 % oder einen Verbrauch von etwa 2 l pro 100 km im realen Betrieb geknüpft sein, um die Überschreitung der offiziellen Emissionen nicht weiter zu erhöhen. Auch der Utility Factor, welcher im WLTP den angenommenen elektrischen Fahranteil von Plug-in-Hybriden angibt, sollte an die reale Nutzung angepasst werden. Doch langfristig würden sich mit den hohen realen Emissionen von Plug-in-Hybriden die Klimaziele Deutschlands und der Europäischen Union nicht erreichen lassen, heißt es weiter. Daher sollten ab dem Jahr 2035 keine neuen Plug-in-Hybride mehr zugelassen werden. Eine Forderung, die zumindest das Europäische Parlament mit dem Beschluss zum Verbrenner-Verbot bereits erfüllt hat, nach dessen Beschluss ab dem besagten Datum keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden dürfen. 

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