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02.11.2023 | Batterie | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie sich der Restwert von Elektroautos bestimmen lässt

verfasst von: Christiane Köllner

5 Min. Lesedauer

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Nur ein präzise bewerteter Batteriezustand ermöglicht auch einen präzise bewerteten Restwert gebrauchter E-Fahrzeuge. Mittlerweile gibt es mehrere Testverfahren zur Zustands- und Restwertberechnung.  

Traktionsbatterien unterliegen durch Belastung einem natürlichen Alterungsprozess und verlieren mit der Zeit ihre Speicherfähigkeit. Ebenso kann das Nutzungs- und Ladeverhalten zu schnellerer Batteriealterung führen. Das heißt: Alle Batterien altern, aber einige schneller als andere. Jedoch ist meist nicht offenkundig, ob das Verhalten des Fahrers besonders schonend oder besonders schädlich war – bisher liegt Käufern gebrauchter Elektroautos diese Information nicht vor. Daher wird die verlässliche Ermittlung des tatsächlichen Batteriezustands immer wichtiger.

Die Traktionsbatterie ist die wertvollste Komponente eines Elektrofahrzeugs. Der Wertanteil der Batterie macht bei Neufahrzeugen teils mehr als 50 % aus. Zwischen 13.000 und rund 46.000 Euro kostet der Ersatz einer Batterie eines Elektroautos. "Bei Elektrofahrzeugen sind die Batteriedaten der neue Kilometerstand. Negative Einflüsse auf den Akku können schnell zu einem gesteigerten Kapazitätsverlust von bis zu 20 Prozent führen", sagte Frank Sommerfeld, Vorstandsvorsitzender der Allianz Versicherungs-AG, auf dem 11. Allianz Autotag im Oktober. "Langfristig führt dies zu einem deutlich erhöhten Wertverlust des Fahrzeugs. Dieser kann je nach Hersteller und Modell bis zu 25 Prozent betragen, in Einzelfällen auch darüber", so Sommerfeld weiter. 

Je stärker der Akku, desto höher der Fahrzeugwert

Beim Fahrzeugverkauf kann die Unsicherheit über den Zustand der Batterie ein erhebliches Hindernis für einen werthaltigen Verkauf darstellen. Das bedeutet: Nur mit einer verlässlichen Diagnose des Zustands der Batterie lässt sich der Restwert von gebrauchten E-Autos genau bestimmen. 

Allerdings gibt es ein Problem: Der von den Batterie-Managementsystemen der Fahrzeuge angezeigte "State of Health" bietet keine verlässliche Aussage über den tatsächlichen Zustand der Fahrzeugbatterie. "Die Praxis zeigt, dass die angezeigten und die tatsächlich gemessenen Werte häufig stark voneinander abweichen. Nur ein präzise bewerteter Batteriezustand ermöglicht auch einen präzise bewerteten Restwert", so Dr. Matthias Schubert, als Executive Vice President Mobility verantwortlich für das weltweite Mobilitätsgeschäft von TÜV Rheinland.

TÜV Rheinland und Twaice: Battery Quick Check

Abhilfe sollen neue Testverfahren schaffen. Zum Beispiel hat die Battery Quick Check GmbH, ein Joint Venture von TÜV Rheinland und dem Batterie-Spezialisten Twaice, einen zertifizierten Battery Quick Check entwickelt, der einen detaillierten Report über den tatsächlichen Zustand der Traktionsbatterie erstellt. Die Zustandsbewertung erfolgt herstellerunabhängig. 

Für den Batterietest nutzen die Fachkräfte in den Werkstätten das On-Bord-Diagnose-System (OBD) mit der OBD-2-Schnittstelle eines Fahrzeugs. Der Battery Quick Check setzt auf eine softwaregesteuerte Belastung der Fahrzeugbatterie via Diagnosegerät und Wallbox während des Ladevorgangs. Etwa 5 min wird eine Fachkraft am Fahrzeug benötigt, der Rest läuft innerhalb von rund 90 min automatisiert ab. Im Labor wurden die jeweiligen Batteriezellen im Neuzustand durchgemessen und damit Referenzwerte gebildet. 

Dekra und GTÜ: Batterie-Schnelltests mit Messfahrten

Auch die Prüfgesellschaft Dekra bietet ein Verfahren an, das sie im Frühjahr 2022 vorgestellt hat. Der Batterie-Schnelltest beinhaltet eine kurze Testfahrt mit einer Beschleunigung von rund 100 m. Dabei werden über die On-Board-Diagnose-Schnittstelle verschiedene Batteriekenndaten ausgelesen. Die Messwerte werden mithilfe eines Algorithmus und einer Datenbank eingeordnet. Dafür werden im Vorfeld für jeden einzelnen Fahrzeugtyp mit Messfahrten unter unterschiedlichsten Bedingungen Basisdaten ermittelt; anschließend folgen eine entsprechende Strukturierung und weitere Berechnungen, teilweise mithilfe künstlicher Intelligenz. Den gesamten Prozess bezeichnet Dekra als "Parametrierung". Die Messergebnisse beim Test werden dann von einer Software anhand dieser typspezifischen Parameter bewertet.

Seit Mitte Februar 2022 bietet die GTÜ Gesellschaft für Technische Überwachung in Deutschland den vom österreichischen Unternehmen Aviloo entwickelten Batterietest für Elektroautos an. Der Batterie-Tester wird an die OBD-Schnittstelle im Fahrzeug gesteckt. Anschließend analysiert das Gerät die Batteriedaten während Alltagsfahrten, bei denen die Batterie bis auf 10 % der Kapazität entladen wird, und sendet diese zur Auswertung an die Aviloo Battery Cloud. Dort werden Millionen Datenpunkte ausgewertet und zu einer Analyse zusammengefasst.

Nachfrage nach SoH-Ermittlungen soll wachsen

Mithilfe von Batteriediagnostik sollen jährlich bis zu 2 Millionen t Batterien mit einem Wert von mehr als 50 Milliarden Euro vor einer vorzeitigen Aussonderung bewahrt und so beispielsweise einem zweiten Leben zugeführt werden, erklärt Mahle. Durch sogenannte Second-Life-Anwendungen ließe sich ein Batterieleben um durchschnittlich fünf Jahre verlängern. Auch die Service- und Ersatzteilsparte des Zulieferers beschäftigt sich mit Batteriediagnose und kooperiert dazu mit dem Dresdner Softwarenentwickler Volytica Diagnostics. Für die Diagnose kommt eine spezielle Kombination aus Lade- und Diagnosegerät zum Einsatz. Gemessene Daten werden in der Volytica-Cloud ausgewertet.

Die Nachfrage nach der Ermittlung des "State of Health" von Antriebsbatterien soll in den kommenden Jahren wachsen. Mittlerweile entfällt fast ein Fünftel aller Pkw-Neuzulassungen in Deutschland auf batterieelektrische Fahrzeuge, der Bestand beläuft sich inzwischen auf mehr als 1,3 Millionen Elektrofahrzeuge.

Unabhängige Zertifizierung des Batteriezustandes

Voraussetzung für eine flächendeckende Elektromobilität des Individualverkehrs ist allerdings auch ein funktionierender Gebrauchtwagenmarkt für E-Autos. Dieser wird durch die Unsicherheit über den Batteriezustand gehemmt, aber auch "weil die so wichtigen Batteriedaten häufig fehlen", betont der CEO der Allianz-Versicherung Sommerfeld. "Wir fordern deshalb beim Verkauf oder Kauf eines gebrauchten Elektrofahrzeugs die Bereitstellung geeigneter Batteriedaten zur Vorlage eines unabhängigen Zertifikats über den Zustand der Batterie", so Sommerfeld.

Im Zuge dessen spricht sich die Allianz vor allem für einen einfachen Zugriff ihrer Kunden auf die Batteriedaten aus und hofft dabei auf die künftigen Regularien des EU Data Acts. Dadurch haben Kunden Zugang zu den von ihnen erzeugten Batterie- und Fahrzeugdaten, die sie auch Dritten zur Verfügung stellen dürfen. Dies soll die Schadenbeurteilung, insbesondere die Schadenanalyse bei Akkus, deutlich verbessern. "Wir fordern daher, dass die wesentlichen Fahrzeugdaten für die Batteriediagnose, Zeitwertbestimmung und Batterieprognosemodelle durch die Fahrzeughersteller kontinuierlich bereitgestellt werden", sagte Sommerfeld. Der Versicherer verspricht sich durch die Daten verminderte Reparaturkosten und stellt Versicherten dafür geringere Typklassen in Aussicht.

 

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