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2022 | Buch

Stadtgeographie

Aktuelle Themen und Ansätze

herausgegeben von: Yvonne Franz, Anke Strüver

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Städte sind Gamechanger globaler wie lokaler Veränderungsprozesse geworden. Ob Klimakrise, Mobilitäts- und Energiewende, Digitalisierung oder demographischer Wandel – Städte sind nicht nur Orte, an denen diese Themen stattfinden, sie versprechen oftmals auch die notwendigen Hebelwirkungen, um Wandel, Wende und Transformation zu verorten und umzusetzen. Das im Jahr 2007 eingeläutete „urbane Zeitalter“ benennt einen zentralen globalen Wendepunkt: Weltweit leben mehr Einwohner*innen in Städten als in ländlich-peripheren Räumen.

Dieser Band zeigt die Stadt als Ermöglichungsraum für gesellschaftliche Veränderung auf. Das Lehrbuch ist explizit mit interdisziplinärer Betrachtungsweise raumrelevanter Gesellschaftsprozesse konzipiert. Es erweitert die Stadtgeographie und versteht sich als Plädoyer für ein gleichermaßen komplexes wie relationales und prozessuales Denken in der stadtgeographischen Lehre und Forschung.

Folgende aktuelle Themen und Ansätze der Stadtgeographie werden anhand vielschichtiger und kritischer Fragen behandelt:

Welche gesellschaftlichen Alltagspraktiken prägen aktuell städtisches Zusammenleben, welche werden dominant, welche bleiben unsichtbar?Wie und wodurch findet Aneignung im urbanen Raum statt – und wer ist davon ausgeschlossen?Wie gelingt Teilhabe in der Stadt und welche Rolle spielen Infrastrukturen wie Wohnraum, Frei- und Grünräume, Verkehr und Digitalisierung?

Dieses Lehrbuch unterstützt Studierende der Geographie und der sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen auf Einsteiger*innen- als auch Fortgeschrittenenniveau in der Auseinandersetzung mit stadtrelevanten Themen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Stadt erleben: Urbane Alltagsprozesse
Zusammenfassung
Zum Kapiteleröffnungsbild: Altbekanntes des urbanen Lebens kommt zusammen und schafft Neues. Der öffentliche Raum als Ort der Begegnung, der Ausverhandlung, aber auch der Raumproduktion und Repräsentanz von Interessen und Bedürfnislagen Einzelner wie auch von Kollektiven. Hier der Mercado de la Cebada in Madrid, der schon nicht mehr so aussieht wie auf dieser Aufnahme (Quelle: Franz 2017).
Yvonne Franz, Anke Strüver
10. Stadt digitalisieren – Smartness jenseits des technologischen Optimierungsparadigmas
Zusammenfassung
Aktuell stehen viele Formen und Praktiken von Digitalisierung nebeneinander und finden in der Stadt statt. Dort wird Digitalisierung nicht nur über Smart-City-Stadtentwicklungsszenarien und urbane Plattformökonomien vorangetrieben. Sie wird vor allem durch die vielfältigen, alltäglichen technosozialen Praktiken der Menschen transportiert und durch die Mensch-Gesellschaft-Technik-Wechselbeziehungen in die Stadt integriert, z. B. durch die Orientierung und Navigation mithilfe des Smartphones, digitales Wirtschaften, Tauschen und Teilen. Digitale Praktiken und Räume sowie ihre wissenschaftliche Untersuchung sind dabei nicht grundsätzlich auf Stadt fokussiert oder gar reduziert. Aufgrund der hohen Konzentration von Menschen (als potenzielle Nutzer*innen) in Städten, den Vorteilen urbaner Dichte für vernetzte Infrastrukturprojekte sowie dem nahezu gleichwertigen Zugang zum Internet sind Städte jedoch Zentren digitaler Produkte und Praktiken und ihrer räumlichen wie gesellschaftlichen Effekte.
In diesem Kapitel werden zunächst Smart-City-Konzeptionen vorgestellt. Denn im letzten Jahrzehnt hat sich die Smart City als universelles Stadtentwicklungs- und -steuerungsideal sowie als dominante Vision für Stadtentwicklungsprojekte durchgesetzt. Davon nicht unabhängig haben sich neue Formen von digitaler Partizipation entwickelt, die – ähnlich wie die Smart-City-Strategien – die ganze Bandbreite zwischen Utopien und Dystopien abdecken. Auch wird die Rolle städtischer Gesellschaften in der Digitalisierung thematisiert, die alltäglichen, aktiven wie passiven digitalen Praktiken, die digitalen Möglichkeiten und Grenzen der Teilhabe und Gestaltbarkeit. Urbane Plattformökonomien und -kooperativen werden als alltagsnahes und zugleich transformative Potenziale beinhaltendes Forschungsbeispiel diskutiert.
Anke Strüver, Tabea Bork-Hüffer

Praktiken

Frontmatter
2. Stadt aneignen – Alltägliche Begegnungen, nachbarschaftliche Kollektive und soziale Bewegungen in globaler Perspektive
Zusammenfassung
Aneignungen des städtischen Raums sind Akte, Dinge anders zu tun, als es normalerweise z. B. durch gebauten Raum, durch vorherrschende Geschlechterverhältnisse oder durch Gesetze vorgesehen ist. Damit spiegeln sie – beabsichtigt oder nicht – immer gesellschaftliche Ausschlüsse und Machtverhältnisse wider. Aneignungen durchbrechen diese Verhältnisse und bewältigen sie ein Stück weit auf materieller, symbolischer und/oder sozialer Ebene. Das Kapitel diskutiert das Verhältnis von Enteignungen und Aneignungen und stellt mit Begegnungen im öffentlichen Raum, Nachbarschafts- und Stadtteilinitiativen sowie sozialen Protesten und Bewegungen drei Formen der Stadtaneignung vor. In dem Zuge heben wir theoretisch Sara Ahmeds Konzept der „strange encounters“ und Henri Lefebvres „Recht auf Begegnungen“ sowie als Beispiel die „Ni-una-menos“-Proteste gegen vergeschlechtlichte Gewalt hervor. Nicht zuletzt reflektiert das Kapitel aber auch, wie Stadtaneignungen behindert, verwässert oder erschwert werden.
Katharina Schmidt, Anne Vogelpohl
3. Stadt bewegen – Sozialräumliche Migrationseffekte
Zusammenfassung
Städte bringen Menschen räumlich wie sozial in Bewegung. Migration beeinflusst das (miteinander) Leben in Städten. Dieses Kapitel diskutiert daher Wirkungen und Bedeutungen von Migration im städtischen Kontext. Wie prägt Migration den gelebten Quartiersalltag und wie verändert Migration das Handeln und Entscheiden von Organisationen und Institutionen, die eine Stadt mitgestalten? Welche Herausforderungen ergeben sich im Zuge der sozialen Polarisierung der Gesellschaft und aufgrund räumlicher Segregation? Dieses Kapitel ordnet gegenwärtige gesellschaftliche Veränderungsprozesse im Kontext von Migration und Stadt ein. Der Interdisziplinarität des Kapitelthemas folgend, werden die Leser*innen dazu ermuntert, über geographische Literaturgrenzen hinweg zu lesen und Anknüpfungspunkte beispielsweise in der Stadtsoziologie und Stadtplanung zu erkennen. Das Kapitel möchte dazu beitragen, städtische Veränderungsprozesse und gesellschaftliche Ungleichheiten nicht allein durch eine Migrationslinse zu betrachten, um verfestigte Kategorisierungen nicht weiter zu reproduzieren. Es versteht sich als Anleitung eines reflektierten Verknüpfens von Diskursen auf wissenschaftlicher, politisch-planerischer und gesellschaftlicher Ebene, das als Kernqualifikation von Stadtgeograph*innen gilt.
Yvonne Franz, Heike Hanhörster
4. Stadt ermöglichen – soziale Selektivität in Beteiligungsprozessen
Zusammenfassung
Partizipation zielt als zentrales Instrument der Mitgestaltung darauf ab, die Stadtbevölkerung in die Planung von Städten einzubeziehen. Die Möglichkeiten, eigene Interessen in Stadtentwicklungsprozesse einzubringen, sind jedoch in der Stadtgesellschaft ungleich verteilt. Insbesondere marginalisierten Stadtbewohner*innen fehlen oft die notwendigen Ressourcen, um ihren Interessen Gehör zu verschaffen. Das Kapitel beleuchtet verschiedene Verständnisse von Partizipation und ordnet diese in theoretische Perspektiven der (geographischen) Stadtforschung ein. Ausgewählte Partizipationsformate werden anhand von Praxisbeispielen veranschaulicht, die sowohl formelle Beteiligungsverfahren als auch informelle Methoden der Partizipation und Modi der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis umfassen. Abschließend diskutiert dieses Kapitel die vorgestellten Praxisbeispiele im Hinblick auf ihre Potenziale, Stadt auch für marginalisierte Stadtbewohner*innen zu ermöglichen und Stadtentwicklung trotz bestehender Machtstrukturen kollaborativ auszuhandeln.
Antonie Schmiz, Lea Molina Caminero

Infrastrukturen

Frontmatter
5. Stadt bewohnen – Wohnungspolitik und soziale Frage
Zusammenfassung
Dieses Kapitel folgt der Entwicklung des städtischen Wohnens von der Industrialisierung bis in die Gegenwart. Es beginnt mit einem Blick ins vorletzte Jahrhundert, als viele der explosionsartig wachsenden Industriestädte von Wohnungsnot geprägt waren. Ausdruck dafür waren überteuerte und überbelegte Mietskasernen und unhygienische Zustände. Wohnungsnot ist aber nicht nur ein Problem der Industrialisierung und der Industriestadt, sondern wird als ein Problem der kapitalistischen Stadt diskutiert, das uns bis in die heutige Zeit begleitet. Mit den Stadtmodellen der Chicagoer Schule und dem Ansatz zu segmentierten Wohnungsmärkten werden zwei Erklärungen für den Zusammenhang von Segregation und städtischen Wohnungsmärkten gegeben. Mit der Filtering-Theorie und der marxistischen Rententheorie werden zwei kontrastierende politökonomische Theorien vorgestellt, die den Anspruch haben zu erklären, wie Wohnungsmärkte funktionieren. Auf dieser Basis wird dann die Entwicklung der deutschen Wohnungspolitik analysiert, d. h. wie Wohnungspolitik konkret auf verschiedenen Ebenen ausformuliert wird und von welchen theoretischen Annahmen sie geleitet wird. Abschließend werden aktuelle Tendenzen mit hoher Relevanz für städtische Wohnungsmärkte, wie die Finanzialisierung des Wohnens (d. h. Wohnen als Anlageform), Gentrification und Touristification dargestellt.
Susanne Heeg
6. Stadt begrünen – Grün- und Freiräume
Zusammenfassung
Mehr als die Hälfte der Menschen weltweit lebt in Städten und täglich werden es mehr. Städte sind attraktive Orte für Arbeit und Bildung, für gute Vernetzung und kulturelles Leben. Gleichzeitig sind Städte auch Orte, die teils von extremer Luftverschmutzung, Lärm und Hitze geprägt sind. Dennoch werden Städte vermehrt Rückzugsorte für Biodiversität, die sich aus der industriellen Landwirtschaft zurückzieht. Daher sind Freiräume in der Stadt von heute und morgen essenziell für das Wohlbefinden und die Gesundheit von Bewohner*innen, aber auch von Stadtökosystemen. Zu urbanen Freiräumen zählen vor allem Grünflächen und Gewässer, Wälder, Parks, Kleingärten und Brachen ebenso wie Flüsse, Seen oder Feuchtgebiete. Freiräume haben große Potenziale, die Umweltbedingungen in Städten zu moderieren und zu verbessern: Sie kühlen die Luft, reichern sie mit Sauerstoff an, sie puffern Lärm und bieten Orte der physischen und mentalen Erholung. Zudem sind Freiräume beliebte Orte für soziales Leben, Kommunikation und Freizeit. Dies gilt allerdings nicht für alle Freiräume, denn die Aufenthaltsqualität ist sehr abhängig von ihrem Zustand. Daher thematisiert dieses Kapitel verschiedene Filter zum Zugang zu Grün- und Freiräumen, Konzepte der Erreichbarkeit und Qualität, grundsätzliche Fragen der Umweltgerechtigkeit bezüglich urbaner Freiräume sowie aktuelle Fallbeispiele.
Dagmar Haase
7. Stadt erfahren – Verkehr und Mobilität im urbanen Raum
Zusammenfassung
Städte sind maßgeblich geprägt durch die Dichte von Möglichkeiten, die mittels Mobilität und Verkehr miteinander verbunden sind. Nicht nur in der Stadt ist insbesondere der motorisierte Individualverkehr aus Gründen des Klimaschutzes und des Platzbedarfs ein Problem.
Städtischer Verkehr weist bestimmte Muster und Merkmale auf und unterscheidet sich nach der Größe der Stadt, der Quartiersstruktur und nach sozialen Gruppen. Mobilität und Verkehr finden selten als Selbstzweck statt, sondern sind Teil der über den Stadtraum verteilten Organisation des Alltags. Dabei werden Verkehrsmittel jedoch nur bedingt nach rationalen Kriterien gewählt (Kosten und Zeit), zusätzlich beeinflussen auch gesellschaftliche Bedeutungen und kulturelle Leitbilder die Art und Weise, wie Menschen unterwegs sind. Die Covid-19-Pandemie hat zu deutlichen Veränderungen der Alltagsorganisation vieler Menschen geführt mit Auswirkungen auf den Verkehr; teilweise wurden Wege im Stadtraum durch virtuelle Mobilität ersetzt.
Das gegenwärtig viel diskutierte Ziel einer Verkehrswende wird vor allem mit technologischen Mitteln zu erreichen versucht. Allerdings werden dabei einige Einsichten der sozialwissenschaftlichen Mobilitätsforschung übersehen, nämlich die Frage, warum Menschen unterwegs sind und welche Bedeutung das Auto für sie im Alltag hat.
Katharina Manderscheid

Reflexionen

Frontmatter
8. Stadt politisieren – Urbane Politische Ökonomie
Zusammenfassung
Dieses Kapitel zeigt, dass die Ökonomie von Städten stets eine Politische Ökonomie ist. Städte wurden und werden durch ökonomische Kräfte hervorgebracht, geformt und gesteuert, die selbst Ausdruck politischer Aushandlung sind und historisch unterschiedliche Formen angenommen haben. Mit Neoliberalisierung als Herrschaft des Markts stellt das Kapitel ein aktuelles dominierendes Paradigma der Regierung des Städtischen vor.
Die feministische Kritik verweist auf Leerstellen und Ausschlüsse Urbaner Politischer Ökonomie. In einer machtkritischen Perspektive wird gezeigt, wie städtische Ökonomien auf sich überkreuzenden Diskriminierungsformen wie z. B. „race“, „class“, „gender“ aufbauen und wie diese herausgefordert werden können. Beispiele wie Sorgearbeit, Urban Commons, Gemeinnützigkeit oder Kooperativen zeigen die Diversität urbaner politischer Praktiken jenseits vorherrschender kapitalistischer und marktorientierter Wirtschaftsweisen auf. Das Kapitel arbeitet heraus, dass urbane Transformationen auf der konflikthaften Aushandlung politischer Ökonomien basieren und zeigt Möglichkeiten, diese mitzugestalten.
Iris Dzudzek
9. Stadt entdecken – Kindheit, Bildung und Ungleichheit
Zusammenfassung
Das Kapitel „Stadt entdecken“ richtet seinen Blick auf Kinder in der Stadt. Unter Rückgriff auf die Forschungslinie der Childhood Geographies werden zentrale Entwicklungslinien städtischer Kindheit der letzten Jahrzehnte bis heute skizziert. Dabei rückt immer wieder die Frage ins Zentrum, wo sich Kindern und jungen Menschen Möglichkeiten eröffnen, städtische Räume als Bildungs- und Erlebnisorte für sich zu entdecken und sich in gesellschaftliche Belange mit ihren Bedürfnissen und Erfragungen einzubringen. Dieses Kapitel möchte nicht zuletzt Studierende der Geographie und benachbarter Disziplinen dazu einladen, stadtgeographische Fragen auch aus der Perspektive der Kindheitsforschung zu diskutieren.
Verena Schreiber, Dana Ghafoor-Zadeh
Metadaten
Titel
Stadtgeographie
herausgegeben von
Yvonne Franz
Anke Strüver
Copyright-Jahr
2022
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-65382-1
Print ISBN
978-3-662-65381-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-65382-1