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23.10.2023 | Fintechs | Gastbeitrag | Online-Artikel

Fintechs bauen auf Kooperation statt Konfrontation

verfasst von: Elif Ercan, Daniela Rothley

5 Min. Lesedauer

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Über Jahre sind junge Tech-Firmen mit innovativen Produkten und Services in die Gefilde etablierter Banken vorgestoßen. Nachhaltig verdrängt haben sie die Alteingesessenen aber nicht. Deshalb bevorzugen mittlerweile viele Fintechs den Schulterschluss zur klassischen Konkurrenz.

"Banking is necessary, banks are not." Dieser Satz von Bill Gates hat lange Zeit die Ambitionen der Fintech-Branche verkörpert. Einzelne Nischen wie der Zahlungsverkehr, Kryptohandel und Wertpapierhandel wurden mit Innovationen überschwemmt. Doch die Zeiten ändern sich. Die Ambitionen vieler Fintechs, die Platzhirsche der Branche zu verdrängen, sind weitgehend verflogen - statt auf Konfrontation stehen die Weichen eher auf Kooperation. Doch was bedeutet das für die Fintech-Landschaft?

Fintechs wollten Bankenlandschaft revolutionieren

Fintech-Unternehmen wie Neobroker oder Neobanken traten mit dem Ziel an, die Bankenlandschaft zu revolutionieren. Sie versprachen niedrigere Gebühren, besseren Kundenservice und eine disruptivere Herangehensweise an Finanzdienstleistungen. Doch viele dieser Unternehmen sind an ihren eigenen Ansprüchen gescheitert. Regulatorische Auflagen, Profitabilitätsprobleme und Wachstumsschwierigkeiten dominieren derzeit die strategischen Überlegungen. Hinzu kommt, dass der allgemeine Hype um Fintechs nachlässt.

Dagegen galten traditionelle Banken lange Zeit als digitale Dinosaurier. Doch diese Einschätzung wird sich als voreilig erweisen. Die alten Bankhäuser haben in den letzten Jahren massiv in ihre digitale Infrastruktur investiert. Sie bieten mittlerweile Apps, Online-Banking und andere Dienstleistungen, die qualitativ durchaus mit denen der Fintechs mithalten können.

Kooperationen liegen im Trend

Statt einer Revolution könnten wir nun eine Phase der Kooperation und Integration erleben. Die Deutsche Bank, die wohl eine Zusammenarbeit mit Scalable in Erwägung zieht, könnte hier als Trendsetter fungieren. Solche Partnerschaften könnten für beide Seiten vorteilhaft sein. Die Fintechs profitieren von der Kundenbasis und der regulatorischen Expertise der traditionellen Banken. Im Gegenzug könnten die Banken ihre digitalen Dienstleistungen mit modernster Technologie aufrüsten.

Der Erfolg einer solchen Partnerschaft hängt von einer Reihe von Faktoren ab:

  1. Technologische Kompatibilität: Aktuell sind die meisten Banken dabei, ihre Kernplattformen zu modernisieren. Das Ziel für die Integration des Technologie-Stacks der Fintechs ist daher bestenfalls ein bewegliches Ziel oder existiert möglicherweise noch gar nicht. Vor einer Übernahme oder Kooperation ist es daher entscheidend, dass die Bank eine gründliche Evaluierung durchführt, um die Passgenauigkeit der Fintech-Tools im Kontext der eigenen Systeme zu bewerten. Remediation kann teuer werden und die Integrationsplanung behindern. Ein effektives Planen ist nur möglich, wenn Unterschiede in den Technologie-Stacks identifiziert werden. Zusätzlich müssen Aspekte wie Governance, Architektur und Lieferpraktiken im Technologie-Betriebsmodell berücksichtigt werden. Auch die Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung und Vertragsabschlüsse sowie Produktverbesserungen sind entscheidend und können die Wertrealisierung beeinflussen.
  2. Kulturelle Synergien und M&A-Strategie: Eine gemeinsame Vision und Unternehmenskultur sind grundlegend, aber darüber hinaus spielt die M&A-Strategie eine kritische Rolle. Laut Roger L. Martin scheitern viele Übernahmen, weil der Käufer sich hauptsächlich auf das konzentriert, was er aus der Transaktion gewinnen kann, anstatt zu betrachten, was er dem erworbenen Unternehmen bieten kann. Dies ist besonders riskant, wenn der Käufer wenig Verständnis für den neuen Markt hat. Erfolgreiche Übernahmen sind solche, bei denen der Käufer dem Zielunternehmen konkret helfen kann, wettbewerbsfähiger zu werden. Dies kann durch intelligentere Bereitstellung von Wachstumskapital, bessere Managementaufsicht, Übertragung wertvoller Fähigkeiten oder das Teilen von Kapazitäten geschehen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, die Akquisition nicht als einseitige Bereicherung, sondern als Begegnung der Köpfe zu sehen, die beiden Parteien ermöglicht, ihr werteschöpfendes Potenzial voll auszuschöpfen.
  3. Regulatorische Übereinstimmung und Anpassungsfähigkeit: Beide Partner müssen nicht nur die Grundlagen der Finanzregulierung verstehen, sondern auch die Fähigkeit besitzen, sich an ein komplexes und sich ständig änderndes regulatorisches Umfeld anzupassen. Zahlreiche Praxisbeispiele zeigen, dass selbst gut durchdachte Produktlösungen an regulatorischen Hürden scheitern können. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, von Anfang an einen differenzierten Ansatz zu wählen, der die speziellen regulatorischen Anforderungen der Finanzbranche berücksichtigt. Für eine erfolgreiche Kooperation zwischen Fintechs und traditionellen Banken im Bereich der regulatorischen Übereinstimmung ist es entscheidend, von Anfang an eine gemeinsame Compliance-Strategie zu entwickeln. Diese sollte die spezifischen regulatorischen Anforderungen beider Partner berücksichtigen und flexibel genug sein, um sich an sich ändernde Vorschriften anzupassen.

    Die regulatorische Landschaft ist zudem stark von der jeweiligen Region abhängig und oft unterliegen Produkte der Aufsicht mehrerer Regulierungsbehörden. Dies erhöht die Komplexität und erfordert eine genaue Kenntnis der jeweiligen Vorschriften auf verschiedenen Ebenen, sei es Bundes- oder Landesebene. Diese komplexe regulatorische Umgebung sollte nicht als Hindernis gesehen werden, sondern als Gelegenheit, um Compliance als integralen Bestandteil des Entwicklungsprozesses zu etablieren.
  4. Kundenorientierung: In einer erfolgreichen Partnerschaft zwischen Fintechs und traditionellen Banken kann der Fokus auf den Kunden zu einem einzigartigen Wettbewerbsvorteil werden. Traditionelle Banken könnten von der agilen und kundenorientierten Herangehensweise der Fintechs profitieren, insbesondere wenn es um den Kundenservice geht. 90 % der Fintechs sehen eine verbesserte Kundenerfahrung als ihren Hauptwettbewerbsvorteil, ein Ansatz, den Banken in ihre eigenen Service-Modelle integrieren könnten. Die Fintechs wiederum könnten von der Markenstärke und dem Vertrauen profitieren, das traditionelle Banken über Jahre aufgebaut haben. Schließlich könnten die wettbewerbsfähigen Preise, die Fintechs dank ihrer schlankeren Betriebsstrukturen anbieten können, in Kombination mit dem umfangreichen Serviceangebot der Banken dazu beitragen, ein umfassendes und doch kosteneffizientes Dienstleistungsportfolio zu schaffen.

Nachhaltiges Wachstum dank Kooperation

Nach Jahren des Hypes lässt sich nun sondieren, dass beide Seiten von der Expertise des anderen profitieren, sei es durch technologische Innovation, regulatorische Kenntnisse oder kundenorientierte Dienstleistungen.
Die Zeichen stehen auf Kooperation. Für Fintechs könnte dies eine Möglichkeit sein, nachhaltig zu wachsen und ihre Dienstleistungen in einem größeren Rahmen anzubieten. Für traditionelle Banken bietet dies die Chance, ihre Angebote zu modernisieren und eine jüngere, technologieaffine Kundengruppe anzusprechen.

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