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Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

11. Haftungsrisiken im Kontext von Open Source Hardware

verfasst von : Prof. Dr. Linda Kuschel, LL.M. (Harvard), Lisa Haller

Erschienen in: Global collaboration, local production

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Das Risiko, für etwaige Personen- und Sachschäden die bei der Herstellung und Nutzung von Open Source Hardware (OSH) entstehen, zu haften, kann für die Verbreitung von OSH ein großes Hindernis darstellen. Die rechtlichen Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, sind durchaus komplex und neuartig. Das liegt zum einen an der Natur der Wertschöpfungskette von OSH, bei der auf verschiedenen Stufen (Designentwurf, Herstellung, Verbreitung) unterschiedliche Personen(gruppen) beteiligt sind. Zum anderen wird OSH häufig aus altruistischen Zwecken und von Laien entworfen, hergestellt und verbreitet, für die ein einheitlicher Sorgfaltsmaßstab nur schwer zu bilden ist. In diesem Beitrag wird überblicksartig auf die potenzielle Haftung der Designer eines OSH-Bauplanes eingegangen. Dabei werden einige der wichtigsten rechtlichen Fragestellungen identifiziert und Perspektiven für die weitere Forschung aufgezeigt.
Hinweise
„Der Mut zu vertretbaren Risiken kann verändern helfen“
Dieter Gropp

11.1 Einleitung

Die Fab City Bewegung steht für ein innovatives urbanes Konzept, das ganz wesentlich durch Open Source Hardware (OSH) als offene, progressive Produktionsmethode, geprägt ist. OSH hat das Potential, sich positiv auf die Gesellschaft auszuwirken  und kann einen wichtigen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit leisten, etwa durch den effizienteren Einsatz von Ressourcen und das Einsparen von Transport- und Lieferwegen (siehe Nr. 5: Fab City Hamburg; Stengel 2016, S. 78). Anders als Open Source Software (OSS) wird OSH bislang kaum aus juristischer Perspektive diskutiert.1 Sowohl OSH als auch die Fab City, insbesondere die Zusammenarbeit in Fab Labs, werfen neue und anspruchsvolle rechtliche Fragen auf. Dabei erscheint es besonders wichtig, rechtliche Haftungsrisiken aufzuzeigen und dadurch transparent zu machen, wo Vorsicht bei der Entwicklung, Herstellung und Nutzung von OSH geboten ist und wie Haftungsrisiken möglichst reduziert werden können. Ziel sollte sein, zu verhindern, dass die Angst vor einer potenziellen Haftung zu unerwünschten „chilling effects“ führt. Aus rechtswissenschaftlicher Perspektive besonders interessant ist, auszuloten, inwieweit das (Haftungs-) Recht Aspekte wie Altruismus und Nachhaltigkeit berücksichtigt.
Im folgenden Kurzbeitrag werden zunächst die einzelnen Akteure genannt, die am OSH-Produktionsprozess beteiligt und potenziell Haftungsrisiken ausgesetzt sind (Abschn. 11.2). Es wird dann am Beispiel des Designers aufgezeigt, wie und warum vertragliche Leistungsbeziehungen von reinen Gefälligkeiten o. ä. abzugrenzen sind (Abschn. 11.3) und die verschiedenen Haftungsrisiken des Designers kursorisch aufgezeigt (Abschn. 11.4). Der Beitrag schließt mit einem Ausblick auf einige interessante rechtliche Forschungsfragen im Kontext der Haftung für OSH (Abschn. 11.5).
Der Beitrag beschränkt sich auf Ausführungen zum deutschen Recht. Bezüglich des Produkthaftungsgesetzes (ProdHaftG) sei aber darauf hingewiesen, dass dieses Gesetz die europäische Produkthaftungsrichtlinie umsetzt und daher europaweit im Wesentlichen einheitliche Anforderungen gelten.

11.2 Akteure

11.2.1 Typische Akteure in der OSH-Wertschöpfungskette

Die Vielzahl an unterschiedlichen Akteuren, die bei OSH-Projekten agieren, und der aufgeteilte Produktionsablauf stellen das (Haftungs-)Recht vor gewisse Herausforderungen. Während klassischerweise ein Unternehmen, das ein Produkt in den Verkehr bringt, dieses auch konzipiert und herstellt, können bei OSH-Projekten eine Vielzahl nicht miteinander verbundener Personen am Produktionsprozess beteiligt sein.
Bereits in der Definition von OSH der Open Source Hardware Association (OSHWA) wird Bezug genommen auf die typischen Akteure der OSH-Wertschöpfungskette. Nach der OSHWA bezeichnet OSH „Hardware, deren Baupläne öffentlich zugänglich gemacht wurden, sodass alle sie studieren, verändern, weiterverbreiten, sowie darauf basierende Hardware herstellen und verkaufen können“ (siehe Nr. 11: Open Source Hardware Grundsatzerklärung 1.0; siehe Nr. 3: DIN SPEC 3105 Open Source Hardware).
Aus dieser Definition ergibt sich, dass im OSH-Kontext ein Designer die Baupläne der Hardware (OSH-Bauplan) erstellt und öffentlich zugänglich macht, und zwar in einer Weise, die es anderen ermöglicht, diese Baupläne einzusehen, zu verändern und weiterzuentwickeln. Ein Hersteller kann sodann mithilfe des OSH-Bauplans die Hardware (OSH-Produkt) erstellen. Typischerweise veröffentlichen Designer ihre OSH-Baupläne auf einer Internetplattform, auf der sie von Herstellern gefunden und heruntergeladen werden können. Nach der Herstellung werden manche OSH-Produkte vom Hersteller selbst genutzt, andere werden an Dritte (Nutzer) veräußert. Die Herstellung des OSH-Produkts erfolgt oft in offenen Werkstätten, wie etwa in einem FabLab. In diesen offenen Werkstätten arbeiten wiederum Personen, die andere bei der Herstellung von OSH-Produkten unterstützen, etwa Instrukteure oder Workshop-Leiter.
Aus rechtlicher Perspektive ist es essenziell, herauszuarbeiten, welchen Akteur welche Pflichten treffen und für welche Mängel des OSH-Produkts bzw. für welche durch ein solches Produkt entstehenden Schäden er oder sie verantwortlich ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass OSH faktisch jedem erlaubt, selbst zum Produzenten zu werden – auch von solchen Erzeugnissen, die zuvor ausschließlich professionell bzw. industriell hergestellt wurden (so auch in Bezug auf 3D-Druck Grosskopf, CR 2012, S. 618). Jedermann kann theoretisch OSH-Baupläne erstellen sowie mithilfe heruntergeladener OSH-Baupläne neue Produkte herstellen. Das wirft die Frage auf, welche Qualität von solchen Produkten zu erwarten ist und welche Sorgfaltsmaßstäbe die verschiedenen Akteure bei der Herstellung eines OSH-Produktes zu beachten haben.

11.2.2 Potenzielle Geschädigte

Schäden im Zusammenhang mit OSH-Produkten treten typischerweise beim Hersteller oder Nutzer auf. Dem Hersteller kann ein Schaden entstehen, wenn er einen fehlerhaften OSH-Bauplan herunterlädt und Arbeitszeit sowie Ressourcen verwendet, um das OSH-Produkt herzustellen, obwohl dieses sich letztlich als nicht funktionstauglich erweist. Zudem ist denkbar, dass der Hersteller beim Produktionsprozess Körper- oder Sachschäden erleidet – sei es aufgrund eines fehlerhaften OSH-Bauplans, eines nicht funktionstauglichen Gerätes (etwa eines kaputten 3D-Druckers oder Laser-Cutters) oder aufgrund unzureichender Anleitung oder Überwachung bei der Arbeit mit einem solchen Gerät. Auch dem Nutzer des hergestellten OSH-Produkts können Schäden entstehen, die entweder aus einem fehlerhaften OSH-Bauplan oder aus der fehlerhaften Herstellung des OSH-Produktes resultieren. Abb. 11.1
Wie stets in arbeitsteiligen Produktionsprozessen, ist auch im OSH-Kontext denkbar, dass einem Akteur das Verschulden eines anderen Akteurs zuzurechnen ist – etwa ein Verschulden des Designers dem Hersteller, wenn dieser ein mangelhaftes OSH-Produkt an einen Nutzer veräußert und von dem Nutzer auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.

11.3 OSH-Design als vertragliche Leistung

Für die Abschätzung etwaiger Haftungsrisiken ist zunächst entscheidend, ob die Zurverfügungstellung des OSH-Designs eine vertraglich geschuldete Leistung des Designers darstellt. Nur wenn der Designer dem Hersteller die Bereitstellung des OSH-Designs vertraglich schuldet, kommt bei Mangelhaftigkeit des OSH-Bauplans eine Gewährleistungshaftung des Designers in Betracht. Zudem besteht nur in diesem Fall ein vertraglicher Schadensersatzanspruch. Dass zwischen dem Nutzer des OSH-Produkts und dem Designer ein Vertrag vorliegt, ist nur in Fällen denkbar in denen Designer und Hersteller personenidentisch sind. Da dies selten ist, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass zwischen Designer und Nutzer keine vertragliche Bindung besteht, sodass der Nutzer keine Gewährleistungsansprüche oder vertraglichen Schadensersatzansprüche gegen den Designer hat.2
Der Designer ist nur dann vertraglich zur Erstellung eines (fehlerfreien) Bauplans verpflichtet, wenn ein wirksamer Vertrag vorliegt. Designer veröffentlichen die OSH-Baupläne in der Regel auf Plattformen, wie etwa Thingiverse, sodass ein entsprechender Vertragsschluss ggf. online zustande käme (siehe Nr. 19: Thingiverse). Der Vertragsschluss im Internet richtet sich nach den allgemeinen Regeln (Handbuch Multimedia-Recht/Kitz Teil 13.1 Rn. 1). Das bedeutet es müssen zwei korrespondierende Willenserklärungen vorliegen, die auf Abschluss eines entsprechenden Vertrages gerichtet sind. Es bedarf einer Auslegung, welcher Erklärungswert den Willensäußerungen der Parteien im elektronischen Geschäftsverkehr zukommt. Bei der Auslegung ist auf das Verständnis des durchschnittlichen Internetnutzers abzustellen, der mit den Besonderheiten des Internets vertraut ist (Handbuch Multimedia Recht/Kitz Teil 13.1 Rn. 8).
Grundsätzlich ist keine explizit auf den Vertragsabschluss gerichtete Willensäußerung erforderlich, vielmehr genügt, dass sich aus der Willensäußerung konkludent ergibt, dass das Verhalten der Partei auf den Abschluss eines Vertrages gerichtet ist. So ist etwa denkbar, dass bereits in dem Hochladen eines OSH-Bauplans auf eine Plattform wie etwa Thingiverse ein konkludentes Angebot des Designers auf Abschluss eines entsprechenden Vertrages zu sehen ist. Dafür erforderlich ist aber, dass der Designer den OSH-Bauplan hochgeladen hat mit dem Wissen, eine rechtserhebliche Erklärung abzugeben. Wenn der Designer nicht davon ausgehen muss, dass dem Hochladen des OSH-Bauplans eine rechtsgeschäftliche Bedeutung zukommt, ist grundsätzlich mangels Rechtsbindungswillens nicht von einem Angebot auf Abschluss eines Vertrages auszugehen.
Eine auf Vertragsschluss gerichtete Erklärung muss mit Rechtsbindungswillen abgegeben werden, das bedeutet, mit dem Willen sich rechtlich binden zu wollen. Um den Rechtsbindungswillen der Parteien festzustellen, ist zu ermitteln, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung verstehen durfte. Wenn nach der Auslegung der (konkludenten) Erklärungen von Designer und Hersteller anzunehmen ist, dass die Parteien sich nicht rechtlich binden wollen, dann ist nicht von einem Vertragsschluss auszugehen. Kriterien zur Auslegung der Erklärungen der Parteien sind zum Beispiel die Art und der Zweck der Leistung sowie die Interessenlage der Parteien. Im Kontext von OSH-Bauplänen ist relevant, welche erkennbare wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung, der Hersteller dem Erhalt eines mangelfreien OSH-Bauplans beimisst (MüKoBGB/Schäfer, BGB, § 662 Rn. 25). Zu berücksichtigen sind auch die Gefahren, die von Leistungsstörungen ausgehen, sowie die Umstände, unter denen die Leistung erbracht wird (Wendehorst, NJW 2021, S. 2913, 2916).
Die Frage, ob die Parteien sich rechtlich binden wollen, kann nicht für alle OSH-Produkte einheitlich beantwortet werden. Bei kleineren und unbedeutenderen sowie weniger gefahrträchtigen OSH-Produkten ist grundsätzlich nicht von einer vertraglichen Bindung von Designer und Hersteller auszugehen, jedenfalls wenn der Designer dem Hersteller den OSH-Bauplan unentgeltlich zur Verfügung stellt. Wenn das OSH-Produkt ein Schlüsselanhänger oder ein Flaschenöffner ist, ist wohl eher nicht von einer vertraglichen Bindung auszugehen, denn für beide Parteien haben diese OSH-Produkte keine erkennbare wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung. Auch gehen von diesen Produkten keine ernstzunehmenden Gefahren aus. Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn dem OSH-Produkt ein gewisses Gefahrenpotenzial immanent ist, wie etwa bei einem Fahrrad oder Lastenrad. Maßgeblich bei der Ermittlung, ob der Designer sich rechtlich binden will, ist wie der Hersteller eine entsprechende Erklärung des Designers verstehen muss (§§ 133, 157 BGB). Zu berücksichtigen ist, dass der Designer, nachdem er den OSH-Bauplan auf eine Plattform hochgeladen hat, keine Kontrolle mehr darüber hat, wer diesen OSH-Bauplan herunterladen und nutzen kann. Das spricht grundsätzlich gegen einen Rechtsbindungswillen. Zudem ist denkbar, dass der Designer ausdrücklich erklärt, sich nicht vertraglich binden zu wollen. In einem solchen Fall kann der Hersteller grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass in der Zurverfügungstellung des OSH-Bauplans eine rechtlich bindende Erklärung des Designers zu sehen ist.

11.4 Haftungsrisiko des Designers

11.4.1 Verbreitungsformen und Schadensszenarien

OSH-Designer veröffentlichen ihre Baupläne typischerweise auf Internetplattformen, die es Nutzern ermöglichen, 3D-druckbare Designs zu finden, zu erstellen und zu teilen (siehe Nr. 19: Thingiverse). Ist ein OSH-Bauplan fehlerhaft, kann dies dazu führen, dass das hergestellte OSH-Produkt nicht funktionstauglich ist oder ein unsicheres OSH-Produkt entsteht und so bei der Herstellung oder der Nutzung Personen oder Sachen zu Schaden kommen.
Bei der Frage, für was der Designer einstehen muss, ist zu differenzieren zwischen der Haftung auf Ersatz des Äquivalenzinteresses Abschn. 11.4.2 und der Haftung auf Ersatz des Integritätsinteresses Abschn. 11.4.3. Während das Äquivalenzinteresse auf die Einhaltung der vertraglichen Leistungspflichten gerichtet ist, beinhaltet das Integritätsinteresse den Schutz der Rechtsgüter des Vertragspartners. Im Rahmen des Integritätsinteresse ist zu unterscheiden zwischen vertraglichen Ansprüchen, deliktischen Ansprüchen und Ansprüchen aus dem Produkthaftungsgesetz.

11.4.2 Haftung auf das Äquivalenzinteresse/Gewährleistungshaftung

Das Äquivalenzinteresse ist das Interesse an der Erfüllung der vertraglichen Pflichten. Voraussetzung für entsprechende Pflichten ist, dass zwischen Designer und Hersteller überhaupt ein Vertrag besteht. Davon ist bei einer unentgeltlichen Überlassung der OSH-Baupläne nicht ohne Weiteres auszugehen (siehe Abschn. 11.3).
Bei Fehlen eines Schuldverhältnisses besteht kein vertraglicher Schadensersatzanspruch des Herstellers gegen den Designer auf Ersatz des Äquivalenzinteresses. Wenn der Designer und der Hersteller allerdings ein entsprechendes Schuldverhältnis geschlossen haben und der Designer von dem Hersteller erfolgreich auf Ersatz des Äquivalenzinteresses in Anspruch genommen wird, muss der Designer den Hersteller so stellen, wie dieser bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung stehen würde.
Unentgeltliche Weitergabe des OSH-Designs
Wenn der Designer die OSH-Baupläne unentgeltlich und auch nicht gegen die „Zahlung von Daten“ (vgl. § 327 Abs. 3 BGB) anbietet, stellt sich die Frage, ob der Designer für die Mangelfreiheit seines OSH-Bauplans einstehen muss.
Das BGB sieht für die Bereiche des Kaufrechts (§§ 437 ff. BGB), des Mietrechts (§§ 536 ff. BGB), des Werkvertragsrechts (§§ 634 ff. BGB) und bei Verbraucherverträgen über digitale Produkte (§§ 327i ff. BGB) Gewährleistungsansprüche vor, das heißt, dass der Schuldner für die Mangelfreiheit der von ihm geleisteten Sache einstehen muss. All diese Verträge setzen aber eine Gegenleistung voraus – der Kaufvertrag die Zahlung eines Kaufpreises, der Mietvertrag die Zahlung eines Mietzinses, der Werkvertrag die Zahlung einer Vergütung und der Verbrauchervertrag über digitale Produkte die Zahlung eines Preises oder von Daten. Wenn der Hersteller den OSH-Bauplan unentgeltlich herunterlädt, liegt folglich keiner der oben genannten Verträge vor. Das bedeutet, dass der Hersteller gegen den Designer keinen Anspruch auf Mängelgewährleistung hat, er also weder die Nachbesserung des OSH-Bauplans noch die Nachlieferung eines mangelfreien OSH-Bauplans verlangen kann (Leupold/Wiebe/Glossner, IT-Recht 2021, Teil 1 Rn. 42).
Für unentgeltliche Verträge, wie die Schenkung und die Leihe, ist im Gesetz kein Mängelgewährleistungsrecht vorgesehen. Wenn einer der beiden Vertragstypen vorliegt, dann kann der Hersteller von dem Designer jedenfalls weder Nacherfüllung noch Nachlieferung verlangen. Schenker und Verleiher haften lediglich dann, wenn sie einen Fehler der Sache arglistig verschweigen und hieraus ein Schaden beim Beschenkten bzw. Entleiher entsteht (§ 524 bzw. § 600 BGB). Allerdings lässt sich die unentgeltliche, vertragliche Zurverfügungstellung eines OSH-Designs weder dem Vertragstyp der Schenkung noch jenem der Leihe eindeutig zuordnen. Denn eine Schenkung setzt eine Entreicherung, also eine dauerhafte Vermögensminderung auf Seiten des Schenkenden voraus (MüKoBGB/Koch, BGB, § 516 Rn. 6). Dies wäre bei OSH-Designs allein dann denkbar, wenn das Design urheberrechtlich oder patentrechtlich geschützt und dem Erwerber eine unentgeltliche Lizenz eingeräumt würde. Die Leihe wiederum setzt die Überlassung einer Sache, also eines körperlichen Gegenstands voraus; immaterielle Gegenstände sind nicht umfasst. Es wird teilweise vertreten, die Vorschriften über die Leihe entsprechend auf die unentgeltliche Überlassung nicht körperlicher Gegenstände anzuwenden (MüKoBGB/Häublein, BGB, § 598 Rn. 5). Allerdings ist die Leihe grundsätzlich zeitlich begrenzt und der Entleiher ist nach § 604 Abs. 1 BGB verpflichtet nach Ablauf der vereinbarten Zeit die „Sache“ zurückzugeben. Dies passt im OSH-Kontext aus zwei Gründen nicht. Zum einen ist eine Rückgabe des OSH-Bauplans an den Designer nie vorgesehen und zum anderen sind OSH-Baupläne per definitionem veränderbar und dürfen weiterverbreitet werden, sodass sich der Gegenstand der Leihe verändern und ein Rückgabeerfordernis mit der freien Weiterverbreitung in Widerspruch stehen würde.
Die unentgeltliche, vertragliche Zurverfügungstellung eines OSH-Designs ist stattdessen als Vertrag sui generis einzuordnen. Viel spricht dabei dafür, auch auf diesen gesetzlich nicht geregelten Vertragstyp die Haftungsprivilegien der unentgeltlichen Verträge des BGB anzuwenden: Der Designer erhält – ebenso wie Schenker und Verleiher – keine Gegenleistung, weshalb eine Gewährleistungshaftung unangemessen streng wäre. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Besonderheit von OSH gerade darin besteht, dass jedermann die Baupläne verändern und weiterentwickeln kann; der Entstehungsprozess wird dokumentiert und ist offen einsehbar. Bei einem fehlerhaften Design bleibt dem Hersteller also immer noch die Möglichkeit, selbst Hand anzulegen und den Mangel auszubessern. Die Herstellung eines mangelfreien OSH-Produkts zu ermöglichen, liegt eben nicht allein und eindeutig im Verantwortungsbereich eines (einzigen) Designers, sondern ist idealerweise das Ergebnis kollaborativer Weiterentwicklung und iterativer Verbesserung.
Entgeltliche Weitergabe des OSH-Designs
Für den Fall, dass der Designer den OSH-Bauplan dem Hersteller nur gegen eine Gebühr zur Verfügung stellt, kann der Hersteller grundsätzlich Mängelgewährleistungsrechte geltend machen, d. h. er kann Nachlieferung oder Nacherfüllung vom Designer verlangen, §§ 437 Nr. 1, 439 BGB. Weiterhin kann der Hersteller bei Vorliegen eines Mangels und dem Eintreten eines Schadens unter zusätzlichen Voraussetzungen Schadensersatz von dem Designer verlangen, §§ 437 Nr. 3, 280 ff. BGB. Voraussetzung für die Mängelgewährleistung ist immer, dass ein Mangel bei Gefahrübergang vorliegt. Das heißt, der OSH-Bauplan muss im Zeitpunkt des Downloads oder der sonstigen Zurverfügungstellung an den Hersteller mangelhaft sein.
§ 434 Abs. 1 BGB definiert, wann eine Sache frei von Sachmängeln ist, und ermöglicht durch einen Umkehrschluss festzustellen, wann ein Sachmangel vorliegt. Eine Sache ist dann frei von Sachmängeln, wenn sie den subjektiven und den objektiven Anforderungen entspricht. Den subjektiven Anforderungen entspricht die Sache, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit aufweist und sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, § 434 Abs. 2 BGB. Die objektiven Anforderungen beinhalten, dass die Sache sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann, § 434 Abs. 3 BGB.
Welche objektiven Anforderungen an OSH-Baupläne zu stellen sind, ist nicht ganz leicht zu beurteilen. Zum einen bereitet es Schwierigkeiten zu bestimmen, welche Beschaffenheit bei Sachen derselben Art im OSH-Kontext üblich ist. In dem Zusammenhang stellt sich die Frage, mit welchen anderen Sachen OSH-Baupläne zu vergleichen sind. Unklar ist, ob sich dieselbe Art auf alle anderen Baupläne eines solchen Produktes bezieht oder nur auf OSH-Baupläne desgleichen Produktes. Zum anderen ist es schwer zu ermitteln, welche Beschaffenheit der Käufer erwarten kann, da auch Laien OSH-Baupläne erstellen und so Designer eines OSH-Produktes sein können. Die Vergleichsgruppe ist grundsätzlich mithilfe von Produktart und Produkttyp, Preiskategorie und anhand funktionaler Aspekte zu bestimmen (Rockstroh/Peschel, NJW 2020, S. 3345, 3346 Rn. 12). Demnach spricht viel dafür, dass als Vergleichsgruppe für die übliche Beschaffenheit eines OSH-Bauplans nur auf OSH-Baupläne desgleichen Produkts abzustellen ist. Die übliche Beschaffenheit bestimmt sich nach der Erwartung, die ein durchschnittlich informierter und objektiver Hersteller an die Beschaffenheit des OSH-Bauplans hat. Darin einfließen können die Angaben und Bezeichnung des OSH-Bauplans, etwa, wenn sich aus der Beschreibung ergibt, dass es sich um eine „Beta-Version“ handelt. Auch einfließen können andere Beschreibungen und Äußerungen des Designers, beispielsweise wenn dieser ausdrückt, dass der OSH-Bauplan besonders sicher oder qualitativ hochwertig ist, dann kann der Hersteller höhere Erwartungen an den OSH-Bauplan stellen.
Die subjektiven und objektiven Anforderungen stehen gleichrangig nebeneinander. Die objektiven Anforderungen können aber durch die Parteien vertraglich (und auch konkludent) modifiziert oder abbedungen werden, § 434 Abs. 3 S. 1 BGB. In einem solchen Fall richtet sich der Mangelbegriff nur nach den subjektiven Anforderungen.

11.4.3 Haftung auf das Integritätsinteresse (Haftung für Schäden an anderen Rechtsgütern)

Das Integritätsinteresse ist das Interesse des Gläubigers an der Erhaltung seines status quo, also des ohne die geschuldete Leistung bestehenden Vermögensstatus. Es umfasst im Fall eines fehlerhaften OSH-Designs also vor allem Schäden an Eigentum oder Gesundheit des Herstellers bzw. des Nutzers des OSH-Produktes.
Vertraglicher Schadensersatzanspruch
Es ist wichtig zu ermitteln, ob zwischen dem Designer und dem Hersteller bezüglich der Zurverfügungstellung des OSH-Bauplans ein Vertrag vorliegt, denn ein Vertrag stellt eine Sonderverbindung dar, die dazu führt, dass die Vertragsparteien grundsätzlich höhere Sorgfaltspflichten beachten müssen, als würde zwischen ihnen keine solche vertragliche Sonderverbindung bestehen.
Eine weitreichende Bedeutung hat die Ermittlung, ob ein Schuldverhältnis besteht auch im Rahmen des vertraglichen Schadensersatzanspruches. Zum einen ist der Umfang des vertraglichen Schadensersatzes sehr weit und erfasst auch den Ersatz von bloßen Vermögensschäden. Zudem besteht eine Beweislastumkehr zugunsten des Anspruchstellers (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB), der typischerweise der geschädigte Hersteller sein wird. Dieser hat im Rahmen des vertraglichen Schadensersatzanspruchs lediglich darzulegen und zu beweisen, dass der Designer eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt hat. Dagegen muss er nicht darlegen und beweisen, dass der Designer die Pflichtverletzung auch zu vertreten hat, d. h. vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat (§ 276 Abs. 1, 2 BGB). Bei Vorliegen eines Vertrages ist dem Designer auch das Verschulden derjenigen zuzurechnen, die er zur Erfüllung der vertraglichen Verbindlichkeiten einsetzt § 278 S. 1 Alt. 2 BGB (= Erfüllungsgehilfen) ohne, dass der Designer sich diesbezüglich exkulpieren kann.
Vertraglich schuldet der Vertragspartner nicht nur die Erfüllung der Leistungspflichten (= Äquivalenzinteresse), sondern hat auch Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils zu nehmen (Integritätsinteresse). Konkret bedeutet das, dass der Designer dafür Sorge tragen muss, dass durch die Zurverfügungstellung eines OSH-Bauplans die Rechtsgüter des Herstellers nicht verletzt werden. Für die Konkretisierung des Umfangs der Schutzpflichten ist auf den Inhalt des Schuldverhältnisses abzustellen (NK-BGB/Krebs, BGB, § 241 Rn. 22). So richten sich Inhalt und Umfang der Nebenpflichten nach den vertraglichen Abreden der Parteien und den konkreten Umständen des Einzelfalls (BeckOK BGB/Sutschet, BGB, § 241 Rn. 44). Dabei ist desto eher von der Verletzung einer Nebenpflicht auszugehen, je mehr die Parteien auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit angewiesen sind oder der Hersteller sich auf die besondere Fachkunde des Designers verlassen können muss (BeckOK BGB/Sutschet, BGB, § 241 Rn. 44). Bei der Ermittlung in welchem Maße Schutzpflichten des Designers bestehen, sind auch die von dem OSH-Bauplan ausgehenden drohenden Gefahren zu berücksichtigen. Bei den Pflichten ist zwischen dem Verbot der aktiven Schädigung, der Pflicht zum aktiven Schutz und Informationspflichten zu unterscheiden (NK-BGB/Krebs, BGB, § 241 Rn. 22).
Deliktischer Schadensersatzanspruch
Dem Hersteller oder Nutzer kann gem. § 823 Abs. 1 BGB auch ein deliktischer Schadensersatzanspruch gegen den Designer zustehen. Ein solcher Anspruch setzt eine Rechtsgutsverletzung des Herstellers oder Nutzers voraus, welche durch ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten des Designers verursacht wurde. Durch § 823 Abs. 1 BGB geschützt sind absolute Rechtsgüter, wie etwa Leben, Gesundheit oder Eigentum. Ist ein solches durch das vorsätzliche oder fahrlässige Verhalten des Designers zu Schaden gekommen, kann der Hersteller oder Nutzer Ersatz verlangen. Im Gegensatz zum vertraglichen Schadensersatzanspruch ist der Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB auf die dort genannten Rechtsgüter beschränkt; Vermögensschäden sind über diese Vorschrift nicht zu ersetzen. Zudem muss der Anspruchssteller grundsätzlich darlegen und beweisen, dass der Anspruchsgegner die Rechtsgutsverletzung zu vertreten hat, das heißt vorsätzlich oder fahrlässig verursachte.
Im Kontext von OSH kann die Kausalität zwischen der Handlung des Designers und der Rechtsgutsverletzung auf Seiten von Hersteller bzw. Nutzer Schwierigkeiten bereiten: Der Designer haftet nur dann, wenn es gerade der von ihm oder ihr erstellte Bauplan war, der den Schaden verursacht hat. Nimmt der Hersteller Veränderungen am Bauplan vor oder kommt es während des Herstellungsprozesses zu Abweichungen vom Originalplan, kann es schwer sein, nachzuweisen, dass der Designer für den Schaden verantwortlich ist. Die Besonderheiten von OSH sind zudem – wie schon bei der vertraglichen Haftung – auch beim Verschuldensmaßstab angemessen zu berücksichtigen. Der Designer eines OSH-Bauplans sieht diesen möglicherweise nicht als finale Version, sondern lediglich als Entwurf an, der von anderen weiterbearbeitet und verbessert werden soll. Wird dies ausreichend kenntlich gemacht, sind geringere Anforderungen an die vom Designer aufzuwendende Sorgfalt zu stellen.
Anspruch aus dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG)
Neben der vertraglichen und deliktischen Haftung gibt es im deutschen Haftungsrecht noch die verschuldensunabhängige Produkthaftung aus dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG). Nach dem ProdHaftG haftet der „Hersteller“, wenn durch Inverkehrbringen eines fehlerhaften Produktes Schäden an bestimmten Rechtsgütern des Anspruchsstellers eintreten (BeckOKG/Seibl, ProdHaftG, § 1 Rn. 2). Die Haftung nach dem ProdHaftG ist an das Inverkehrbringen eines fehlerhaften Produkts geknüpft. Ein Verschulden des Herstellers i. S. einer persönlichen Vorwerfbarkeit ist nicht erforderlich (MüKoBGB/Wagner, ProdHaftG, Einleitung ProdHaftG Rn. 17). Die Produkthaftung aus dem ProdHaftG ist damit besonders streng. Der Designer eines OSH-Bauplans muss allerdings nur dann mit Ansprüchen aus dem ProdHaftG rechnen, wenn er selbst als „Hersteller“ iSd ProdHaftG anzusehen ist und der von ihm erstellte OSH-Bauplan ein Produkt iSd ProdHaftG ist.
Das ProdHaftG dient der Umsetzung der europäische Produkthaftungsrichtlinie (ProdHaftRL). Die ProdHaftRL ist in ihrer aktuell gültigen Fassung nicht für die digitale Wirtschaft sowie Kreislaufwirtschaft im Allgemeinen und OSH-Produkte im Speziellen ausgelegt. Die Vorgaben der ProdHaftRL entsprechen nicht der technologischen Entwicklung der letzten Jahre, da digitale Anwendungen unberücksichtigt sind und sich seit dem Erlass der ProdHaftRL im Jahr 1985 die Art und Weise wie Produkte hergestellt, vertrieben und betrieben werden erheblich verändert hat (siehe Nr. 1: Bundesrat, Begründung des Richtlinienentwurfs für eine neue Produkthaftungsrichtlinie, S. 2). Deshalb hat die europäische Kommission im September 2022 einen Entwurf für eine neue Produkthaftungsrichtlinie (ProdHaftRL-E) vorgelegt (siehe Nr. 4: European Commission, Richtlinienvorschlag über die Haftung für fehlerhafte Produkte des Europäischen Parlamentes und Rates). Die ProdHaftRL-E beabsichtigt eine umfassende Modernisierung der verschuldensunabhängigen Haftung für fehlerhafte Produkte. Nach der ProdHaftRL-E sollen künftig auch Software und digitale Bauunterlagen (Produktionsdateien) unter den Anwendungsbereich der Produkthaftungsrichtlinie fallen (siehe Artikel 4 (1) ProdHaftRL-Entwurf). Das ist eine wichtige Ergänzung, die die viel diskutierte Frage, ob Software oder OSH-Baupläne als Produkte iSd § 2 ProdHaftG anzusehen sind, klären würde.
Relevant für den OSH-Kontext ist auch Erwägungsgrund 13 (ErwG) der ProdHaftRL-E, wonach die ProdHaftRL nicht für freie und quelloffene Software gelten soll, die außerhalb einer gewerblichen Tätigkeit entwickelt oder bereitgestellt wird, um Innovation und Forschung nicht zu behindern. Möglicherweise sind damit auch unentgeltlich zur Verfügung gestellte OSH-Baupläne aus dem Anwendungsbereich der ProdHaftRL-E ausgenommen, was zwingend auch zu einer Privilegierung im nationalen Recht führen würde: Da die ProdHaftRL grundsätzlich vollharmonisierend ist, dürfen die EU-Mitgliedstaaten von der ProdHaftRL abweichende nationale Rechtsvorschriften weder aufrechterhalten noch einführen (siehe Artikel 3 ProdHaftRL-E). In der ProdHaftRL-E findet sich allerdings kein Hinweis darauf, ob OSH von ErwG 13 erfasst ist. Die Ratio des Erwägungsgrunds passt auch für OSH-Baupläne, denn diese sollen offen geteilt werden, frei zugänglich, nutzbar, veränderbar und weiterverteilbar sein und bergen ein enormes Innovationspotenzial. Andererseits differenziert die ProdHaftRL-E explizit zwischen Software und „digital manufacturing files“, wozu auch OSH-Baupläne zählen. Aus rechtswissenschaftlicher Sicht ist es spannend zu ermitteln, ob dieser Erwägungsgrund auch auf OSH übertragbar ist und die unentgeltliche Weitergabe von OSH folglich durch die ProdHaftRL-Ef privilegiert wäre.
Im Geltungsbereich der ProdHaftRL-E wäre bei der Ermittlung, ob ein OSH-Bauplan fehlerhaft ist, darauf abzustellen, ob der OSH-Bauplan die Sicherheit bietet, die die Allgemeinheit unter Berücksichtigung der Umstände erwarten darf (vgl. Artikel 6 Abs. 1 ProdHaftRL-E). Auch hier ist wieder relevant, welche Anforderungen an einen OSH-Bauplan zu stellen sind. Im OSH-Kontext ist auch Art. 7 Abs. 4 ProdHaftRL-E relevant. Hiernach ist jede natürliche oder juristische Person als Hersteller anzusehen, die ein bereits in Verkehr gebrachtes oder in Betrieb genommenes Produkt verändert in den Verkehr gebracht hat, wenn die Änderung des bezeichneten Produkts als wesentlich gilt und außerhalb der Kontrolle des ursprünglichen Herstellers erfolgt.
Grundsätzlich muss der (geschädigte) Anspruchssteller den Produktfehler, den Schaden und den Kausalzusammenhang zwischen beiden beweisen, siehe Artikel 9 Abs. 1 ProdHaftRL-E. Die Fehlerhaftigkeit des Produkts und die Kausalität des Fehlers für den Schaden wird aber zukünftig widerlegbar vermutet, wenn die Beweisführung aufgrund der technischen und wissenschaftlichen Komplexität übermäßig schwierig ist. In diesem Fall ist nur nachzuweisen, dass das Produkt wahrscheinlich fehlerhaft war und zum Schaden beigetragen hat, siehe Artikel 9 Abs. 2 ProdHaftRL-E. Bislang haben Geschädigte im Falle einer Sachbeschädigung einen Schaden bis zu einer Höhe von 500 € selbst zu tragen, § 11 ProdHaftG. Dieser Selbstbehalt soll künftig entfallen, Art. 13 ProdHaftRL-E. Zudem soll auch die Haftungshöchstgrenze von 85 Mio. € entfallen.

11.5 Ausblick

Der Kurzbeitrag hat am Beispiel des Designers eines OSH-Produkts einen Überblick über die relevantesten Haftungsgrundlagen gegeben und aufgezeigt, an welchen Stellen die Besonderheiten von OSH das Haftungsrecht vor Herausforderungen stellt. Neben der Anfertigung von Guidelines unter anderem zum Haftungsrecht, die insbesondere auch mögliche Haftungsrisiken von OSH-Herstellern und Fab Lab-Instrukteuren abdeckt, sollen zwei Themen im Fokus der weiteren Forschung stehen:
Zum einen die Bestimmung objektiver Anforderungen an OSH-Produkte sowie der an das Verhalten der Akteure anzulegende Sorgfaltsmaßstab. Zum anderen sollen etwaige gesetzliche Haftungsprivilegierungen für die OSH-Produktion identifiziert und auf ihre Tragfähigkeit untersucht werden. Das Haftungsrecht sieht teilweise bereits Privilegierungen für unentgeltliche Leistungen vor, etwa im Schenkungsrecht oder bei der Leihe. Auch der Entwurf für die neue ProdHaftRL enthält eine Privilegierung für offene, nicht proprietäre Produkte, die sich allerdings explizit nur auf Software bezieht. Die zugrunde liegenden Erwägungen lassen sich möglicherweise auf OSH übertragen. Hinzu tritt die Besonderheit, dass OSH oft altruistischen Zwecken dient, nämlich der Erzielung eines Mehrwerts für die Gesellschaft und von nachhaltigerer Wertschöpfung. Es stellt sich die Frage, inwieweit der altruistische Zweck einer Tätigkeit sowie Aspekte von Gemeinwohl und Nachhaltigkeit im geltenden Haftungsrecht berücksichtigungsfähig sind. Festzuhalten ist, dass der Erfolg der geteilten Produktion im OSH-Kontext maßgeblich auch davon abhängig ist, ob die einzelnen Akteure potenzielle Haftungsrisiken überblicken und einschätzen können, welchen Sorgfaltsmaßstab sie bei der Herstellung von OSH-Bauplänen oder OSH-Produkten anlegen müssen.
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Fußnoten
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Juristische Beiträge zu Open Source Hardware stammen etwa von Huppertz, Open Source Hardware – ein erster Überblick, CR 2012, 697; Wübbelmann, Open Source Hardware, 2014, in Taeger, Big Data & Co – Neue Herausforderungen für das Informationsrecht; Leupold/Wiebe/Glossner, IT-Recht, 4. Aufl. 2021, Rn. 40–45; kurz angesprochen in Grosskopf, 3D Druck – Personal Manufacturing, CR 2012, 618 (624).
 
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Ein vertraglicher Anspruch des Nutzers gegen den Designer ist nur denkbar in Fällen, in denen der Vertrag zwischen dem Hersteller und dem Designer „Schutzwirkung“ ggü. dem Nutzer entfaltet. Das setzt voraus, dass der Nutzer mit der Leistung bestimmungsgemäß in Berührung kommt. Dies muss erkennbar für den Designer sein. Das ist in der Regel nur für nahe Familienangehörige des Herstellers anzunehmen oder für dessen Angestellten.
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Haftungsrisiken im Kontext von Open Source Hardware
verfasst von
Prof. Dr. Linda Kuschel, LL.M. (Harvard)
Lisa Haller
Copyright-Jahr
2024
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44114-2_11

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