5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
Bei der Analyse des aktuellen Zustands von hybriden Arbeitsmodellen in KMU stellte sich heraus, dass diese schlechter als Großbetriebe abschneiden. Dies bestätigt die eingangs aufgestellte Hypothese H1, dass Großbetriebe hier im Vorsprung sind. Nichtsdestotrotz ist dieser Vorsprung nur gering und bestätigt die voranschreitende Entwicklung der KMU auch im Rahmen der Digitalisierung. Zahlreiche Initiativen, wie die der Bundesnetzagentur, sowie Förderprogramme von Bund und Ländern unterstützen diese fortschreitende Entwicklung und es ist zu erwarten, dass KMU in den nächsten Jahren aufholen werden. Es zeigt sich, dass das Thema Ressourcen ein Faktor für die bisher bessere Umsetzung bei Großbetrieben darstellt, allerdings kommt es auch auf die Führung, die Unternehmenskultur und Veränderungsbereitschaft eines Unternehmens an. Dies spiegelt sich in der am höchsten bewerteten Dimension Führung wider. Die Unternehmenskultur ist somit als essenzieller Treiber bei der Implementierung hybrider Arbeitsmodelle anzusehen und kann zunächst einmal durch Haltung gelebt werden, auch ohne (finanziellen) Ressourceneinsatz. Gleichzeitig bedarf es geeigneter und leicht abzurufender Ressourcen für KMU, um sich weiter entwickeln zu können und im Wettbewerb um Fachkräfte mit Großbetrieben mithalten zu können.
Gleichzeitig konnten wir mit der Auswertung der weiteren sozio-demographischen Dimensionen aufzeigen, dass nicht nur die Unternehmensgröße einen Einfluss auf die Wahrnehmung der Umsetzung des hybriden Arbeitens nimmt, sondern auch die Rolle des Mitarbeitenden einen ganz zentralen Einflussfaktor darstellt.
5.2 Welche Chancen ergeben sich speziell für KMU
Die Dimension Führung wird in KMU schneidet bei den KMU am besten ab – allerdings nur bei den Führungskräften selbst, die hier mit einem Mittelwert von 3,5 die Bewertung deutlich nach oben ziehen. Klar ist zu sagen, dass Führung eine Voraussetzung ist, um hybride Arbeitsmodelle im Unternehmen umzusetzen und einzuführen. Ein klarer Vorteil, der sich hier bei KMU erkennen lässt, ist, dass durch die kleinere Organisation der Bezug zum „Sinn und Zweck“ des Unternehmens klarer erkennbar und damit leichter kommunizierbar wird. Ein Studienteilnehmer beschrieb dies wie folgt: „Also ganz klar liegt der Ball irgendwo im Feld Führung und Kommunikation und die sind für mich untrennbar miteinander verbunden. […] Also in dem Moment, wo ich in der Firma kommuniziere, mach ich das für eine bestimmte Richtung, für ein bestimmtes Ergebnis, für einen Sinn. Und dann übe ich Führung aus. Also das sind die beiden Dinge, die sind für mich aber nicht trennbar.“ Auch dieses Statement zeigt die Klarheit, mit der die befragten Personen über ihre Mission sprechen: „Wir haben aber ein klares Bild davon, wer wir sind und welche Rolle wir in dieser Welt als Firma, als Arbeitgeber und in dieser Firma spielen.“
Ein Größenvorteil von KMU kann hier also ganz klar bei der Umsetzung des hybriden Arbeitens sein, dass der Sinn und Zweck der Organisation viel greifbarer wird für alle Mitarbeitende, da die Wege zum Erleben Wertschöpfung und zum Kunden kürzere sind. Voraussetzung dafür ist, dass die Führungskraft hier sehr aktiv kommunziert und Möglichkeiten für die Mitarbeitenden schafft, dass die kurzen Wege auch genutzt werden können. Z. B. in dem ein Innendienstmitarbeiter auch mal bei einem Kundentermin dabei sein kann oder eine Produktschulung mitmachen darf.
Die Dimension Kommunikation zeigt sich durchwachsen: Gerade bei den KMU ist die Bandbreite, wie gut Kommunikation im hybriden Umfeld funktioniert, noch groß. Unterschiedliche Denkweisen der Unternehmen zwischen agilen und hierarchischen Ansätzen bedingen die Veränderungsbereitschaft und Schnelligkeit mit der Kommunikationssysteme digital angepasst werden. Die Aspekte, die Kommunikation im Austausch vor Ort ausmachen, können nicht ohne Weiteres in digitale Strukturen überführt werden und tragen sicher zu der gemischten Bewertung hinsichtlich dieser Dimension herbei. Ein KMU Interviewpartner beschrieb diese Herausforderung wie folgt: „Kommunikation funktioniert mit all unseren Sinnen, alle fünf, Intuition sogar noch dazu, also eigentlich sechs. Was wir gerade machen, ist schon kastrierte Kommunikation. Wir sehen uns und wir hören uns. Aber ich rieche, ich schmecke, ich fühle dich nicht. Ja, da fehlen schon drei Sinne. So ein bisschen Intuition geht vielleicht, aber nicht viel.“ Dies zeigt deutlich, welche Haltung in vielen Fällen gegenüber der digitalen Kommunikation eingenommen wird – wobie diese Haltung sicherlich nicht, auf KMU beschränkt ist. Die große Chance von KMU liegt hier darin, dass gerade bei kleineren Unternehmen „echte“ hybride Modelle physisch möglich sind, da die Einzugsgebiete der Unternehmen kleiner sind, diese oft auf weniger oder nur einen Standort verteilt sind und seltener international Zusammenarbeiten müssen. Das bedeutet, dass KMU von den Voraussetzungen her leichter, niederschwelliger und kostengünstiger entscheiden können, wann eine Kommunikation in Präsent (mit allen sechs Sinnen) sinnvoll und notwendig ist und wann eine Online Kommunikation ausreicht. In großen Unternehmen sind solche Entscheidungen oft mit deutlich weiteren Wegen und damit höheren Reisekosten und mehr Zeitverlust verbunden. Dieses „echte hybride Modell“ erfordert aber natürlich das Fingersptizengefühl, welche Kontaktmomente und Kommunikationsformate von dieser mehr Präsenz stark profitieren und welche nicht. Daher ist zu empfehlen ein klares Zusammentreffens- und Kommunikationskonzept zu entwickeln, das klar regelt wer, aus welchem Anlasse, mit weg in welcher Frequenz in Präsenz zusammenkommt und wie Kommunikationskaskade in Präsenz und digital ablaufen können.
Der Bereich Zusammenarbeit lässt im Vergleich mit anderen Dimensionen am meisten Wachstumspotential zu. Hier stellte sich in den Interviews heraus, dass gerade in KMU die Qualität der Zusammenarbeit mit Kollegen oft noch sehr stark an der physischen Präsenz und an gemeinsamen Ritualen und Traditionen festgemacht wird. Zitate wie diese unterstreichen dies: „Es war ok [dass die Weihnachtsfeiern und Sommerfest wegen Corona ausfallen mussten]. Ich finde es trotzdem schade. Ich glaub, dass da was gefehlt hat für die Zusammenarbeit.“ oder „Aber wenn ich den Kollegen nur vom Papier her kenne oder wenn in einer Mail oben rechts erscheint, das ist das Gesicht dazu, entsteht kein WIR-Gefühl und keine Firmenbindung und kein corporate identity.“
Hier werden klar Bedürfnisse formuliert, denen die Unternehmen auch folgeleisten sollten. Wenn hier während der Pandemie Rituale und Traditionen verloren gegangen sind, ist es höchste Zeit, diese hochgradid Identitätsstiftenden Events wieder zu beleben. Auch sind KMU oft enger in die Gemeinschaft vor Ort, also beispielsweise den Standort und lokale Verbände und Vereine integriert – auch hier lohnt ein Blick, ob diese Netzwerke und Beziehungen – auch zu den Familien der Mitarbeitenden wieder belebt werden müssen – hier haben gerade kleinere Betriebe einen klaren Standortvorteil des „Lokalmatadors“, den es zu nutzen gilt.
Die Dimension Infrastruktur schneidet bei KMU als zweitbeste Dimension ab und die Interviewpartner gaben an, dass es durchaus eine Lernkurve zu bewältigen gab, diese aber gerade im Bereich IT gemeistert wurde: „Also es hat schon ganz schön geruckelt, bis das stabil lief, läuft mittlerweile aber stabil und souverän.“ Aus der qualitativen Analyse ergab sich, dass die meistgenannten Herausforderungen von KMU in der Dimension Infrastruktur und Zusammenarbeit liegen. Eine geeignete IT-Infrastruktur aufzubauen und Beziehungen weiterhin zu pflegen sind die Themen, die die befragten KMU am meisten beschäftigen. Weiterhin erscheint es für die Befragten schwierig, im Bereich Führung eine angemessene Orientierungshilfe im Umgang mit hybriden Arbeitsmodellen zu geben. Die Durchführung von Online-Meetings (synchrone Kommunikation), sowie das Teilen und Auffinden von Informationen stellen sich als komplexe Themen der Dimension Kommunikation dar. Auch die Einbindung der Produktion ist nicht leicht zu lösen, jedoch werden bereits Teil-Einbindungen angestrebt und umgesetzt. Teilweise wird die Möglichkeit geschaffen, administrative Aufgaben von Personen in der Produktion flexibel zu gestalten und diese im Homeoffice abarbeiten zu können.
Eine weitere spannende Frage ist, ob die befragten Experten aus KMU überhaupt einen Nachteil der KMU gegenüber Großbetrieben aus eigener Einschätzung wahrnehmen. Hier stellt sich das Bild gemischt dar: Einige der Befragten sehen Großbetriebe im Vorsprung aufgrund der vorhandenen Strukturen und Ressourcen, während die anderen Befragten Chancen in KMU aufgrund von weniger Bürokratie und schnelleren Prozessen sehen. Gemeinsam ist den Befragten, dass sie hauptsächlich im Wettbewerb um Fachkräfte einen Nachteil gegenüber größeren Unternehmen sehen. Daher sehen KMU den dringenden Bedarf, weiterhin hybride Arbeitsmodelle anbieten zu müssen, um attraktiv als Arbeitgeber zu sein.
Lediglich eine Person stellt in Frage, ob Unterschiede überhaupt an der Größe der Unternehmen festzumachen sind. Die Frage der Modernität des Unternehmens und der Denkweise steht hier im Vordergrund zur Umsetzung von hybriden Modellen. Dies wird auch durch die Untersuchung bestimmter soziodemografische Merkmale (H2), gestützt. Insbesondere die Rolle, die Mitarbeitende im Unternehmen einnehmen, wird als bedeutenderer Einflussfaktor wahrgenommen. KMU sollten daher mit Selbstbewusstsein und passend zur eigenen Unternehmung, Kultur und Historie, den Prozess des Wandels vorantreiben und nicht aufgrund des Anscheins Großbetriebe seien von vorneherein im Vorteil, resignieren.
Gleichzeitig müssen auch KMU weiter aktiv bleiben, da gerade bei KMU nach wie vor Herausforderungen im Umgang mit hybriden Arbeitsmodellen in der Praxis bestehen. Begegnungen und Kommunikation zu organisieren, muss neu gedacht werden. Die Entwicklung und Leistungsmessung der Belegschaft muss angepasst werden und im Kampf um Fachkräfte müssen attraktive Arbeitsmodelle angeboten werden. Kultur und Werte müssen aktiv gelebt werden. Missverständnisse und eine Informationsflut müssen minimiert, kreative Prozesse und Schnittstellen zur Produktion aktiv vor Ort angegangen werden. Gerade neue Mitarbeitende brauchen Unterstützung dabei, Beziehungen aufzubauen und über digitale Medien zu pflegen. Gerade das digitale Pflegen von Beziehungen erscheint für viele nach wie vor fremd und führt auf Dauer zum Verlust der Identifikation mit dem Unternehmen. Es zeigt sich, dass eine der elementaren Hürden zur Einführung hybrider Arbeitsmodelle in der technischen Umsetzung liegt. Chaotische Prozesse, steigende Komplexität sowie die Bereitstellung zweier Arbeitsplätze (eines physischen und eines digitalen) stellen KMU vor weitere Herausforderungen. Und nicht zuletzt gilt es einen fairen Umgang mit Beschäftigten zu wahren, die aufgrund der Tätigkeit zwingend vor Ort arbeiten müssen.