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26.04.2024 | Quantum Computing | Interview | Online-Artikel

"Quantentechnologien bedeuten eine riesige Chance"

verfasst von: Frank Jung

4:30 Min. Lesedauer

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Führende Automobilkonzerne investieren bereits in Quantentechnologien. Was hinter KI und Quantum steckt, erläutert Carina Kießling von Roland Berger im Interview. 

ATZ: Was bedeuten die Entwicklungen in den Bereichen KI und Quantum für die Automobilbranche in der Zukunft?

Kießling: Quantentechnologien bedeuten eine riesige Chance auf Innovationen, Wachstum und Umbruch. Sie sollten uns positiv auf die Technologiezukunft blicken lassen. Von der Erforschung neuer Materialien, zum Beispiel für Batteriezellen, über sichere Kommunikationsnetzwerken, QKD, bis hin zur Lösung von komplexen Optimierungsproblemen, bei denen auch KI und neueste Supercomputer an ihre Grenzen stoßen, bieten Quantentechnologien Vorreitern in der Automobilindustrie Vorteile gegenüber der Konkurrenz. Die Supporting-Technologien, die zur Nutzung von Quantentechnologien sowohl in der Herstellung als auch im Hinblick auf ihre Komponenten erforderlich sind, generieren darüber hinaus Wettbewerbsvorteile. Nicht zuletzt ermöglichen Quantentechnologien potenziell eine Erleichterung zur Lösung von gesellschaftlichen Problemen, wie der Energie- und Mobilitätswende sowie Datensicherheit in der Kommunikation. 

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In der Automobilindustrie wird künstliche Intelligenz aktuell meist mit dem automatisierten Fahren assoziiert. Dabei beginnt ihr Einsatz schon in der Fahrzeugentwicklung. Auf der ATZlive-Tagung "Komponenten zukünftiger Antriebe 2023" hat sich Carina Kießling von der Strategieberatung Roland Berger mit ihrem bemerkenswerten Impulsvortrag „In Zeiten von KI bis Quantum – Wird der Ingenieur in der Zukunft noch gebraucht?“ dem Thema genähert. Im ATZ-Interview erläutert sie die Eckpunkte näher.

Welche Notwendigkeiten sehen Sie seitens der Politik, regulativ tätig zu werden?

Regulatorik ist unabdingbar mit Blick auf die Datensicherheit im Quantenzeitalter. Die EU und das BSI sind bereits tätig. So gibt es beispielsweise die Quantum Standards Group der EU; neue kryptographische Primitiven und Standards sollen zeitnah reguliert werden. Ich denke beim Thema Regulatorik allerdings an eine andere Hürde. Europa und Deutschland waren seit den Anfängen der Quantentheorie führend in der Forschung. Durch die großzügige öffentliche Förderung wird das weiterhin gewährleistet. Schaut man sich aktuelle Patentanmeldungen, Start-up-Gründungen, Investitionsrunden und IPOs an, so fällt jedoch direkt auf, dass Europa nicht der tonangebende Nukleus ist und wir in Europa hinter den USA und Asien nicht Schritt halten können. Zunehmende Regulierung kann Innovation auch hinderlich sein. Wer auf der CES im Januar 2024 oder der IAA 2023 in München war, hat gesehen, dass Automobilfirmen, die sich weniger politischer Regulatorik ausgesetzt sehen, zunehmend wachsen. Die Politik sollte viel mehr Vertrauen in die Automobil-Ingenieurskunst haben und den Nutzen von Regulatorik mit Weitblick abwägen. Das wäre dem Wirtschaftsstandort Deutschland langfristig dienlich. 

Wird sich angesichts der skizzierten Möglichkeiten denn Datenschutz überhaupt noch gewährleisten lassen?

Davon bin ich überzeugt. Die Grundlagen sind geschaffen und nun gilt es, dass sich die Unternehmen auf die Technologiezukunft vorbereiten – eine Zukunft, die in Teilen schon da ist. Deutschland war stets bekannt als das Land der Ingenieure. Auch wenn eine weitere Transformation des Berufsstands vor uns liegt, blicke ich optimistisch auf unsere Fähigkeiten, das neue digitale und auch Quantenzeitalter zu gestalten.  

Stichwort Quantencomputer: Was muss man heute über Quantentechnologien und -anwendungen wissen?

Das Stichwort Quantencomputer im Zusammenhang mit dem Thema Datensicherheit lässt viele aufmerksame Leser von Technologienachrichten hellhörig werden. Es ist jedoch wichtig zwischen Panikmache und tatsächlicher Gefahr zu separieren und den Begriff der Quantentechnologien zunächst aufzufächern. In der Presse werden Quantentechnologien sehr gerne mit Quantencomputern gleichgesetzt, doch hinter dem Begriff "Quantentechnologien" verbirgt sich eine viel größere Welt als nur mehr Rechenpower und Gefahren mit Blick auf das Hacken von Daten. Wer von Quantentechnologien hört, der sollte zwischen den Begriffen Quanten-Computing, Quanten-Kryptographie, Quanten-Sensorik, Quanten-Kommunikation und -Information, Quanten-Simulation sowie Algorithmen unterscheiden. All diese Technologien beruhen auf den theoretischen Grundlagen der Quantenphysik, beschreiben allerdings fundamental unterschiedliche Einsatzfelder und Anwendungen. 

Der Kommerzialisierungsgrad von Quantentechnologien ist sehr unterschiedlich ausgeprägt, was immense Auswirkungen auf die potenzielle Nutzung hat. Während Quantensensoren bereits seit den 1980er Jahren verbreitet sind, wurde die Quantenüberlegenheit eines Quantencomputers erst 2019 postuliert, eine Kommerzialisierung steckt noch in den Kinderschuhen. Sie schreitet aber bereits voran. Der globale Markt von Quantentechnologien lässt sich mit circa 3 Milliarden Euro im Jahr 2023 beziffern. Im Vergleich zur durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von KI übersteigen Quantentechnologien diese. Mit Ausblick auf die nächsten fünf Jahre ist ein Wachstum von 70 % auf 25 Milliarden Euro Marktwert im Jahr 2028 zu erwarten. Dass Quantentechnologien noch weiter entfernt zu sein scheinen als KI, ist ein Trugschluss. Führende Automobilkonzerne investieren bereits in Quantentechnologien. Fördersummen durch öffentliche Gelder und PE-Investitionen bieten Quantentechnologien einen zusätzlichen Antrieb.

Der Physiker Winfried K. Hensinger sagte 2023 zu diesen Rechnern: "Sie sind alle schrecklich. Sie können nichts Nützliches tun"

Das ist eine Aussage, die ich persönlich nicht unterstützen würde. Aus Respekt gegenüber Professor Hensinger, der selbst zu Quantencomputern forscht und diese entwickelt, erlaube ich mir die Anmerkung, dass die Forschungswelt manchmal ermüdend sein kann. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass er mit dieser Aussage Quantencomputer und seine Forschungsarbeit generell an den Pranger stellen wollte. Er hat vielmehr darauf hingewiesen, dass für bestimmte Problemlösungen Millionen Qubits erforderlich und bestimmte Hardwarerealisierungen von Quantencomputern langfristig keine Lösung sein werden. Es ist richtig, dass Quantencomputer aktuell nicht mit universellen Van-Neumann binären Computern vergleichbar und entfernt von Millionen Qubits sind. Jedoch sehen die Technologie-Roadmaps erfolgreicher Quantencomputerfirmen vielversprechend aus und erste Anwendungen haben bereits eine Kommerzialisierungsstufe erreicht. Dafür gibt es zahlreiche Belege. Führende Automobilhersteller würden auch nicht flächendeckende in Quantentechnologien investieren, wenn sie nicht von deren Erfolg überzeugt wären, oder ihn bereits gesehen haben, beispielsweise bei den neusten Generationen von Quantensensoren.

Mehr zum Thema künstliche Intelligenz und deren Einsatz in der Fahrzeugentwicklung erfahren Sie von Carina Kießling im Interview "KI hat den Einzug in unseren digitalen Alltag gefunden" aus der ATZ 5-2024.

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