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Erschienen in: Zeitschrift für Arbeitswissenschaft 4/2023

Open Access 17.11.2023 | Wissenschaftliche Beiträge

Herausforderungen hybrider Arbeitsmodelle in KMU im Vergleich zu Großunternehmen

verfasst von: Prof. Dr. Johanna Bath, Kathrin Rieger, MBA, Vanessa Kolodziej, B.Sc.

Erschienen in: Zeitschrift für Arbeitswissenschaft | Ausgabe 4/2023

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Zusammenfassung

Hybride Arbeitsmodelle gelten als Zukunft der Arbeit. Demnach beschäftigt sich die vorliegende Forschungsarbeit mit der Untersuchung hybrider Arbeitsmodelle im Hinblick auf deutsche kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Vergleich zu Großbetrieben. Mithilfe einer multi-methodischen Studie, bestehend aus einer Umfrage und qualitativen Experteninterviews, wird evaluiert, in welchem Maß hybride Arbeitsmodelle in KMU bereits etabliert sind und welche Herausforderungen sie dabei bewältigen müssen. Zusätzlich wird betrachtet, ob soziodemografische Faktoren wie Alter, Geschlecht oder Rolle im Unternehmen einen Einfluss auf hybrides Arbeiten haben.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Etablierung von hybriden Arbeitsmodellen in KMU im Gegensatz zu Großbetrieben weniger vorangeschritten ist. KMUs stehen vor vielfältigen Herausforderungen, die beispielsweise auf unzureichende Digitalisierung oder traditionellere Strukturen zurückzuführen sind. Insbesondere die Unternehmenskultur sowie die Rolle im Unternehmen und der Einfluss der Führungskraft spielen eine wichtige Rolle.
Praktische Relevanz: Der Großteil vorliegender Literatur zum Thema New Work und Hybride Arbeit legt den Fokus auf die Gesamtbetrachtung aller Unternehmensgrößen oder auf Großbetriebe. Aufgrund der spezifischen Merkmale, wie beispielsweise eingeschränkter Ressourcenzugang, können Ergebnisse von Großbetrieben kaum auf KMU übertragen werden. Demnach gibt diese Arbeit eine Orientierung, wie hybride Arbeitsmodelle in KMU sinnvoll und gewinnbringend umgesetzt werden und welche Herausforderungen auftreten.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Einleitung

Unsere Arbeitswelt ist im Wandel – und das schon seit es die Menschheit gibt. Äußere Einflüsse, nicht zuletzt gepaart mit Innovation und technologischem Fortschritt, führten seit jeher dazu, dass sich die Art und das Verständnis von Arbeit veränderte.
Von klassischer, mühseliger Lohnarbeit, hin zur Entfremdung der Arbeit im Zuge der Industrialisierung und Massenproduktion, entstand gegen Ende des letzten Jahrhunderts der Begriff New Work (Oschmiansky und Berthold 2020). Frithjof Bergmann begründete damit ein neues Verständnis von Arbeit: „Nicht wir sollten der Arbeit dienen, sondern die Arbeit sollte uns dienen“ (Bergmann 2017). Mitbestimmung, Flexibilität und eine zunehmende Anpassung der Arbeit an die Bedürfnisse der Menschen drücken sich heute in dem weitgefassten Begriff von New Work aus, der zu einem Megatrend geworden ist und sämtliche Veränderungen der Arbeitswelt umschließt (Kraft und Peter 2019; zukunftsInstitut o.J.). „Die alte, industrielle Arbeitsordnung zerbricht“ (zukunftsInstitut 2023) und fordert neue Arbeitsmodelle für zukünftige Generationen. Beschäftigte sind mit den Rahmenbedingungen der Unternehmen und Arbeitswelt unzufrieden. Der Wunsch nach sinnstiftender Arbeit wird lauter. Dies zeigt sich in der ‚great resignation‘, einer großen Kündigungswelle in den USA, die sich zunehmend auch in Deutschland äußert (von der Oelsnitz et al. 2023).
Durch die Corona-Pandemie hat New Work ein neues Verständnis, große Bekanntheit und sehr weitreichende Ausmaße erlangt. Unternehmen wurden herausgefordert, Mitarbeitende in kürzester Zeit zur Arbeit von zuhause mit geeigneter Hardware, Prozessen und Kommunikationsabläufen zu befähigen. Und auch viele Mitarbeitende mussten sich an die plötzliche grundlegende Veränderung anpassen. Mit der Zeit arrangierten sich sowohl Unternehmen als auch Beschäftigte mit den neuen Rahmenbedingungen. Die Digitalisierung wurde dadurch stark vorangetrieben und hybrides Arbeiten mit der Zeit zur Norm.
Der Großteil bisheriger Studien rund um New Work und hybride Arbeit bezieht sich auf große Unternehmen und die Gesamtsituation über alle Unternehmen hinweg. Dabei sind kleine und mittlere Unternehmen, der „German Mittelstand“, ein Hauptpfeiler der deutschen Wirtschaft (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz [BMWK] 2022). Sie sind Treiber für Innovation und Technologie und als Erfolgsmodell international bekannt. Viele sind im Familienbesitz und damit in traditionell geprägten Strukturen verankert, wobei auch die Unternehmensgröße von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) häufig hinsichtlich beschränkter Ressourcen limitierend wirkt (BMWK 2022). Doch wie können hybride Arbeitsmodelle in diesen Unternehmen sinnvoll und gewinnbringend umgesetzt werden?
Das Ziel dieser Forschungsarbeit besteht deshalb darin, hybride Arbeitsmodelle im Hinblick auf KMU zu untersuchen. Dabei wird evaluiert, in welchem Maß hybride Arbeitsmodelle in KMU bereits etabliert sind, mit welchen Herausforderungen sie sich auseinandersetzen müssen und welche weiteren soziodemografischen Faktoren diese beeinflussen. Daraus abgeleitet ergeben sich folgende drei Forschungsfragen: (1) In welchem Maß sind hybride Arbeitsmodelle in KMU bereits etabliert? (2) Welche Herausforderungen ergeben sich speziell für KMU? (3) Inwiefern beeinflussen soziodemografische Faktoren wie Alter, Geschlecht und Rolle im Unternehmen hybride Arbeitsmodelle in KMU?
Um diese Fragen umfassend zu beantworten, wird zunächst der aktuelle Stand der Forschung für hybride Arbeitsmodelle und KMU in Deutschland beschrieben. Daraufhin wird das methodische Vorgehen dargestellt. In einer quantitativen Analyse werden der gegenwärtige Zustand hybrider Arbeitsmodelle von KMU und Großbetrieben verglichen und Unterschiede herausgearbeitet. Durch die folgende qualitative Untersuchung werden diese Erkenntnisse mit Expertenwissen überprüft und spezifische Herausforderungen identifiziert. Abschließend werden die Erkenntnisse kritisch reflektiert und diskutiert, Grenzen der Arbeit sowie weitere Forschungsfelder aufgezeigt.

2 Stand der Forschung

2.1 Hybride Arbeitsmodelle

Im internationalen Vergleich wiesen deutsche Unternehmen vor der Corona-Pandemie signifikante Defizite in den Bereichen Digitalisierung, digitale Zusammenarbeit und Datensicherheit auf, wie die Bertelsmann Stiftung 2018 in ihrem Bericht über die Zukunft der Arbeit in deutschen KMU schreibt. Insbesondere im Hinblick auf den Digitalisierungsgrad von KMU lag der Wert im Vergleich zu Großunternehmen (über 250 Beschäftigte) und Kleinstunternehmen (bis 10 Beschäftigte) am niedrigsten. Häufig wurden Rückstände mit mangelnden digitalen Kompetenzen belegt, wobei grundsätzlich die Chancen der Digitalisierung wahrgenommen und befürwortet wurden (Bertelsmann Stiftung 2018). Die Bereitschaft, mobiles Arbeiten anzubieten, war bei den meisten Unternehmen vor der Pandemie sehr gering. Lediglich 20 % der Unternehmen setzten digitale Kollaborationsplattformen ein und nur 8 % verwendeten Videokonferenzen (Bertelsmann Stiftung 2018).
Durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden außergewöhnlichen Umstände kam es zu einem schnellen Umschwung. Laut einer gemeinsamen Studie des Fraunhofer IAO sowie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aus dem Jahr 2020, arbeiteten fast 70 % der Befragten während der Pandemie größtenteils im Homeoffice und weitere 21 % nutzten diese flexible Möglichkeit zumindest zur Hälfte (Hofmann et al. 2020). Trotz der Hürden dieser besonderen Ausnahmesituation, war die überwiegende Mehrheit mit dem Arbeitsumfang, der zuhause verrichtet werden musste, zufrieden (Grunau et al. 2022). Technische Hürden oder der Wunsch nach Beziehungspflege und Austausch vor Ort waren laut einer Bitkom-Studie aus dem Jahr 2022 aber auch Gründe, um vor Ort zu arbeiten, selbst wenn sich die Tätigkeit für das Homeoffice eignete (Berg 2022).
Dementsprechend rückte das Arbeitsmodell des hybriden Arbeitens stark in den Fokus. Als hybride Arbeit wird in den meisten Studien die Mischung von Arbeit, die zuhause oder einem Ort außerhalb der Firma und zu Teilen am Unternehmensstandort erbracht wird, definiert (John et al. 2023; Lindner 2022; Oehring et al. 2023). Die Gewichtung der jeweiligen Anteile bleibt zunächst unberücksichtigt, aber hybride Arbeit impliziert immer Anteile beider Arbeitsformen (Lindner 2022). In dieser Arbeit decken wir bei der Befragung das volle Spektrum von hybridem Arbeiten ab, das bedeutet, dass sowohl Unternehmen befragt wurden, die einen „remote-first-Ansatz“ verfolgen. Nach Nicolaus (2021) sehen hybride Unternehmen mit einer Remote-first-Strategie mobiles Arbeiten als Standard. Physische Büroflächen und Coworking Spaces können vorhanden sein, welche optional oder anlassbezogen genutzt werden (Nicolaus 2021). Dementgegen gibt es als Gegenpol dazu die „Präsenz-first-Strategie“. Nach Makarius et al. (2021) ist bei Unternehmen mit „primarily in-office setting“ die Präsenzarbeit der Standard und mobiles Arbeiten die Ausnahme. Dazwischen liegen die voll hybriden Ansätze, die eine Balance zwischen mobilem Arbeiten und Arbeiten im Unternehmen anstreben.
Nicht nur die örtliche, sondern auch die zeitliche Unabhängigkeit wird in die Begriffsdefinition von hybrider Arbeit eingeschlossen. Demnach wird nicht nur das Wo? sondern auch das Wann? Diverse Studien zeigen auf, dass Beschäftigte nach der Pandemie zunehmend hybride Arbeitsmodelle am Arbeitsplatz wünschen und einfordern, sodass sich der in Bezug auf das Verrichten der Arbeit betrachtet (Bruch 2022). Trend des hybriden Arbeitens weiter festigt (Berg 2022; Cisco 2022; Microsoft 2022b). Hybride Arbeitsmodelle sind daher unverzichtbar, einerseits um Mitarbeitende zu binden und andererseits neue qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen (Berg 2022; Berger et al. 2021).
Gerade im deutschsprachigen Kontext ist es – zusätzlich zur den hier genannten Definitionen – auf die Abgrenzung und Überschneidung zum Begriff „New Work“ einzugehen, der im Sprachgebrauch bzw. der Unternehmenspraxis mittlerweile sogar oft als Synonym verwendet wird, in der Wissenschaft jedoch klar abgrenzbar ist. So definiert beispielsweise die New Work Charta (Humanfy 2022) den Begriff wie folgt: „Jenseits isolierter Maßnahmen und Einzelmethoden konzentriert sich die Essenz von New Work in fünf Prinzipien, die sich im unternehmerischen Alltag widerspiegeln: Freiheit, Selbstverantwortung, Sinn, Entwicklung und soziale Verantwortung.“ Im New Work Barometer, das im deutschsprachigen Raum die praktische Anwendung von New Work in einer Längsschnittstudie untersucht, wird jedes Jahr, der Zustimmungswert zu den meistverbreiteten Definitionen von New Work auf einer Skala von 1 bis 7 gemessen. Hier wurde im Jahr 2022 festgestellt, dass die Definition mit einem der höchsten Zustimmungswert zwar weiterhin die oben zitierte aus der New Work Charta bleibt (ca. 5,5), dass allerdings die Defintion „New Work = Homeoffice“ in der Praxis mittlerweile auch bei einem Zustimmungswert knapp über 5 liegt (Meifert und Schermuly 2022). Und auch bei den angewendeten Methoden assoziieren die Teilnehmer des New Work Barometers den Themenkomplex New Work zunehmend mit „ort- und zeitflexiblem Arbeiten“ – in der praktischen Verbreitung werden diese beiden Themen als meistverbreitete New Work Praktiken genannt (Meifert und Schermuly 2022). Somit ist festzuhalten, dass es sich wissenschaftlich betrachtet bei hybridem Arbeiten gemäß der hier beschriebenen Definition nicht um ein Synonym des New Work Begriffs handelt, jedoch in der Praxis und in der Umsetzung beide Begriffe zunehmend synonym verwendet werden, was es inhaltlich immer schwerer macht – die beiden Themengebiete sauber zueinander abzugrenzen.
Die Ausgestaltung eines sinnvollen hybriden Arbeitsmodells stellt meist eine grundlegende Herausforderung für viele Unternehmen dar. Weltweit forschen Expertinnen und Experten an Lösungsansätzen und sind sich einig, dass ein gutes Arbeitsmodell mehrere Dimensionen mit darunterliegenden Faktoren einschließen muss. Aus der Analyse diverser Studien rund um den Themenbereich hybrides Arbeiten konnten vier übergreifende Dimensionen, die auch in dieser Arbeit eine zentrale Rolle spielen, abgeleitet werden: Führung, Zusammenarbeit, Kommunikation und Infrastruktur (Lindner 2022; Peter 2019; Reindl et al. 2022). Auch diese Mehrdimensionalität teilt das hybride Arbeiten mit dem Themenkomplex New Work, bei dessen Umsetzung in der Praxis auch ähnliche, teilweise überschneidende Methoden eingesetzt werden (z. B. Bürokonzepte, IT Ausstattung, Führung, etc.) (Meifert und Schermuly 2022).
Im Folgenden werden die Auswirkungen von hybriden Arbeiten in Unternehmen anhand der vier Dimensionen näher beleuchtet.

2.1.1 Dimension Führung

Ein bedeutender Faktor für die Umsetzung hybrider Arbeitsmodelle liegt in der Dimension Führung. Bereits vor dem Ausbruch der Pandemie stellte eine Studie der Bertelsmann Stiftung fest, dass eine der Hauptbarrieren für Veränderungen im Bereich der Digitalisierung die „fehlende Unterstützung der Führungsebene“ darstellt (Bertelsmann Stiftung 2018). Genau diese Kritik äußerten Mitarbeitende zu Beginn der Corona-Pandemie verstärkt gegenüber ihren Vorgesetzten. Eine in 27 Märkten durchgeführte Studie von Cisco beobachtete eine übertriebene Detailorientierung, seitens der Führungskräfte auch bekannt als Mikromanagement, um die Arbeit im Homeoffice zu kontrollieren (Cisco 2022). Studien belegen jedoch vielfach, dass die Performance der Mitarbeitenden im Homeoffice hoch und teilweise höher war als vor Ort (Microsoft 2022b).
Dieses Paradoxon spiegelt sich auch im Microsoft Trend Index 2022 wider. 87 % der Befragten bestätigten, dass sie produktiv arbeiten, während nur 12 % der Führungskräfte ihren Beschäftigten eine hohe Produktivität zusprachen (Microsoft 2022b).
Entsprechend werden Fähigkeiten wie „Vertrauen geben und erhalten“ (Hofmann et al. 2021) für Führungskräfte in Zukunft als gewinnbringend im Kontext hybrider Arbeitsmodelle eingeschätzt. Diese Fähigkeit ist eine Komponente der Unternehmenskultur, die sich im Verhalten der Führungskräfte äußert und bei den Mitarbeitenden nur schwer spürbar ist.
Zudem äußert sich zunehmend der Wunsch von Beschäftigten, weg von hierarchischen Organisationsstrukturen und starren Leistungskontrollen hin zu mehr Selbstverantwortung und Leistungsmessung mittels Zielen zu gehen. Dies erfordert eine Veränderung der Führungsfähigkeiten und die Entwicklung von hoher Selbstorganisation und Selbstfürsorge seitens der Beschäftigten, um mit diesen neu entstandenen Herausforderungen gut umgehen zu können. Eine weitere zentrale Führungsfähigkeit, die hierbei eine wichtige Rolle spielen wird, ist die Kommunikationsfähigkeit, insbesondere im Kontext von Einzelgesprächen, was einen höheren Planungsaufwand für Führungskräfte bedeutet. Die Vereinigung der verschiedenen Bedürfnisse der Mitarbeitenden, ob zuhause oder vor Ort, wird in Zukunft verstärkt in den Fokus rücken (Berger et al. 2021).

2.1.2 Dimension Kommunikation

Der Einfluss der Dimension Kommunikation auf hybride Arbeitsmodelle ist von grundlegender Bedeutung. Dabei geht es nicht nur um die Kommunikation unter den Mitarbeitenden, sondern auch um die Art der Kommunikation. Eine Untersuchung von McKinsey aus dem Jahr 2021 ergab eine signifikante Steigerung der Mitarbeiterbindung durch kontinuierliche Abstimmungen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden bezüglich neuer Rahmenbedingungen, Veränderungen und zukunftsbezogener Themen im Unternehmen. Eine derartige Transparenz fördert nicht nur die Integration der Mitarbeitenden, sondern führt auch zu einer Steigerung der Produktivität und des Wohlbefindens um das Fünffache zur vorherigen Leistung (Alexander et al. 2021).
Eine Studie von Cisco (2022) ergab, dass Mitarbeitenden in virtuellen Besprechungen pünktlicher sind und diese kürzer und sachlicher sind als vor Ort. Allerdings beobachtete Microsoft auch, dass das ständige Bereitstehen von Laptops und Handys im Homeoffice das Empfinden nach ständiger Erreichbarkeit und somit Stress steigert (Grunau et al. 2022; Microsoft 2022a). Obwohl die Flexibilität zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben vorteilhaft ist, kann sie andererseits zu einer fehlenden Abgrenzbarkeit führen.
In Bezug auf die Kommunikationsform klagen Beschäftigte über eine Flut von Informationen, da mehr Kommunikationskanäle genutzt werden. Eine Studie von Microsoft (2022a) zeigt auf, dass mehr als 30 % mehr Chatnachrichten auf Microsoft Teams innerhalb der letzten zwei Jahre verzeichnet wurden. Eine Vielzahl von Studien (Cisco 2022; Lindner 2019; Microsoft 2021, 2022b) belegt, dass dies zu einer Reizüberflutung und Dauerstress bei den Beschäftigten führen kann. Der Trend geht jedoch weg von synchroner Kommunikation, wie Besprechungen oder Telefonate, hin zu asynchroner Kommunikation, wie beispielsweise E‑Mails, Chat-Nachrichten oder Projektmanagement-Tools, Dadurch können Beschäftigte weiterhin gemeinsam an Projekten arbeiten, jedoch zeitlich flexibel und unabhängig voneinander (Microsoft 2022b).

2.1.3 Dimension Zusammenarbeit

In der Dimension der Zusammenarbeit können ebenfalls Auswirkungen von hybrider Arbeit betrachtet werden. Es stellt sich heraus, dass eine Korrelation zwischen einem an ein hybrides Arbeitsmodell angepassten Onboarding-Prozess und auch der Bindung eines Mitarbeitenden einer Firma besteht (Crummenerl et al. 2021). Dabei kann z. B. durch digitales Kaffeetrinken oder virtuelle Teambuilding-Aktionen das Teamgefühl untereinander gestärkt werden. Dennoch werden Verabredungen zu virtuellem Kaffeetrinken von den meisten eher als Aufgabe im Kalender angesehen, anstatt einer Möglichkeit, sich mit anderen auszutauschen (Microsoft 2022a). Daran anknüpfend sagen knapp 50 % der Befragten des Work Trend Index in Deutschland, dass sie weniger Freundschaften am Arbeitsplatz haben, seit vermehrt im Homeoffice gearbeitet wird. Das führt dazu, dass sich viele Beschäftigte einsam fühlen, was wiederum das eigene Wohlbefinden und die Arbeitsproduktivität schwächt und gleichzeitig das Burnout-Risiko erhöht (Microsoft 2022a).
Aufgrund dieser Faktoren ziehen es einige Beschäftigte vor, wieder vermehrt vor Ort zu arbeiten, um den Kontakt mit Kollegen zu pflegen und dem Gefühl der Einsamkeit in den eigenen vier Wänden zu entkommen (Grunau et al. 2022; Hofmann et al. 2021). Viele empfinden die kurzen Begegnungen vor Ort, z. B. in der Kaffeeküche, als Vorteil der Arbeit im Büro. Auch bereichsübergreifende Austausche, die durch zufällige Begegnungen auf dem Flur im Unternehmensgebäude entstehen, können im Homeoffice nicht ersetzt werden. Diese tragen jedoch nachweislich zur Effizienz und dem Zusammengehörigkeitsgefühl im Unternehmen bei (Lindner 2022; Microsoft 2022a).
Obwohl das Homeoffice als geeignet für konzentrierte Einzelarbeit gilt (Lindner 2022), benötigt es dennoch den Anteil des persönlichen Kontakts, Austausches und Arbeitens vor Ort, insbesondere für innovative und kreative Prozesse. Ein verbreitetes Konzept hierbei ist das sogenannte „activity based working“, bei dem Unternehmen physische Arbeitsbereiche entsprechend den unterschiedlichen Bedürfnissen der Mitarbeitenden gestalten, z. B. mit Teamarbeitsplätzen für kollaboratives und kreatives Arbeiten oder Ruhezonen für Einzelarbeit (Lindner 2022). Ziel ist es, die Mitarbeitenden in ihrer Produktivität zu unterstützen.

2.1.4 Dimension Infrastruktur

In einem hybriden Arbeitsumfeld sind reibungslose Zusammenarbeit, Kommunikation und Verbindung unabhängig davon, ob Mitarbeitende vor Ort oder aus der Ferne arbeiten, entscheidende Elemente für produktives Arbeiten. Hierfür müssen interne Prozesse auf ein hybrides Arbeitsmodell angepasst werden und eine geeignete Infrastruktur und technische Ausstattung sichergestellt werden. Obwohl 67 % der Befragten der Bitkom-Studie ein Notebook oder sonstige technische Ausstattung zur Verfügung gestellt wurden, verfügt nur einer von zehn Mitarbeitenden laut dem Microsoft Work Index 2021 über eine ausreichende Internetverbindung, um aus der Ferne zu arbeiten. 42 % der Befragten gaben an, dass ihnen wichtige Büromaterialien für remote oder auch die Arbeit vor Ort fehlen (Berg 2022; Microsoft 2021). Wie die Statistiken zeigen, sind die angemessenen infrastrukturellen Voraussetzungen für ein produktives Arbeiten in einem hybriden Arbeitsumfeld immer noch nicht für jeden hybrid arbeitenden Menschen gegeben. Die Gründe hierfür sind vielfältig, angefangen bei begrenzten Budgets bis hin zu unzureichendem Wissen über gewinnbringende Technologien.
Die Bereitstellung einer angemessenen technologischen Infrastruktur hat jedoch einen positiven Einfluss auf das Engagement der Beschäftigten und auf ihre Bindung an das Unternehmen. Eine Qualtrics-Studie aus dem Jahr 2022 ergab, dass Beschäftigte, die über eine angemessene technologische Infrastruktur verfügen, „158 % einsatzbereiter bei der Arbeit sind und […] 61 % höhere Wahrscheinlichkeit im Unternehmen zu bleiben“ (Qualtrics 2022) eher länger als drei Jahre an ihrem Arbeitsplatz bleiben. Es muss auch darauf geachtet werden, dass regulatorische und datensicherheitstechnische Themen berücksichtigt werden, um zukunftsfähige Strukturen für Beschäftigte und Unternehmen zu schaffen (Grunau et al. 2022; Hofmann et al. 2020; Skopp et al. 2020).

2.2 KMU und hybride Arbeitsmodelle

Gemäß dem Statistischen Bundesamt zählen 99,4 % der Unternehmen in Deutschland zu den KMU. Laut der Empfehlung der Europäischen Kommission (2003/361/EG) gehören alle Unternehmen zu den KMU, die weniger als 250 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von maximal 50 Mio. € oder eine Jahresbilanzsumme von maximal 43 Mio. € haben (Europäische Kommission 2003). Von rund 29,4 Mio. Beschäftigten in Deutschland arbeiten 55 % in einem KMU und erwirtschaften dabei einen Anteil von 30 % des Gesamtumsatzes und 42 % der Bruttowertschöpfung in Deutschland. Im Vergleich dazu machen Großunternehmen nur 0,6 % der Unternehmenslandschaft in Deutschland aus und erwirtschaften knapp 70 % des Umsatzes und ca. 58 % der Bruttowertschöpfung (Statistisches Bundesamt 2022).
Angesichts dieser Zahlen ist die Bedeutung der KMU in der deutschen Wirtschaft unbestritten. Die Verteilung der Branchen innerhalb der KMU variiert. Bedeutende Anteile sind im Bau- und Gastgewerbe vorzufinden, wo KMU über 70 % des Umsatzes erzielen. Im verarbeitenden Gewerbe werden rund 15 % des Branchenumsatzes von KMU generiert (Institut für Mittelstandsforschung Bonn [IfM Bonn] 2022).
Das verarbeitende Gewerbe stellt einen wichtigen Akteur für die deutsche Wertschöpfung dar, da 98,4 % der Unternehmen in dieser Branche KMU sind. In der Zeit der Pandemie hat sich die Branche als Stabilisator erwiesen. Dennoch ist auch diese Branche nicht vor globalen Risiken und Herausforderungen gefeit: Als Beispiele sind hier die Digitalisierung, der demografische Wandel und die Energiewende zu nennen. KMU müssen sich, genau wie Großkonzerne entsprechend positionieren und weiterentwickeln, um diesen Herausforderungen erfolgreich begegnen zu können (Icks und Kranzusch 2022).
Gemäß einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn aus dem Jahr 2022 zeigt sich, dass Fachkräftegewinnung und Digitalisierung für KMU im verarbeitenden Gewerbe zunehmend relevante Themen sind. Angesichts des Fachkräftemangels streben KMU insbesondere die Digitalisierung an, was zu einer Anpassung des Arbeitsmodells führt (Icks und Kranzusch 2022).
Das verarbeitende Gewerbe steht im Hinblick auf hybride Arbeitsmodelle vor zusätzlichen Herausforderungen. Die Kombination von Tätigkeiten, die im Produktionsbereich vor Ort ausgeführt werden müssen, mit Tätigkeiten im administrativen Bereich, die sich durchaus im Homeoffice abbilden lassen, ist besonders anspruchsvoll. Hierbei müssen die Bedürfnisse der Beschäftigten, die Schnittstellen zwischen den Bereichen, die Prozesse und die Kommunikationswege sorgfältig überdacht werden. Das ifo Institut stellt einen positiven Zusammenhang zwischen der Homeoffice-Quote und der Unternehmensgröße fest. Größere Unternehmen haben unter Umständen eine größere Flexibilität, um mehr Beschäftigten die Arbeit von zuhause zu ermöglichen (Alipour und Schultz 2022).
Dennoch gilt es auch für KMU das volle mögliche Spektrum des hybriden Arbeitens zu nutzen. Das kann entweder bedeuten kreativere Lösungen für zeit- und ortsunabhängigeres Arbeiten auch in kleinerem Umfang zu schaffen (z. B. flexiblere Schichtmodelle, Rotationen, Bereitschaftsdienste, etc.). Und auch hybrides Arbeiten jenseits von Homeoffice zu denken (z. B. Arbeiten vor Ort bei Lieferanten oder Kunden).
Diese Ansätze erfordern natürlich Agilität und Flexibilität und fordern KMU besonders in der Führungsebene heraus, insbesondere auch durch die Grenzen personeller und methodischer Ressourcen. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, bedarf es zunehmend der Qualifizierung von Personal, sowie der Fähigkeit sich schnell an Veränderungen anpassen zu können. Veränderungen in KMU hinsichtlich der Digitalisierung erfolgen jedoch in Wellen und sind als langfristige Transformation anzusehen (Gries et al. 2021). Die oft traditionell geprägten, im Familienbesitz geführten KMU sind herausgefordert sich attraktiv am Arbeitsmarkt zu präsentieren und gleichzeitig erfolgreich zu wirtschaften und haben damit ein sehr heterogenes Aufgabenfeld mit beschränkten Ressourcen zu bestreiten (BMWK 2022).

3 Methodik

3.1 Forschungsdesign

Um die Forschungsfragen umfassend zu beantworten, wurden für diese Arbeit sowohl quantitative als auch qualitative Methoden ausgewählt, wie sie in der Methodik der Mixed-Methods kombiniert werden. Somit konnte eine Multidimensionalität und Multiperspektivität der Forschung gewährleistet werden, die zur Beantwortung der Forschungsfragen notwendig ist. Da nach einer systematischen Literaturanalyse kaum empirische Befunde zum Zeitpunkt der Forschung vorzufinden waren, die hybride Arbeitsmodelle speziell mit dem Fokus auf KMU beleuchten, musste zunächst die aktuelle Situation hybrider Arbeitsmodelle in KMU anhand der ersten Forschungsfrage F1 untersucht werden: In welchem Maß sind hybride Arbeitsmodelle in KMU bereits etabliert? Die Ergebnisse der systematischen Literaturanalyse (vgl. Kap. 2) zur Gesamtsituation lassen die Annahme aufkommen, dass KMU aufgrund ihrer Unternehmensgröße größere Schwierigkeiten haben, hybride Modelle umzusetzen als Großbetriebe. Demnach wurde folgende Hypothese aufgestellt: H1: KMU schneiden im Gesamtindex schlechter als Großbetriebe ab.
Zur Untersuchung der Hypothese wurde zunächst eine quantitative Untersuchung anhand einer Umfrage durchgeführt, die auf dem Fragebogen des Tools Hybrid Work Assessment basiert. Dieser wurde genutzt, da er Daten zum gegenwärtigen Zustand des hybriden Arbeitens in Unternehmen liefert und dieselben vier Dimensionen betrachtet, die in einer eigens durchgeführten quantitativen und verschiedenen qualitativen Studien bereits bestätigt wurden (Bath und Kolodziej 2023). Der Fragebogen führt zu Beginn Fragen zu soziodemografischen Daten an, während im Hauptteil Fragen zu den einzelnen Dimensionen Führung, Kommunikation, Zusammenarbeit und Infrastruktur, aufgeführt werden. Jede Dimension umfasst fünf Faktoren, die über Sekundärdatenrecherche, eine eigene quantitative Studie und Cast Studies in Unternehmen als die für die Performance eines hybriden Arbeitsmodells signifikant erachteten Faktoren identifiziert wurden. Im Bereich Führung umfassen die Faktoren Fragen zur Führung (z. B. Führen nach Zielen und Feedbackkultur), Adaptionsfähigkeit der Organisation (z. B. ist es Mitarbeitenden möglich effektiv Verbesserungen einzubringen), Sinnhaftigkeit der Arbeit (z. B. sind Ziel und Zweck der Organisation bekannt) oder auch wie klar ist den Mitarbeitenden der Organisationsrahmen zum hybriden Arbeiten (z. B. verstehe ich als Mitarbeitender wann, wo und wie ich mit anderen zusammenarbeiten kann). Im Bereich Kommunikation sind entscheidende Faktoren zum einen die interne Kommunikation zum hybriden Arbeiten (z. B. ist mir klar, wie das hybride Arbeiten in meiner Organisation gelebt wird), die Kommunikationsbeziehung und Erreichbarkeit der Führungskraft aber auch Aspekte der Arbeitskommunikation der Mitarbeitenden untereinander (wie gut funktioniert die synchrone und asynchrone Organisation, wie gut funktioniert das Teilen von Arbeitsergebnissen und das Wissensmanagement). In der Dimension Zusammenarbeit sind die Faktoren das Onboarding, die direkte Teamzusammenarbeit, das cross-funktionale Zusammenarbeit und auch die Frage ob durch die Führungskraft ein geeigneter und unterstützender Rahmen für Zusammenarbeit geschaffen wird. Im Bereich Infrastruktur wurden als entscheidene Faktoren die Themen prozessuale Infrastruktur, digitale Infrastruktur und die physische Infrastruktur im Büro identifiziert und untersucht. Diese werden jeweils durch eine positive Zustandsbeschreibung mit einer Ratingskala von „1“ bis „5“ abgefragt. Dabei entspricht „5“ den Worten „stimme voll und ganz zu“, bis hin zu „1“ „stimme überhaupt nicht zu“.
Außerdem werden weitere Performance-Parameter der Organisation, wie der Employee Ner Promoter Score, das empfundene Stresslevel, die Wirksamkeit der Mitarbeitenden und auch Krankheitstage erhoben. So entsteht ein ganzheitliches Bild auf die Organisationsperformance des jeweiligen Unternehmens (Abb. 1).
Bei der im Juli bis August 2022 durchgeführten Umfrage konnte eine für die deutsche Erwerbsbevölkerung mit hybrider Arbeitserfahrung repräsentative Stichprobe über 3380 Beteiligte erreicht werden. Diese umfasst ausschließlich Beteiligte, die bereits über Erfahrung mit hybridem Arbeiten verfügen und in Deutschland tätig sind. Dabei wurden Befragte aus allen hybriden Modellen (remote-first, Präsenz-first sowie 50:50 hybride) erfasst. Von den insgesamt 3380 vorhandenen Datensätzen konnte bei 632 Datensätzen eindeutig die Betriebsgröße zugeordnet werden. Die 632 Datensätze setzten sich aus 98 Befragten aus KMU und 532 Befragten aus Großbetrieben zusammen.
Im zweiten Schritt die Ergebnisse der quantitativen Analyse im Rahmen einer qualitativen Erhebung (in Form von Experteninterviews) vertieft und im relevanten Kontext der Unternehmen verortet (Kelle 2022; Kuckartz 2014; Mayring 2001) (Abb. 2). Dabei wurde die zweite Forschungsfrage F2 berücksichtigt: Welche Herausforderungen ergeben sich speziell für KMU? Die Literatur bietet auch für diese Fragestellung nur wenige konkrete Erkenntnisse für KMU. Dabei wurde speziell das verarbeitende Gewerbe mit der Mischung aus Präsenz- und Homeoffice-Tätigkeiten betrachtet.
Da ebenfalls zum Zeitpunkt der Forschung keinerlei empirische Befunde zum Einfluss von soziodemografischen Faktoren wie Alter, Geschlecht und Rolle im Unternehmen auf hybride Arbeitsmodelle in KMU gefunden werden konnten, wurde dies anhand der dritten Forschungsfrage F3 untersucht: Inwiefern beeinflussen soziodemografische Faktoren wie Alter, Geschlecht und Rolle im Unternehmen hybride Arbeitsmodelle in KMU? Zur Untersuchung dieser Forschungfrage wurde folgende Hypothese aufgestellt: H2: In der Praxis zeigt sich, dass soziodemografische Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Rolle im Unternehmen, einen starken Einfluss auf hybride Arbeit haben.
Um diese Hypothesen zu prüfen, wurden gemäß des Vertiefungsmodells von Philipp Mayring (2001) die gewonnenen Erkenntnisse für die qualitative Erhebung weiter aufbereitet und dafür die Methode der leitfadengestützten Experteninterviews gewählt. Zur Erstellung des Fragebogens wurden aufgestellte Annahmen zu den quantitativen Ergebnissen und das SPSS-Prinzip von Helfferich herangezogen. Der entwickelte Leitfaden wurde abschließend anhand eines Pretests geprüft (Bogner et al. 2014; Helfferich 2011).
Als geeignete Expertinnen und Experten für die Interviews wurden KMU-Beschäftigte aus dem verarbeitenden Gewerbe identifiziert, die auf Geschäftsführungs- oder Führungsebene sind, um Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenz zu gewährleisten und somit die Qualitätsgüte der Ergebnisse zu erhöhen. Daraus resultierend wurden neun Personen in einem jeweils 60-minütigen Interview, im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2022, befragt.

3.2 Datenauswertung

Für die Auswertung des aus den Umfrageergebnissen generierten Datensatzes wurde zu Beginn die deskriptive Statistik herangezogen. Dazu wurden die zentrale Tendenz, die Streuung und der Zusammenhang der Werte ermittelt (Kühl et al. 2009). Für die Analyse wurde der Gesamtindex absolut als auch prozentual für jeden Datensatz aus allen 20 Fragen des Hauptteils errechnet, um Auskunft zu geben, inwieweit die vier Dimensionen in den Unternehmen im Hybridmodell implementiert sind. Hierbei entspricht ein Datensatz einer befragten Person.
Da der Fokus nicht auf den individuellen Fragen des Assessment lag, sondern ein allgemeiner Überblick gewonnen werden sollte, wurde aus den jeweils fünf Fragen einer Dimension ein Mittelwert gebildet, sodass jede befragte Person einen Durchschnittswert für die genannten Dimensionen hatte. Die Streuung der Werte zeichnete sich in der Spannweite der Antworten im Gesamten sowie in der Spannweite der mittleren 50 % der Werte ab. Zusätzlich wurde für jede Dimension einzeln sowie für den Gesamtindex die Häufigkeitsverteilung berechnet und in einem Box-Plot oder Histogramm veranschaulicht (Kuckartz et al. 2013). Hierdurch konnten die Lage- und Streuungsmaße, einschließlich der zentralen Tendenz mit Median und Mittelwert, dargestellt werden.
Im Anschluss wurden die Merkmale „Alter“, „Geschlecht“ und Position im Unternehmen („Führungskraft“/„Mitarbeitende“) von den soziodemografischen Angaben hinzugezogen, um mögliche Korrelationen mit den Ergebnissen zu untersuchen. Nach der deskriptiven Darstellung der Ergebnisse wurde H1 auf statistische Signifikanz mit einem Signifikanzniveau von 5 % überprüft.

4 Ergebnisse

4.1 Hybrid Work Index im Vergleich KMU und Großbetriebe

Die Analyse zum Gesamtindex hybriden Arbeitens über alle vier Dimensionen hinweg ergab, dass die Mehrheit der Befragten in KMU, mit 39 %, einem hybriden Arbeiten in ihrem Unternehmen teilweise zustimmten, während bei den Großbetrieben die Mehrheit mit 47 % zustimmten. Von der Gesamtheit der Befragten stimmten insgesamt 83 % in KMU für mindestens „3 – (…) teilweise“ bis „5 – (…) voll und ganz“ einer hybriden Zustandsbeschreibung in ihrem Unternehmen zu, während dies bei Großbetrieben 92 % der Befragten taten. Im Box-Plot, lassen sich die vier Dimensionen jeweils im Vergleich KMU und Großbetriebe unterscheiden (Abb. 3). Was für die Einordnung der Bewertung alle Dimensionen wichtig ist zu verstehen, ist, wie sich das Sample im Bezug auf die Verteilung zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden zusammensetzt. Bei den untersuchten Großunternehmen, war der Anteil zwischen Führungskräften (54 %) und Mitarbeitenden (46 %) relativ ausgeglichen. Bei den KMU hingegen waren die Führungskräfte (76 %) deutlich stärker vertreten als die Mitarbeitenden (24 %). Gerade bei der Dimension Führung kommt es so zu einer Situation, dass die Führungskräfte teilweise ihre eigene Leistung als Führungskraft (3,8) bewerten und hier deutlich besser bewerten als der Durchschnitt der Mitarbeitenden (2,8). Auch in der Dimension Zusammenarbeit kommt es zu diesem Unterschied in der Bewertung der Führungskräfte (3,3) zu den Mitarbeitenden (2,4). Daher müssen wir in der Betrachtung der weiteren Auswertungen von einer leichten Verzerrung der KMU Box-Plots nach oben ausgehen, was die Aussagen dieser Arbeit allerdings nur noch mehr unterstreicht.
Zunächst fällt auf, dass Großbetriebe in allen Dimensionen leicht besser abschneiden als KMU. Die Dimension Führung wird sowohl von KMU als auch Großbetrieben am besten bewertet. 74 % der Antworten der Befragten von Großbetrieben lagen in diesem Bereich mit der Zustandsbeschreibung: „stimme zu“ sowie „stimme voll und ganz zu“. In KMU sind es 56 %, was ebenfalls die Mehrheit der Befragten darstellt. Der Median liegt in der Dimension Führung, mit 3,8 bei KMU und 4,0 bei Großbetrieben, am höchsten und auch die oberen und unteren Quartile weisen bei beiden Gruppen die höchsten Werte auf.
Die Dimension Kommunikation zeigt bei KMU, anhand der Länge der Box, die größte Streuung der mittleren 50 % (Abb. 3). Die Bandbreite der Antworten ist folglich am größten und die Antworten der Befragten sehr gemischt, was auch das tiefliegende 25 %-Quartil anzeigt (2,5). Hier scheint es demnach sehr unternehmensabhängig zu sein, wie die Dimension im einzelnen Unternehmen umgesetzt ist. Bei Großbetrieben schneidet die Dimension Kommunikation schlechter ab als Führung. Auch hier ist die Streuung der Antworten größer und zeigt die größere Bandbreite der Antworten. Der Median liegt hier bei 3,6.
Die Dimension Zusammenarbeit schneidet bei KMU am schlechtesten ab. Die Box liegt niedriger als die der anderen Dimensionen. Der Median bei KMU liegt bei 3,2 und fast 50 % der Befragten von KMU stimmen maximal teilweise einer hybriden Arbeitsweise in dieser Dimension zu. Bei Großbetrieben ist diese Dimension auf Platz drei. Die Bandbreite ist gering und der Median liegt bei 3,6, gleichauf mit den Dimensionen Kommunikation und Infrastruktur. Allerdings liegt auch hier, wie bei den KMU, das obere Quartil bei 3,8 am niedrigsten.
Die Dimension Infrastruktur zeigt bei beiden Gruppen wiederum eine größere Bandbreite der Antworten. Das 75 %-Quartil bei KMU liegt niedriger als bei Kommunikation, allerdings ist auch das 25 %-Quartil höher und zeigt somit ein gering besseres Bild als für den Bereich Kommunikation. Median und Mittelwert liegen jeweils bei 3,3. Bei den Großbetrieben schneidet die Dimension Infrastruktur am schlechtesten ab. Die Bandbreite ist groß, der Mittelwert mit 3,4 am schlechtesten und das untere Quartil mit 2,8 am niedrigsten von allen Dimensionen.
Insgesamt lässt sich erkennen, dass die Ergebnisse von beiden Gruppen, KMU und Großbetrieben, zum positiven Bereich (zwischen „3 – stimmen teilweise zu“ bis „5 – stimmen voll und ganz zu“) tendieren. Zusätzlich zeigt sich, dass KMU in den Bereichen Führung und Kommunikation genauso positive Antworten erreichen wie Großbetriebe, in allen Bereichen aber eine größere Bandbreite in den unteren Bereich aufweisen und somit noch ein gemischteres Bild der hybriden Arbeit gegeben ist. Außerdem schneiden die Bereiche Zusammenarbeit und Infrastruktur bei Großbetreiben deutlich besser ab als bei KMU, was am deutlich höher liegenden 75 %-Quartil zu erkennen ist.
Um zu überprüfen, ob dieses Ergebnis statistisch signifikant zu werten ist, wurde der Mann-Whitney-U-Test durchgeführt. Um die erste Forschungsfrage mit der Hypothese H1: KMU schneiden im Gesamtindex schlechter als Großbetriebe ab zu überprüfen, wird zunächst die Nullhypothese für den Signifikanztest formuliert: H0: Die beiden Gruppen KMU und Großbetriebe weisen keine Unterschiede im Gesamtindex auf. Das Signifikanzniveau liegt bei p = 0,05. Der Mann-Withney-U-Test liefert ein Ergebnis von p = 0,0014. Das Ergebnis ist somit statistisch signifikant. Die Nullhypothese kann verworfen werden und H1 angenommen werden. Es liegt also ein statistisch signifikanter Unterschied in der Ausgestaltung hybrider Arbeitsmodelle zwischen KMU und Großbetrieben vor.
Die Effektstärke von Cohen’s d, zur Untersuchung der Bedeutsamkeit des Unterschieds, zeigt mittels MAXQDA das Ergebnis d = 0,403, was gemäß Cohens Interpretation einem kleinen bis mittleren Effekt entspricht.
Nach Analyse der zur Verfügung stehenden Daten, schneidet die Umsetzung von Hybrid Work Konzepten in Großbetrieben besser ab. Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen ist messbar, wenngleich die Unterschiede teilweise gering sind. Die Hypothese 1 lässt sich folglich bestätigen: KMU sind im Rückstand gegenüber Großbetreiben, allerdings lässt sich nur ein leichter Unterschied erkennen.
Eine mögliche Erklärung für den Vorsprung von Großbetrieben liegt in strukturellen Gründen. Großbetriebe sind durch ihre nationalen und internationalen Vernetzungen schon länger an hybride Modelle gewöhnt. Zusätzlich ist es für Großbetriebe einfacher, auf diverse Ressourcen schnell zuzugreifen und in Veränderungsprozessen entsprechend zu reagieren. Dadurch entsteht ein gewisser Vorteil gegenüber KMU, der den Unterschied im Hinblick auf hybride Arbeitsmodelle ausmacht. Auch in der qualitativen Studie konnte diese Erklärungen reflektiert und erhärtet werden.
Dennoch stellt sich nachfolgend die Frage, inwiefern soziodemografische Merkmale ebenfalls einen Einfluss auf hybrides Arbeiten haben und ob diese neben der Unternehmensgröße einen Einfluss haben. Demnach wird im Folgenden der Einfluss von den drei soziodemografischen Merkmalen, „Alter“, „Geschlecht“ und „Führung“ auf die vier Dimensionen bei KMU untersucht.

4.2 Einfluss des Merkmals soziodemografischer Faktoren/Merkmale

4.2.1 Einfluss des Merkmals „Alter“

Bei dem Merkmal „Alter“ wurde eine Einteilung in drei Altersklassen vorgenommen. Tab. 1 zeigt die Verteilung der Befragten in KMU.
Tab. 1
Verteilung der Altersklassen in KMU. (Eigene Darstellung)
Table 1
Age distribution within the sample of SME
Altersklassen
Verteilung absolut
Verteilung %
18–29
6
6
30–44
36
37
45–59
56
57
Total
98
100
Die Dimension Führung, schneidet in allen drei Altersklassen am besten ab und ist in allen Altersgruppen nahezu gleich gut bewertet (Abb. 4). Kommunikation und Zusammenarbeit sind jeweils sehr ähnlich niedriger bewertet. Die beiden Altersklassen 18–29 und 30–44 bewerten beide Dimensionen fast gleich. Unterschiede gibt es bei den 45–59-Jährigen. Diese bewerten sowohl Kommunikation als auch Zusammenarbeit schlechter, wenngleich der Unterschied auch hier nur gering ist. Die Dimension Zusammenarbeit hat mit 3,0 den insgesamt schlechtesten Wert, während die Dimension Infrastruktur große Unterschiede je Altersklasse aufweist. Während 18–29- und 45–59-Jährige die Dimension Infrastruktur als zweitbeste Dimension bewerten, sind die 30–44-Jährigen hier am kritischsten und bewerten diese am schlechtesten.
Es zeigt sich, dass die jüngste Altersklasse diese Dimensionen, ausgenommen Führung, am besten bewertet. Ein Erklärungsansatz liegt darin, dass diese Altersklasse mit Veränderungen gut umgehen und auf die hybriden Arbeitsmodelle dynamisch reagieren kann.
Die große Diskrepanz der Ältesten wiederum zeigt ein generationsbedingtes Verständnis der Arbeitswelt. Dieses ist geprägt vom kollegialen Miteinander und einem großen Netzwerk langjähriger Beziehungen, die vom Austausch vor Ort geprägt waren. Die Umstellung auf neue vermehrt digitale Kanäle und weniger Austausch vor Ort erscheint schwierig und kann zu Überforderung führen.
Die Analyse der Experteninterviews ergab, dass das Merkmal Alter in der Dimension Zusammenarbeit die meisten Herausforderungen für KMU besitzt. Hier wird vielfach beschrieben, dass die Älteren der Belegschaft häufig etwas länger Zeit brauchten, um mit den neuen hybriden Modellen zurechtzukommen. Allerdings stellt sich auch heraus, dass es eine Frage der Denkweise ist und damit zusammenhängt, wie Personen grundsätzlich mit Veränderungen umgehen.

4.2.2 Einfluss des Merkmals „Geschlecht“

Bei dem Merkmal „Geschlecht“ gab es die Möglichkeit „männlich“, „weiblich“, „divers“ oder „keine Angabe“ auszuwählen. Von den insgesamt 98 Befragten aus KMU gaben 59 % der Befragten an, sich mit dem Geschlecht männlich, und 41 % mit dem Geschlecht weiblich zu identifizieren. Weitere Möglichkeiten der Geschlechtsidentifikation wurden nicht gewählt.
Unterschiede zwischen den Geschlechtern fallen sehr gering aus (Abb. 5). Weibliche Befragte bewerten, bis auf die Dimension Kommunikation, alle Dimensionen geringfügig kritischer als die männlich Befragten, wobei in der Dimension Führung der deutlichste Unterschied zu erkennen ist.
Für das Merkmal Geschlecht wurde der Mann-Whitney-U-Test durchgeführt, um einen signifikanten Zusammenhang zwischen den Ergebnissen und dem Geschlecht zu überprüfen. Dabei ergab sich die Nullhypothese: H0: Es besteht kein Zusammenhang zwischen Geschlecht und Gesamtindex und der Gegenhypothese: H1: Es besteht ein Zusammenhang zwischen den beiden Variablen. Für die Gesamtheit n = 632 ist p = 0,43. Bei einem Signifikanzniveau von p = 0,05 ist das Ergebnis somit nicht signifikant und es kann angenommen werden, dass kein Zusammenhang zwischen Geschlechtern und dem Ergebnis besteht.
Ergänzend zu den quantitativen Untersuchungsmethoden haben die qualitativen Experteninterviews verdeutlicht, dass die Mehrheit der Befragten keinen Einfluss des Merkmals Geschlecht auf hybride Arbeit sieht. Im Gegenzug wurde jedoch darauf hingewiesen, dass ein Einfluss eher auf unterschiedliche Persönlichkeiten und Denkweisen der Führungskräfte zurückzuführen ist.

4.2.3 Einfluss des Merkmals „Führungskraft“ oder „Mitarbeitende“

Die Auswertung der Umfrage ergab, dass 76 % der Befragten angaben, eine Führungskraft zu sein, während 24 % angaben, Mitarbeitende zu sein. Bei der Auswertung der Angaben beider Gruppen wurde ersichtlich, dass Mitarbeitende alle Dimensionen kritischer bewerten als Führungskräfte. Die größten Unterschiede treten in den Bereichen Führung und Zusammenarbeit auf (Abb. 6). In den Dimensionen Kommunikation und Infrastruktur sind die Unterschiede geringer. Der Bereich Kommunikation wird von Mitarbeitenden am besten, mit einem Wert von 3,0 und der Bereich Zusammenarbeit am schlechtesten mit 2,4 bewertet. Führungskräfte bewerten die Dimension Führung mit 3,8 am besten, die anderen drei Bereiche sind nahezu identisch bewertet und liegen alle über dem Höchstwert der Mitarbeitenden.
Mithilfe des Mann-Whitney-U-Tests konnte ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der Nullhypothese: H0: Es besteht kein Zusammenhang zwischen der Position im Unternehmen und dem Gesamtindex sowie der Gegenhypothese: H1Es besteht ein Zusammenhang zwischen den beiden Variablen, erkannt werden. Für die Gesamtheit n = 632 ist p = 0,0001 und liegt unter dem Signifikanzniveau von p = 0,05, was auf eine statistische Signifikanz des Zusammenhangs zwischen der Position und dem Gesamtindex des hybriden Arbeitens schließen lässt.
Die Auswertung der Experteninterviews ergab für diese Fragestellung (Einfluss Position auf die Wahrnehmung) das Gegenteil. Die Befragten gaben mehrheitlich an, dass die Position im Unternehmen als unerheblich eingestuft werden kann. Ein durchaus bekanntes Phänomen in diesem Zusammenhang, welches auch als Perception Gap beschrieben werden kann. Führungskräfte schätzen die Situation in hybriden Arbeitsmodellen oft signifikant anders ein, als dies sich aus der Zahlenlage ergibt (Microsoft 2022b; Bath 2022). Dennoch bot in der qualitativen Analyse eine befragte Person eine Erklärung an. Sie vermutete, dass beispielsweise Unterschiede daraus resultieren könnten, dass Führungskräfte über mehr Informationen verfügen und sich ihrer Position im Unternehmen sicherer sind. Herausforderungen speziell in dieser Hinsicht wurden nicht benannt.

5 Diskussion

5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse

Bei der Analyse des aktuellen Zustands von hybriden Arbeitsmodellen in KMU stellte sich heraus, dass diese schlechter als Großbetriebe abschneiden. Dies bestätigt die eingangs aufgestellte Hypothese H1, dass Großbetriebe hier im Vorsprung sind. Nichtsdestotrotz ist dieser Vorsprung nur gering und bestätigt die voranschreitende Entwicklung der KMU auch im Rahmen der Digitalisierung. Zahlreiche Initiativen, wie die der Bundesnetzagentur, sowie Förderprogramme von Bund und Ländern unterstützen diese fortschreitende Entwicklung und es ist zu erwarten, dass KMU in den nächsten Jahren aufholen werden. Es zeigt sich, dass das Thema Ressourcen ein Faktor für die bisher bessere Umsetzung bei Großbetrieben darstellt, allerdings kommt es auch auf die Führung, die Unternehmenskultur und Veränderungsbereitschaft eines Unternehmens an. Dies spiegelt sich in der am höchsten bewerteten Dimension Führung wider. Die Unternehmenskultur ist somit als essenzieller Treiber bei der Implementierung hybrider Arbeitsmodelle anzusehen und kann zunächst einmal durch Haltung gelebt werden, auch ohne (finanziellen) Ressourceneinsatz. Gleichzeitig bedarf es geeigneter und leicht abzurufender Ressourcen für KMU, um sich weiter entwickeln zu können und im Wettbewerb um Fachkräfte mit Großbetrieben mithalten zu können.
Gleichzeitig konnten wir mit der Auswertung der weiteren sozio-demographischen Dimensionen aufzeigen, dass nicht nur die Unternehmensgröße einen Einfluss auf die Wahrnehmung der Umsetzung des hybriden Arbeitens nimmt, sondern auch die Rolle des Mitarbeitenden einen ganz zentralen Einflussfaktor darstellt.

5.2 Welche Chancen ergeben sich speziell für KMU

Die Dimension Führung wird in KMU schneidet bei den KMU am besten ab – allerdings nur bei den Führungskräften selbst, die hier mit einem Mittelwert von 3,5 die Bewertung deutlich nach oben ziehen. Klar ist zu sagen, dass Führung eine Voraussetzung ist, um hybride Arbeitsmodelle im Unternehmen umzusetzen und einzuführen. Ein klarer Vorteil, der sich hier bei KMU erkennen lässt, ist, dass durch die kleinere Organisation der Bezug zum „Sinn und Zweck“ des Unternehmens klarer erkennbar und damit leichter kommunizierbar wird. Ein Studienteilnehmer beschrieb dies wie folgt: „Also ganz klar liegt der Ball irgendwo im Feld Führung und Kommunikation und die sind für mich untrennbar miteinander verbunden. […] Also in dem Moment, wo ich in der Firma kommuniziere, mach ich das für eine bestimmte Richtung, für ein bestimmtes Ergebnis, für einen Sinn. Und dann übe ich Führung aus. Also das sind die beiden Dinge, die sind für mich aber nicht trennbar.“ Auch dieses Statement zeigt die Klarheit, mit der die befragten Personen über ihre Mission sprechen: „Wir haben aber ein klares Bild davon, wer wir sind und welche Rolle wir in dieser Welt als Firma, als Arbeitgeber und in dieser Firma spielen.“
Ein Größenvorteil von KMU kann hier also ganz klar bei der Umsetzung des hybriden Arbeitens sein, dass der Sinn und Zweck der Organisation viel greifbarer wird für alle Mitarbeitende, da die Wege zum Erleben Wertschöpfung und zum Kunden kürzere sind. Voraussetzung dafür ist, dass die Führungskraft hier sehr aktiv kommunziert und Möglichkeiten für die Mitarbeitenden schafft, dass die kurzen Wege auch genutzt werden können. Z. B. in dem ein Innendienstmitarbeiter auch mal bei einem Kundentermin dabei sein kann oder eine Produktschulung mitmachen darf.
Die Dimension Kommunikation zeigt sich durchwachsen: Gerade bei den KMU ist die Bandbreite, wie gut Kommunikation im hybriden Umfeld funktioniert, noch groß. Unterschiedliche Denkweisen der Unternehmen zwischen agilen und hierarchischen Ansätzen bedingen die Veränderungsbereitschaft und Schnelligkeit mit der Kommunikationssysteme digital angepasst werden. Die Aspekte, die Kommunikation im Austausch vor Ort ausmachen, können nicht ohne Weiteres in digitale Strukturen überführt werden und tragen sicher zu der gemischten Bewertung hinsichtlich dieser Dimension herbei. Ein KMU Interviewpartner beschrieb diese Herausforderung wie folgt: „Kommunikation funktioniert mit all unseren Sinnen, alle fünf, Intuition sogar noch dazu, also eigentlich sechs. Was wir gerade machen, ist schon kastrierte Kommunikation. Wir sehen uns und wir hören uns. Aber ich rieche, ich schmecke, ich fühle dich nicht. Ja, da fehlen schon drei Sinne. So ein bisschen Intuition geht vielleicht, aber nicht viel.“ Dies zeigt deutlich, welche Haltung in vielen Fällen gegenüber der digitalen Kommunikation eingenommen wird – wobie diese Haltung sicherlich nicht, auf KMU beschränkt ist. Die große Chance von KMU liegt hier darin, dass gerade bei kleineren Unternehmen „echte“ hybride Modelle physisch möglich sind, da die Einzugsgebiete der Unternehmen kleiner sind, diese oft auf weniger oder nur einen Standort verteilt sind und seltener international Zusammenarbeiten müssen. Das bedeutet, dass KMU von den Voraussetzungen her leichter, niederschwelliger und kostengünstiger entscheiden können, wann eine Kommunikation in Präsent (mit allen sechs Sinnen) sinnvoll und notwendig ist und wann eine Online Kommunikation ausreicht. In großen Unternehmen sind solche Entscheidungen oft mit deutlich weiteren Wegen und damit höheren Reisekosten und mehr Zeitverlust verbunden. Dieses „echte hybride Modell“ erfordert aber natürlich das Fingersptizengefühl, welche Kontaktmomente und Kommunikationsformate von dieser mehr Präsenz stark profitieren und welche nicht. Daher ist zu empfehlen ein klares Zusammentreffens- und Kommunikationskonzept zu entwickeln, das klar regelt wer, aus welchem Anlasse, mit weg in welcher Frequenz in Präsenz zusammenkommt und wie Kommunikationskaskade in Präsenz und digital ablaufen können.
Der Bereich Zusammenarbeit lässt im Vergleich mit anderen Dimensionen am meisten Wachstumspotential zu. Hier stellte sich in den Interviews heraus, dass gerade in KMU die Qualität der Zusammenarbeit mit Kollegen oft noch sehr stark an der physischen Präsenz und an gemeinsamen Ritualen und Traditionen festgemacht wird. Zitate wie diese unterstreichen dies: „Es war ok [dass die Weihnachtsfeiern und Sommerfest wegen Corona ausfallen mussten]. Ich finde es trotzdem schade. Ich glaub, dass da was gefehlt hat für die Zusammenarbeit.“ oder „Aber wenn ich den Kollegen nur vom Papier her kenne oder wenn in einer Mail oben rechts erscheint, das ist das Gesicht dazu, entsteht kein WIR-Gefühl und keine Firmenbindung und kein corporate identity.“
Hier werden klar Bedürfnisse formuliert, denen die Unternehmen auch folgeleisten sollten. Wenn hier während der Pandemie Rituale und Traditionen verloren gegangen sind, ist es höchste Zeit, diese hochgradid Identitätsstiftenden Events wieder zu beleben. Auch sind KMU oft enger in die Gemeinschaft vor Ort, also beispielsweise den Standort und lokale Verbände und Vereine integriert – auch hier lohnt ein Blick, ob diese Netzwerke und Beziehungen – auch zu den Familien der Mitarbeitenden wieder belebt werden müssen – hier haben gerade kleinere Betriebe einen klaren Standortvorteil des „Lokalmatadors“, den es zu nutzen gilt.
Die Dimension Infrastruktur schneidet bei KMU als zweitbeste Dimension ab und die Interviewpartner gaben an, dass es durchaus eine Lernkurve zu bewältigen gab, diese aber gerade im Bereich IT gemeistert wurde: „Also es hat schon ganz schön geruckelt, bis das stabil lief, läuft mittlerweile aber stabil und souverän.“ Aus der qualitativen Analyse ergab sich, dass die meistgenannten Herausforderungen von KMU in der Dimension Infrastruktur und Zusammenarbeit liegen. Eine geeignete IT-Infrastruktur aufzubauen und Beziehungen weiterhin zu pflegen sind die Themen, die die befragten KMU am meisten beschäftigen. Weiterhin erscheint es für die Befragten schwierig, im Bereich Führung eine angemessene Orientierungshilfe im Umgang mit hybriden Arbeitsmodellen zu geben. Die Durchführung von Online-Meetings (synchrone Kommunikation), sowie das Teilen und Auffinden von Informationen stellen sich als komplexe Themen der Dimension Kommunikation dar. Auch die Einbindung der Produktion ist nicht leicht zu lösen, jedoch werden bereits Teil-Einbindungen angestrebt und umgesetzt. Teilweise wird die Möglichkeit geschaffen, administrative Aufgaben von Personen in der Produktion flexibel zu gestalten und diese im Homeoffice abarbeiten zu können.
Eine weitere spannende Frage ist, ob die befragten Experten aus KMU überhaupt einen Nachteil der KMU gegenüber Großbetrieben aus eigener Einschätzung wahrnehmen. Hier stellt sich das Bild gemischt dar: Einige der Befragten sehen Großbetriebe im Vorsprung aufgrund der vorhandenen Strukturen und Ressourcen, während die anderen Befragten Chancen in KMU aufgrund von weniger Bürokratie und schnelleren Prozessen sehen. Gemeinsam ist den Befragten, dass sie hauptsächlich im Wettbewerb um Fachkräfte einen Nachteil gegenüber größeren Unternehmen sehen. Daher sehen KMU den dringenden Bedarf, weiterhin hybride Arbeitsmodelle anbieten zu müssen, um attraktiv als Arbeitgeber zu sein.
Lediglich eine Person stellt in Frage, ob Unterschiede überhaupt an der Größe der Unternehmen festzumachen sind. Die Frage der Modernität des Unternehmens und der Denkweise steht hier im Vordergrund zur Umsetzung von hybriden Modellen. Dies wird auch durch die Untersuchung bestimmter soziodemografische Merkmale (H2), gestützt. Insbesondere die Rolle, die Mitarbeitende im Unternehmen einnehmen, wird als bedeutenderer Einflussfaktor wahrgenommen. KMU sollten daher mit Selbstbewusstsein und passend zur eigenen Unternehmung, Kultur und Historie, den Prozess des Wandels vorantreiben und nicht aufgrund des Anscheins Großbetriebe seien von vorneherein im Vorteil, resignieren.
Gleichzeitig müssen auch KMU weiter aktiv bleiben, da gerade bei KMU nach wie vor Herausforderungen im Umgang mit hybriden Arbeitsmodellen in der Praxis bestehen. Begegnungen und Kommunikation zu organisieren, muss neu gedacht werden. Die Entwicklung und Leistungsmessung der Belegschaft muss angepasst werden und im Kampf um Fachkräfte müssen attraktive Arbeitsmodelle angeboten werden. Kultur und Werte müssen aktiv gelebt werden. Missverständnisse und eine Informationsflut müssen minimiert, kreative Prozesse und Schnittstellen zur Produktion aktiv vor Ort angegangen werden. Gerade neue Mitarbeitende brauchen Unterstützung dabei, Beziehungen aufzubauen und über digitale Medien zu pflegen. Gerade das digitale Pflegen von Beziehungen erscheint für viele nach wie vor fremd und führt auf Dauer zum Verlust der Identifikation mit dem Unternehmen. Es zeigt sich, dass eine der elementaren Hürden zur Einführung hybrider Arbeitsmodelle in der technischen Umsetzung liegt. Chaotische Prozesse, steigende Komplexität sowie die Bereitstellung zweier Arbeitsplätze (eines physischen und eines digitalen) stellen KMU vor weitere Herausforderungen. Und nicht zuletzt gilt es einen fairen Umgang mit Beschäftigten zu wahren, die aufgrund der Tätigkeit zwingend vor Ort arbeiten müssen.

6 Forschungsausblick

Die vorliegende Studie ermöglichte eine Erstbetrachtung von hybriden Arbeitsmodellen im Hinblick auf KMU in Deutschland und bildet einen Ausgangspunkt für zukünftige Forschung in diesem Themenbereich. Dabei wurde evaluiert, in welchem Maß die verschiedenen Dimensionen hybrider Arbeitsmodelle in KMU bereits etabliert sind und mit welchen spezifischen Herausforderungen sie sich dabei auseinandersetzen müssen. Durch die Rohdaten der durchgeführten Umfrage konnte eine erste Ausgangslage zum aktuellen Zustand hybrider Arbeitsmodelle betrachtet und somit eine Forschungslücke geschlossen werden. Wie jedoch bereits beschrieben wurde, war die auswertbare Stichprobe für die Daten von KMU, 98 Datensätze, und Großbetrieben, 532 Datensätze, unterschiedlich groß. Daher sollte für einen detaillierten Vergleich der Unterkategorien sowie die Einbeziehung der soziodemografischen Daten in einer Folgestudie darauf geachtet werden, eine möglichst identische Stichprobengröße der beiden Gruppen zu erhalten.
Außerdem sollte in zukünftiger Forschung eine weitere Differenzierung der Stichprobe hinsichtlich des Geschlechts, aber auch der Position im Unternehmen in Erwägung gezogen werden. Neue Sample sollten so gewählt werden, dass die Verteilung zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften zumindest gleich ist, oder sogar die wirkliche Verteilung in den Unternehmen wiederspiegelt, um eine positive Verzerrung der Beurteilung durch die Führungskräfte zu vermeiden.
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Zurück zum Zitat Bath J (2022) Hybride Hindernisse. managerSeminare 291 Bath J (2022) Hybride Hindernisse. managerSeminare 291
Zurück zum Zitat Bath J, Kolodziej V (2023) Hybrid Work gestalten: Welche Faktoren ein gutes hybrides Arbeitsmodell bestimmen. In: Bath J, Winkler K (Hrsg) Haufe Fachbuch, Hybrid Work: Wie Führungskräfte Ihre Arbeitsorganisation für die Zukunft transformieren, 1. Aufl. Haufe-Lexware; Haufe,CrossRef Bath J, Kolodziej V (2023) Hybrid Work gestalten: Welche Faktoren ein gutes hybrides Arbeitsmodell bestimmen. In: Bath J, Winkler K (Hrsg) Haufe Fachbuch, Hybrid Work: Wie Führungskräfte Ihre Arbeitsorganisation für die Zukunft transformieren, 1. Aufl. Haufe-Lexware; Haufe,CrossRef
Zurück zum Zitat Hofmann J, Piele A, Piele C (2020) Arbeiten in der Corona-Pandemie – Auf dem Weg zum New Normal: Studie des Fraunhofer IAO in Kooperation mit der deutschen Gesellschaft für Personalführung DGFP e. V. Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation – IAO –, Stuttgart https://doi.org/10.24406/PUBLICA-FHG-300298CrossRef Hofmann J, Piele A, Piele C (2020) Arbeiten in der Corona-Pandemie – Auf dem Weg zum New Normal: Studie des Fraunhofer IAO in Kooperation mit der deutschen Gesellschaft für Personalführung DGFP e. V. Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation – IAO –, Stuttgart https://​doi.​org/​10.​24406/​PUBLICA-FHG-300298CrossRef
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Metadaten
Titel
Herausforderungen hybrider Arbeitsmodelle in KMU im Vergleich zu Großunternehmen
verfasst von
Prof. Dr. Johanna Bath
Kathrin Rieger, MBA
Vanessa Kolodziej, B.Sc.
Publikationsdatum
17.11.2023
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Zeitschrift für Arbeitswissenschaft / Ausgabe 4/2023
Print ISSN: 0340-2444
Elektronische ISSN: 2366-4681
DOI
https://doi.org/10.1007/s41449-023-00391-5

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