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04.11.2021 | Aus- und Weiterbildung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie Weiterbildung besser gelingen kann

verfasst von: Annette Speck

5 Min. Lesedauer

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Ohne Weiterbildung sind Herausforderungen wie Digitalisierung und Klimaschutz nicht zu bewältigen. Trotzdem kommt die berufliche Weiterbildung in vielen Firmen zu kurz. Woran es liegt und was zu tun ist.

Weiterbildung ist das Gebot der Stunde. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften verfügen dabei über diverse Möglichkeiten, diese zu fördern und gestalten – etwa durch Regelungen in Tarifverträgen oder andere Vereinbarungen. Aber insbesondere kleinere Betriebe und auch die Beschäftigten selbst sind bei der Suche nach passenden Weiterbildungsformen und -angeboten oftmals überfordert. Zu diesem Schluss kommt die Studie “Vereinbarungen der Sozialpartner zur Weiterbildung“, die das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstellt hat.

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2021 | Buch

Weiterbildungsmanagement in der Praxis: Psychologie des Lernens

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Das IAW analysierte hierfür über fünfzig Weiterbildungsvereinbarungen der Sozialpartner verschiedener Branchen und befragte Experten zu deren Wirkung in der Praxis. Im Fokus stand die Ausgestaltung und Umsetzung von Regelungen zu den zeitlichen und finanziellen Ressourcen, zum Kreis der Teilnahmeberechtigten, zu Weiterbildungsformaten sowie zu Verfahren zur Feststellung des Weiterbildungsbedarfs.

Große Unterschiede je nach Branche und Betriebsgröße

Die Studie präsentiert unter anderem Vergleichsdaten zu Beschäftigung, Tarifbindung und Weiterbildungsquoten für zahlreiche Wirtschaftsbereiche, die auf amtlichen Statistiken von 2018 und 2020 basieren. Die höchste Weiterbildungsquote von 54 Prozent Teilnehmenden an betrieblicher Weiterbildung bei einer gleichzeitig hohen Tarifbindungsquote der Beschäftigten (77 Prozent) weist demnach der Bereich Finanz- und Versicherungsdienstleistungen auf. Hier arbeiten 2,5 Prozent aller Beschäftigten.

Im beschäftigungsstarken Gesundheits- und Sozialwesen (Anteil an Gesamtbeschäftigung: 13,8 Prozent) liegt die Weiterbildungsquote indessen bei 51 Prozent, bei einer Tarifbindung von 39 Prozent. Hingegen verzeichnet das Gastgewerbe, das 5,2 Prozent aller Beschäftigten stellt (Tarifbindung 23 Prozent), die geringste Teilnahme an betrieblichen Weiterbildungen (14 Prozent). Ein möglicher Grund: Die Branche greift besonders häufig auf befristet Beschäftigte und Teilzeitkräfte zurück. Diese Gruppen haben jedoch oft keinen Anspruch auf Weiterbildung, wie die Studie feststellt. Zudem nähmen auch Beschäftigte mit geringen Qualifikationen und niedrigem Verdienst deutlich seltener an Weiterbildung teil. Und branchenübergreifend zeigt sich: Je kleiner die Firma, umso weniger Beteiligung an betrieblicher Weiterbildung.

Es mangelt an Transparenz

Die Untersuchung belegt, dass die berufliche Weiterbildung hierzulande sehr unterschiedlich gehandhabt wird. "Leider besteht wenig Transparenz über die Vereinbarungen in der jeweiligen Branche", bedauert André Schleiter, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung. Das erschwere sowohl den interessierten Firmen als auch den Beschäftigten den Durchblick. Außerdem gehöre das Thema Weiterbildung in einigen Branchen zur Verhandlungsmasse in den Verhandlungen der Sozialpartner und werde bei Bedarf zur Disposition gestellt.

Keine Zeit für Weiterbildung?

Ferner nutzen Firmen die vorhandenen Vereinbarungen der Sozialpartner zum Teil gar nicht. In einigen Branchen seien die Fachkräfte derart eingespannt, dass ihnen die Zeit zur Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen fehle, so die Studie. Diesen entscheidenden Baustein gegen den Fachkräftemangel zu vernachlässigen, ist jedoch ziemlich kurzsichtig.

Die Corona-Pandemie könnte nun allerdings durch vermehrte digitale Lernangebote einen Weiterbildungsschub bringen: Zum einen haben sehr viele Beschäftigte zwischenzeitlich gelernt, mit neuen digitalen Tools umzugehen und können deshalb auch diese Lernformen nutzen. Zum anderen sind digitale Weiterbildungen meist kostengünstiger und flexibler als Präsenzangebote. "Von diesen Möglichkeiten sollten die Sozialpartner noch viel stärker Gebrauch machen", empfiehlt Schleiter.

Tarifverträge können wichtige Impulse geben

Mit Blick auf die Politik verweist die IAW-Studie auf den “richtungweisenden“ Tarifvertrag zur Qualifizierung in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg, der zur Gründung einer Agentur zur Förderung der beruflichen Weiterbildung geführt hat. Die Studienautoren raten zu ähnlichen Initiativen und Regelungen für andere Branchen. Dabei gehe es nicht um einheitliche Regeln für alle, sondern branchenspezifische Vereinbarungen, die die Gestaltungsautonomie der Betriebspartner nicht einschränken.

Gestaltungsspielräume für Weiterbildung nutzen

Hinweise für das Herangehen an Weiterbildung liefern auch Malte Teichmann et al. in der Zeitschrift HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik. Ausführlich skizzieren sie “Herausforderungen und Handlungsempfehlungen betrieblicher Weiterbildungspraxis in Zeiten der Digitalisierung“ und stellen dabei fest, dass “bestehender inhaltlicher und pädagogischer Freiraum bei der Gestaltung von Weiterbildung oftmals nur unzureichend ausgenutzt“ wird. (Seite 512)

Gerade kleine und mittlere Unternehmen retteten sich vielfach mit kleinen Anpassungsqualifizierungen, statt die Weiterbildung strategisch anzugehen. Weiterbildung verstünden sie häufig primär als Kostenfaktor. Den Autoren zufolge findet in vielen Unternehmen aber auch keine systematische und zukunftsorientierte Qualifizierungsbedarfsermittlung statt. Die fehlende Bedarfsermittlung führe wiederum dazu, dass öffentliche Förderungen nicht genutzt werden könnten oder Gelder für irrelevante Weiterbildung eingesetzt werden.

Weiterbildung muss strategisch angegangen werden

Aufbauend auf den zahlreichen Herausforderungen und den Erfahrungen gewerkschaftlich unterstützter Weiterbildungspraxis leiten Teichmann et al. folgende Handlungsempfehlungen ab:

Handlungsempfehlungen für die betriebliche Weiterbildungspraxis (Seite 519 ff.)

Themenbereich

Handlungsbereich

praktische Maßnahmen

Unternehmensstrategie

Einführung einer systematischen Qualifizierungsbedarfsermittlung für die Personalplanung u. -entwicklung

Hierfür muss Weiterbildung als Voraussetzung für eine erfolgreiche Zukunft in der Unternehmenskultur verankert werden

  • Erstellung von Kompetenzmatrizen und -landkarten für Berufe und Tätigkeiten
  • Systematische Qualifizierungsgespräche
  • Orientierung an den Tarifverträgen Qualifizierung und Bildung

Weiterbildungsorganisation

Weiter- und Nachqualifizierung der für Organisation und Durchführung verantwortlichen Personen in punkto Digitalisierung und Pädagogik

  • Fachliche Qualifizierung durch Kooperationen mit erfahrenen Firmen sowie Universitäten
  • Pädagogische Qualifizierung durch spezialisierte Programme
  • Qualitätssicherung externer Weiterbildung durch Zusammenarbeit mit etablierten Trägern (z. B. IG Metall) und Forschungseinrichtungen
  • Auf Digitalisierung ausgerichtete, qualitative Weiterbildung z. B. in Lernfabriken mit Tagesschulungen

Weiterbildungsziele

Bereitstellung von Angeboten, die sowohl die Akzeptanz für selbstgesteuerte Kompetenzentwicklung steigern als auch den Erwerb von Techniken des selbstgesteuerten Lernens  fördern.

Unterstützung des lebenslangen Lernens

  • Angebote zum Erwerb von Kompetenzen wie Selbstreflexion, Recherche- und Lernmethoden
  • Bereitstellung spezifischer, an den Bedürfnissen der Zielgruppen orientierten Lernräume

Lehr-Lernsituation

Paradigmenwechsel von Input-Output-Weiterbildung hin zu einem Leitbild, das die Planung und Durchführung von Weiterbildung als individuelle Kompetenzentwicklung positioniert.

  • Bottom-up-Ansatz, der die Lernenden als zentralen Ausgangspunkt der Weiterbildung versteht
  • Realisierung der Weiterbildung als mehrstufigen Prozess, der die Mitarbeitenden länger begleitet
  • Einsatz von Formaten, die Reflexion und Anwendung in neuen Problemkontexten ermöglichen, z. B. durch Gamification-Ansätze, Ausprobieren in Lernfabriken, Serious Games-Elemente
  • Anreicherung des Arbeitsprozesses mit Lernmöglichkeiten (z. B. Augmented-Reality-gestützte Assistenzsysteme) bzw. Bereitstellung von am Arbeitsprozess orientierten Formaten (z. B. Lernszenarien in Lernfabriken)

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