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19.04.2024 | Emissionen | Schwerpunkt | Online-Artikel

So lässt sich der CO2-Fußabdruck standardisiert bilanzieren

verfasst von: Christiane Köllner

4:30 Min. Lesedauer

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Der Expertenkreis ETA schlägt eine optimierte Bilanzierungsmethodik für das Carbon Accounting in der automobilen Lieferkette vor. Die Vorteile: Produkte werden weltweit vergleichbar und beruhen auf präzisen Emissionsdaten. 

Der vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) berufene Expertenkreis Transformation der Automobilwirtschaft (ETA) plädiert für eine standardisierte Klimabuchhaltung in der Automobilindustrie. Die Bundesregierung solle sich für weltweit anerkannte Methoden zur Bilanzierung der Treibhausgasemissionen in den automobilen Lieferketten einsetzen, heißt es vom ETA. Bislang könnten Hersteller oft nur anhand von begrenzt aussagekräftigen Durchschnittswerten die Gesamtklimabilanz für die Fertigung ihrer Fahrzeuge abschätzen. Nach den Empfehlungen des Expertenkreises sollen stattdessen die direkt vor Ort gemessenen Emissionsdaten für jedes Produkt in der Lieferkette zur Verfügung gestellt werden.

Treibhausgas (THG)-Emissionen entlang der Automotive-Wertschöpfungskette werden als Wirtschaftsfaktor immer wichtiger, da Produkte und Unternehmen mehr und mehr nach deren CO2-Bilanz bewertet werden. Das Problem: Die Qualität der bislang verwendeten Daten und Methoden ist dafür nur begrenzt geeignet. Es fehlen zuverlässige und genaue Definitionen für relevante Parameter. Gerade für die automobile Lieferkette, eine der komplexesten und am weitesten globalisierten Lieferkette überhaupt, ist eine verlässliche Erfassung der konkreten Emissionen des einzelnen Produkts aber erforderlich – vom Erz über die einzelnen Komponenten bis zum fertigen Fahrzeug.

Carbon Accounting: Gleiches mit Gleichem vergleichen

Um das zu erreichen, müsse man von der bisherigen Praxis der Ökobilanzierung, die auf durchschnittlichen Werten beruhe, wegkommen, und stattdessen mit konkreten Daten arbeiten, betont Dr. Thomas Becker, Leiter für Nachhaltigkeit und Mobilität bei der BMW Group, in einem virtuellen Pressegespräch des ETA. Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende und Mitglied des ETA-Expertenkreises, ergänzt: "In Zukunft sollte jedes Unternehmen Primärdaten der Treibhausgasemissionen für die eigenen Prozesse erheben. Dann ist es möglich, selbst die Emissionen komplexer Wertschöpfungsketten korrekt und transparent zu erfassen". Hochfeld zufolge braucht es international harmonisierte Methoden, die zudem den Datenaustausch zwischen Branchen und Regionen erlauben. "So werden Emissionsdaten wie Finanzkennzahlen zu einer harten Währung in der Buchhaltung". 

Damit ist das Ziel klar: Dort, wo CO2 entsteht, wird es gemessen, auf die Produkte zugerechnet und auditiert – und alle, die danach in der Kette kommen (bis zum Endkunden), können sich auf die Zahlen verlassen. Genau das soll Carbon Accounting leisten. Unter diesem Begriff wird derzeit eine vollständige und in die gesamte Wertschöpfungskette integrierte Emissionsdatenerhebung diskutiert. Hierbei werden die THG-Emissionen jedes Prozessschrittes über die komplette Wertschöpfungskette erfasst und aufsummiert. Sie werden somit "als weitere Währung analog etwa zu den Herstellkosten bis zum Endprodukt abgebildet", heißt es vom ETA. Die ökobilanzielle Rekonstruktion werde "durch eine konsequente Addition in einer Bottom-up-Logik ersetzt". Eine solche Klimabuchhaltung entspreche damit einer finanzwirtschaftlichen Logik. Nicht zuletzt sollen sich damit auch Investitionen in die Vorkette beziehungsweise THG-ärmere Produkte lohnen.

Handlungsempfehlungen des ETA

Konkret hat der Expertenkreis unter anderem folgende Handlungsempfehlungen formuliert, um eine globale, harmonisierte Carbon-Accounting-Methodik für die Automobilindustrie umsetzen zu können:

  • Die Methodik zur lebenszyklusbasierten Erfassung, Berechnung und Übermittlung von Treibhausgasemissionen sollte standardisiert werden.
  • Die Erarbeitung einer Datenqualitätsbewertung aus primären und sekundären Datenquellen sollte im Rahmen eines durch das BMWK organisierten Vorhabens erfolgen.
  • Die Anschlussfähigkeit des Standardisierungsvorhabens an andere wichtige Wirtschaftsbranchen, wie etwa Stahl, Nichteisenmetalle/Aluminium und Chemie sollte sichergestellt sein.
  • Die externe Prüfung von THG-Daten sollte gemäß den rechtlichen Vorgaben standardisiert werden.

Neben den verschiedenen Handlungsempfehlungen für die Politik hat der ETA auch erste methodische Leitplanken als Kernergebnisse formuliert. Dazu gehören die Datenübermittlung und -Qualität, Allokationsregeln, das Recycling und die Energiebilanzierung. Zum einen sollten Daten über standardisierte digitale Plattformen wie Catena-X und TfS peer-to-peer weitergegeben werden, um auch insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen einfach anwendbare Kommunikationsinfrastruktur zu schaffen. Zum anderen sollten im Rahmen der Datenerfassung vorrangig Primärdaten genutzt werden. Darüber hinaus brauche es für jeden Koppelprozess, insbesondere bei branchenübergreifenden Produktionsprozessen, einheitliche Allokationsregeln für Haupt- und Nebenprodukte. Weiterhin sollten Rezyklate nur mit Recyclingemissionen in die Prozesskette eingehen, eingekaufte Energie sollte im EU-Raum grundsätzlich über einen marktbasierten Ansatz bilanziert werden.

Verständigung mit China möglich

Zentrale Voraussetzung für eine internationale Harmonisierung der Berechnungsmethodik ist aber, dass Prozesse zur Standardisierung und Verifizierung der relevanten Methoden nicht nur auf EU-Ebene erfolgen, sondern auch außerhalb Europas angestoßen werden - mit China, Japan und Korea sowie mit den USA. Doch wie realistisch ist es, dass sich zum Beispiel China auf so ein solches System verständigen kann? 

In der ETA-Arbeitsgruppe sei China ein großes Thema, wie Hochfeld im Pressegespräch erläutert. Grundsätzlich sei man zuversichtlich, was eine Einigung mit China anbelange. Denn: Das Interesse Chinas an Harmonisierung sei hoch – nicht nur von Regierungs-, sondern insbesondere von Unternehmensseite. Grund seien Überkapazitäten im chinesischen Markt was Fahrzeuge und Batterien angehe. Daher bestünde von chinesischer Seite ein hohes Interesse am Export chinesischer Produkte und daher auch die Motivation zu verstehen, wie Subventionen und Vergünstigungen in anderen Märkten reguliert werden. Schließlich wären ansonsten Handel, Austausch und wirtschaftliche Beziehungen massiv behindert.

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