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Erschienen in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 3/2023

Open Access 18.04.2023 | Schwerpunkt

Ideation Patterns für ressourcenzentrierte digitale Innovation

verfasst von: Anna-Katharina Lindenthal, Anna Maria Oberländer, Michael Rosemann, Maximilian Röglinger

Erschienen in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik | Ausgabe 3/2023

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Zusammenfassung

Digitale Transformation ist für Unternehmen in allen Branchen ein Muss und erfordert sowohl die Weiterentwicklung von bestehenden Geschäftsmodellen, als auch gleichzeitig die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle. Die Digitalisierung bietet Unternehmen hierbei zahlreiche Möglichkeiten für die systematische Wiederverwendung und Rekombination vorhandener Ressourcen (Mittel und Fähigkeiten), um innovative Lösungen zu finden und neue Wertangebote zu schaffen. Dies erfolgt durch die Nutzung interner Ressourcen, den Zugang zu geteilten Ressourcen, bspw. über Plattformen und die Einbeziehung von externen Ressourcen, bspw. von Kund*innen. Trotz der vielfältigen digitalen Möglichkeiten stellt die Generierung von Ideen für digitale Innovationen für Unternehmen eine komplexe Herausforderung dar. Dabei fällt es oft schwer, digitale Innovationen systematisch zu identifizieren, die auf der einen Seite die Verbesserung bestehender Angebote (Exploitation) berücksichtigen und auf der anderen Seite die Exploration neuer Angebote fördern (Ambidextrie) und entsprechende Anleitungen fehlen. Um Unternehmen bei der Entwicklung von Innovationsideen aus einer Ambidextrie-Perspektive zu unterstützen, stellt dieser Beitrag die relevanten Innovationstypen für etablierte Unternehmen aus einer Ressourcenperspektive vor. Der Beitrag zeigt auf, wie Unternehmen systematisch und ressourcenzentriert digitale Innovationsideen entwickeln können. Anhand von 136 digitalen Initiativen haben wir praxisrelevante Erkenntnisse für die Entwicklung von Innovationsideen abgeleitet. Abschließend sprechen wir Handlungsempfehlungen für Unternehmen aus, die vor ähnlichen (Innovations‑)Herausforderungen stehen und eine gezielte Entwicklung von digitalen Innovationen ergänzend zum bestehenden Produkt- und Service-Portfolio anstreben. Dies bietet Unternehmen Ansatzpunkte für die Anbindung an digitale Märkte und Ökosysteme sowie für die Stärkung ihre Wettbewerbsfähigkeit.

1 Ideation Patterns für die Rekombination von Ressourcen

Die Digitale Transformation betrifft einen Großteil heutiger Unternehmen und erhöht den Druck, erfolgreich digitale Innovationen zu entwickeln, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Unternehmen können sich dabei nicht länger auf die alleinige stetige Verbesserung ihres Bestandsgeschäfts verlassen. Zeitgleich zur stetigen Verbesserung ihrer bestehenden Produkte und Services werden sie gezwungen, neue Kund*innenbedürfnisse durch digitale Innovationen zu adressieren. Um dieses Spannungsfeld zwischen der Optimierung der bestehenden Wertangebote (Exploitation) und der Schaffung neuer Wertangebote (Exploration) zu meistern, bedarf es organisationaler Ambidextrie. Ambidextrie bezeichnet die Fähigkeit von Unternehmen, sowohl effizient Kernkompetenzen aus dem Bestandsgeschäft weiterzuentwickeln, sowie gleichzeitig neuartige strategische Vorhaben als Wettbewerbsvorteil zu nutzen (Duncan und Gowing 1976; Vial 2019). Unternehmen müssen daher ihre verfügbaren Ressourcen (Mittel und Fähigkeiten) systematisch und strukturiert einsetzen sowie – unterstützt durch digitale Technologien – neu kombinieren, um im digitalen Zeitalter zu bestehen.
Wenn Unternehmen im digitalen Zeitalter florieren wollen, bedarf es Ambidextrie durch die Rekombination von Ressourcen. Angetrieben durch die Verfügbarkeit digitaler Technologien und deren Kombinierbarkeit mit bestehenden Ressourcen (Yoo et al. 2010) wird es immer wichtiger zu verstehen, wie strukturiert neue Ideen entwickelt werden können. Diese Dynamik wird durch digitale Innovationen wie z. B. der Toniebox klar, einem Audiosystem speziell für Kinder in Form einer Box, welche Hörbücher bei Berührung mit einer Spielfigur durch die Nutzung von NFC abspielt. Die Toniebox nutzt bereits vorhandene Produkte und Technologien und kombiniert diese neu (z. B. existierende Hörbücher, Spielzeuge, ein Audiosystem, eine digitale Plattform sowie die Tonie-App). Indem die Gründer vorhandene Ressourcen mit digitalen Technologien kombinierten, vermeiden sie, dass die CDs ihrer Kinder verkratzt und schnell unbrauchbar werden (Tonies – Wie alles begann). Eine kreative Kombination, die den Gründern im Jahr 2021 mehr als 185 Mio. € Umsatz eingebracht hat (Boersenblatt – Tonies). Digitale Innovationen wie die Toniebox werden durch die zunehmende Anzahl und Vielfalt sowie die fortschreitende Verfügbarkeit digitaler Technologien ermöglicht und sind zudem ein neuer Konkurrent für etablierte Unternehmen, da diese gezielt verfügbare Ressourcen nutzen, um neue Ideen umzusetzen. Die Toniebox ist in diesem Zusammenhang ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit sowie die Möglichkeit, bestehende Ressourcen mit digitalen Technologien zu kombinieren.
Zur Entwicklung digitaler Innovationsideen, können Unternehmen nicht einfach bestehende Strukturen digitalisieren. Im Gegenteil: Die digitale Innovation folgt neuen Spielregeln und braucht neue Methoden, um die folgenden drei Herausforderungen zu adressieren.
1.
Neue Innovationsakteur*innen und multilaterale Beziehungen entstehen durch die Möglichkeit Kund*innen, Lieferant*innen, Partner*innenn und Konkurrent*innen auf verschiedenen Ebenen mit einzubeziehen. Traditionelle Rollen sind hierbei im Umbruch, da sich bspw. Kund*innen, Lieferanten und Partner*innen selbst aktiv in die Schaffung neuer explorativer Wertangebote einbringen (Kreuzer et al. 2022).
 
2.
Wettbewerbsfähige digitale Innovation erfordert eine Ressourcensicht, da Organisationen mit einem hohen Maß an Ambidextrie oft in der Lage sind, ihre Ressourcen optimal zu nutzen, indem sie diese sowohl zur Förderung von neuen Wertangeboten als auch zur Verbesserung bestehender Wertangebote zielgerichtet einsetzen.
 
3.
Förderung von Agilität ist wichtig, da Unternehmen, die in der Lage sind, ein Gleichgewicht zwischen Exploitation und Exploration herzustellen, oft flexibler und besser vorbereitet sind, um auf Veränderungen zu reagieren. Somit sind diese in der Lage, ihre Strategien bei Bedarf schneller anzupassen, besser auf neue Herausforderungen und Chancen zu reagieren und somit bestehenden Marktanteile zu sichern und wettbewerbsfähig zu bleiben.
 
Aktuell existieren allerdings kaum Anleitungen für die Praxis, wie ressourcenzentrierte digitale Innovationen effektiv entwickelt werden können. Bestehende Arbeiten zu dieser Thematik befassen sich vor allem mit den späteren Phasen des Innovationsprozesses. (z. B. Umsetzung oder Nutzung) (Kohli und Melville 2019). So untersuchen Briel et al. (2018), wie die Zusammensetzung digitaler Artefakte den Gründungsprozess von Unternehmen beeinflusst. Darüber hinaus zeigt die Forschung von Oberländer et al. (2021) Klassifizierungen von ressourcenzentrierten Innovationstypen auf, die Ambidextrie berücksichtigen. Die bisherige Forschung liefert zwar wertvolle Erkenntnisse zu digitalen Innovationen und der Rekombination von Ressourcen, doch fehlt es bisher an wissenschaftlich fundierten Anleitungen für Praktiker*innen.
In diesem Artikel bauen wir auf den sechs Typen ressourcenzentrierter digitaler Innovationen von Oberländer et al. (2021) auf und stellen diese vor, bevor wir zu jedem Innovationstyp fünf Ideation Patterns als Kern dieses Artikels präsentieren. Die Ideation Patterns unterstützen Organisationen und insbesondere Innovationsakteure dabei, ressourcenzentrierte digitale Innovationsideen unter Berücksichtigung der Ambidextrie strukturiert zu entwickeln. Auf diese Weise wollen wir das bisher nur vage umrissene Konzept der Rekombination von Ressourcen zur Förderung der Ambidextrie in Unternehmen greifbarer machen. Insbesondere ist es uns ein Anliegen, Praktiker*innen bei der Entwicklung ressourcenzentrierter digitaler Innovationen zu unterstützen. Abschließend erörtern wir in diesem Artikel Handlungsempfehlungen für Unternehmen, Limitationen und Anregungen zur Anwendung.

2 Sechs Typen ressourcenzentrierter digitaler Innovation

Ressourcenzentrierte digitale Innovationen erfordern eine Betrachtung aus zwei Perspektiven: Erstens, die Ressourcenperspektive (intern, geteilt, extern) und zweitens, die Ambidextrie-Perspektive (Exploitation, Exploration) (Oberländer et al. 2021). Die Ressourcen beschreiben die dem Unternehmen zur Verfügung stehenden materiellen und immateriellen Vermögenswerte sowie Fähigkeiten, die durch digitale Technologien verändert und maßgeblich erweitert werden können. Eine Ressource ist etwas, das nützlich, wertvoll für ein Unternehmen ist oder zur Herstellung von etwas anderem verwendet werden kann. Beispiele für Ressourcen sind natürliche Ressourcen (z. B. Öl, Wasser, Wälder), menschliche Ressourcen (z. B. Fähigkeiten, Wissen, Zeit) und finanzielle Ressourcen (z. B. Geld, Investitionen). Der Wert der Ressourcen leitet sich von deren Nützlichkeit für das Unternehmen ab. Es handelt sich dabei um ein subjektives Konzept, das je nach individueller Sichtweise und Bedürfnissen variieren kann. Der Wert einer Ressource kann sich im Laufe der Zeit aufgrund von Faktoren wie Angebot und Nachfrage, technologischen Veränderungen und veränderten Verbraucher*innen-präferenzen ändern.
Ressourcen spielen auch eine entscheidende Rolle für die Ambidextrie des Unternehmens (Duncan und Gowing 1976; Vial 2019). Um ein Gleichgewicht zwischen der Exploitation bestehender Angebote und der Exploration neuer Angebote zu erreichen, muss ein Unternehmen Zugang zu einer Vielzahl von Ressourcen haben, die zur Unterstützung beider Aktivitäten genutzt werden können. Die Ambidextrie-Perspektive impliziert zwei Arten Ressourcen zu nutzen. Zum einen durch die Exploitation, die darauf abzielt, bestehende Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle zu verbessern, um die Anforderungen bestehender Kund*innen oder Märkte zu erfüllen. Zum anderen beschreibt die Exploration Möglichkeiten, neue Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle zu schaffen. Die Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten von Ressourcen ist im Zusammenhang mit Ambidextrie wichtig, da verschiedene Arten von Ressourcen unterschiedliche Opportunitäten für die Bemühungen eines Unternehmens wettbewerbsfähig zu bleiben bieten. Im Folgenden stellen wir drei Ressourcenarten vor.
Interne Ressourcen beziehen sich auf die Vermögenswerte und Fähigkeiten, die ein Unternehmen innerhalb seiner eigenen Organisation besitzt, z. B. seine Mitarbeiter*innen, Technologien und Prozesse. Interne Ressourcen können zum Wertversprechen eines Unternehmens beitragen, indem sie es in die Lage versetzen, Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und zu liefern, die den Bedürfnissen der Kund*innen entsprechen. Unter der Perspektive der Ambidextrie können interne Ressourcen, wie erfahrene Mitarbeiter oder etablierte Prozesse, eine solide Grundlage für die Nutzung vorhandener Ressourcen und Fähigkeiten zur Exploitation bilden (Typ I). Interne Ressourcen können auch die Exploration eines Unternehmens unterstützen, beispielsweise durch die Einbindung von Mitarbeitenden zur Entwicklung von Innovationen (Typ IV). (Oberländer et al. 2021).
Geteilte Ressourcen sind Ressourcen, die von mehreren Organisationen oder Stakeholder*innen gemeinsam genutzt werden, wie z. B. gemeinsame Datenbanken oder Plattformen. Gemeinsam genutzte Ressourcen können den Wert der digitalen Technologie erhöhen, indem sie die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen Organisationen erleichtern, was zu größerer Effizienz und Innovation führen kann. Gemeinsam genutzte Ressourcen, können Möglichkeiten der Zusammenarbeit und des Wissensaustauschs bieten, die sowohl die Nutzung vorhandener Ressourcen und Fähigkeiten (Typ II) als auch die Erkundung neuer Möglichkeiten und Innovationen unterstützen können (Typ V). (Oberländer et al. 2021).
Externe Ressourcen beziehen sich auf Ressourcen, die sich außerhalb der Kontrolle eines Unternehmens befinden und nicht direkt vom Unternehmen kontrolliert oder verwaltet werden, wie z. B. der Markt, die Lieferanten und das gesetzliche Umfeld. Externe Ressourcen können den Wert der digitalen Technologie beeinflussen, indem sie sich auf die Verfügbarkeit von Ressourcen und die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen auswirken. Externe Ressourcen, wie Partnerschaften oder Kooperationen, können Zugang zu neuen Technologien oder Märkten verschaffen, die einem Unternehmen helfen können, bestehende Wertangebote zu verbessern (Typ III) oder neue Möglichkeiten zu erkunden und Innovationen zu entwickeln (Typ VI). (Oberländer et al. 2021).
Abb. 1 stellt den Zusammenhang zwischen Ressourcen und Ambidextrie dar und zeigt auf, wie die sechs Innovationstypen sich daraus ableiten. Die Abbildung basiert auf der Taxonomie von Oberländer et al. (2021). Die Beschreibung der sechs digitalen Innovationstypen wird anhand des Beispiels der Toniebox verdeutlicht.
  • Typ I – Internal Exploitation umfasst digitale Innovationen, die auf die Verbesserung bestehender Angebote abzielen, indem interne Ressourcen rekombiniert werden. Bsp.: Interne Ressourcen – insbesondere die digitalen Fähigkeiten bei der Schaffung der Toniebox – können für den Aufbau einer Website und eines Webshops genutzt werden.
  • Typ II – Shared Exploitation umfasst digitale Innovationen die sich auf Produkte und Dienstleistungen, an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kund*innen befinden und Informations- und Wissenstransfer ermöglichen. Dies wird durch die Digitalisierung vorhandener Ressourcen möglich, welche dazu führt, dass das Unternehmen, eine neue Interaktionsschnittstelle zu Kund*innen hat. Bsp.: Die Toniebox als geteilte Ressource und Schnittstelle zu den Kund*innen ist im Rahmen der Corona-Pandemie für eine Kooperation mit dem Norddeutsche Rundfunk (NDR) genutzt worden.
  • Typ III – External Exploitation umfasst digitale Innovationen die externe Ressourcen nutzen, um neue Vertriebswege zu erschließen, sowie die Nutzung externer Ressourcen, um interne Ressourcen zu ersetzen. Bsp.: Der NDR stellte Hörspiele aus dem Radio für die Toniebox als externe Ressource zur Verfügung dies wurde ermöglicht durch die Tonies Onlineplattform und die onlinefähige Toniebox selbst.
  • Typ IV Internal Exploration: umfasst digitale Innovationen die bestehende interne Fähigkeiten auf neue Märkte übertragen und die Nutzung bestehender interner Ressourcen umlenkt. Bsp.: Die internen Designfähigkeiten des Teams und die finanziellen Ressourcen können genutzt werden um neue Angebote rund um die Toniebox zu schaffen, bspw. Taschen, Regale, etc. zum Transport und der Aufbewahrung und damit eine neue Möglichkeit der Unterhaltung von Kindern im Auto schaffen.
  • Typ V – Shared Exploration: umfasst digitale Innovationen welche gemeinsame digital vernetzter Ressourcen nutzen, indem der Zugang zu neuen Kund*innengruppen ermöglicht wird. Bsp.: Die Toniebox als Schnittstelle zu den Kund*innen kann genutzt werden, um Podcasts für die Eltern anzubieten.
  • Typ VI – Externe Exploration: umfasst digitale Innovationen welche externe Ressourcen zur Schaffung neuer Angebote nutzen sowie die Einbindung von Kund*innen in die Wertschöpfung. Bsp.: Die Kooperation und Einbindung der externen Ressourcen von Disney ermöglicht es neue Hörangebote zur Verfügung zu stellen sowie eine neue Zielgruppe zu adressieren. Gleichzeitig wurde eine AR-unterstütze Kampagne genutzt um neuen Disney Kund*innen ein möglichst reales, aber digitales Erlebnis zu bieten, um die neuen Audiofiguren und die Toniebox vorzuführen und sich dabei aktiv in einer durch Social Media ermöglichten Community auszutauschen.

3 Ideation Patterns für ressourcenzentrierte digitale Innovationen

Im Folgenden stellen wir die 30 Ideation Patterns als Stimuli für die Rekombination von Ressourcen zur Generierung digitaler, exploitativer und explorativer Innovationsideen vor. Zudem geben wir Unternehmen Leitfragen für die Ideengenerierung an die Hand. Dabei haben wir unsere Ideation-Patterns aus 137 realen digitalen Initiativen abgeleitet und abstrahiert, die während des Entwicklungsprozesses der Taxonomy von Oberländer et al. (2021) identifiziert wurden. Während sich der Artikel von Oberländer et al. (2021) auf die Taxonomie, Innovationstypen und sogenannte stilisierte Fakten (einen pro Innovationstyp) fokussiert, stehen in diesem Artikel die Ideation Patterns1 und Leifragen im Vordergrund. Leitende Fragen bei der Entwicklung der Ideation Patterns waren: Was macht die digitale Initiative innovativ und trägt zur Exploitation oder Exploration des Wertangebots eines etablierten Unternehmens bei? Wie kann die beobachtete digitale Initiative von ihrem spezifischen Kontext entkoppelt und der zugrunde liegende abstrahierte Prozess als Leitfaden für die Schaffung digitaler Handlungsmöglichkeiten in anderen Kontexten verwendet werden? Die Beantwortung dieser Fragen von den Autoren in einer ersten Iteration führte zu mehr als 50 detaillierten Ideation Patterns. Die Ideation Patterns wurden dann iterativ mit den Erkenntnissen aus den Initiativen modifiziert. Schließlich wurde eine konzeptionelle Sättigung erreicht, als keine weiteren Ideation Patterns mehr abgeleitet werden konnten und Ideation Patterns für alle sechs Innovationstypen vorhanden waren. An diesem Punkt bewerteten die Autoren die Ideation Patterns anhand verschiedener Kriterien (bspw. Verständlichkeit, Anwendbarkeit, einheitliches Abstraktionslevel, etc.), und so folgte eine weitere Iteration, die zu einem endgültigen Satz von 30 einheitlichen Ideation Patterns führte (d. h. fünf pro Innovationstyp). Während dieses iterativen und qualitativen Gruppierungsprozesses diskutierten die Autoren alle Ideation Patterns und stimmten sich in Bezug auf die Verfeinerung und Gruppierung ab. Darüber hinaus entwickelten die Autoren Leitfragen für die Ideation Patterns, um deren Anwendbarkeit für eine effektive Ideenfindung zu unterstützen.
Im Folgenden werden die Ideation Patterns entlang der sechs Innovationstypen vorgestellt und zeigen auf wie die Berücksichtigung von der Ambidextrie- und Ressourcenperspektive systematisch genutzt werden kann, um Innovationsideen zu kreieren. Die jeweils je Innovationstyp fünf zugehörigen Ideation Patterns in den folgenden sechs Tabellen verdeutlichen die Berücksichtigung existierender Unternehmensressourcen als Grundlage für die Ideengenerierung. Das angewandte Vorgehen wird mit Hilfe eines Beispiels für ein lokales Café entlang der sechs digitalen Innovationstypen beschrieben, hierbei werden je Innovationstyp exemplarisch Innovationsideen für zwei Ideation Patterns vorgestellt.
Typ I – Internal Exploitation
Internal Exploitation führt zur Verbesserung bestehender Angebote, entweder durch die Einrichtung allgegenwärtiger, erweiterter oder autonomer Interaktionen zwischen Unternehmen und Kund*innen (z. B. Virtual Reality Küchenbesichtigung von IKEA), durch die Individualisierung von Produkten/Dienstleistungen (z. B. Nutella-Aufstrich als Social Media Kampagne zur individuellen Gestaltung der Verpackung) oder durch die Vorhersage von Kund*innenbedürfnissen und die entsprechende Reaktion darauf (z. B. Amazon Prime Now durch Analyse der Daten Produkte empfehlen mit „andere Kund*innen interessierten sich für“). Ein Beispiel für eine digitale Initiative aus der Praxis umfasst das deutsche Automobilunternehmen BMW, das mit dem iVisuliazer arbeitet, welcher es Kund*innen ermöglichen, die Autoausstattung in einem virtuellen Kontext zu testen. Dies erleichtert die frühzeitige Einbindung der Kund*innen und personalisiert das Kund*innenerlebnis (Tab. 1).
Tab. 1
Typ I – Ideation Patterns und Leitfragen für die Internal Exploitation
Typ I Interne Ressourcen für die Exploitation
#
Ideation Patterns
Leitfragen
1
Allgegenwärtige Interaktion
Wie kann die Exploitation gestärkt werden auf der Basis interner Ressourcen durch …
… den Ausbau bestehender Interaktionsmöglichkeiten zu omnipräsenten Kontaktmöglichkeiten?
2
Erweiterte Interaktion
… die digitale Erweiterung von Interaktionen bspw. zur Gestaltung oder zum Test von Produkten?
3
Automatisierte Interaktion
… die Ermöglichung datengetriebener Empfehlungen und Hilfestellungen?
4
Individualisierte Produkte/Services
… die Individualisierung von Produkten und Dienstleistungen?
5
Vorhersage der Kund*innenbedürfnisse
… die Vorhersage von Kund*innenbedürfnissen und ein angemessenes proaktives Handeln?
Im Innovationsworkshop kann das Café als Beispielunternehmen zur Internal Exploitation eine online Vorabbestellung des Kaffees als erweiterte Interaktion anbieten oder Kund*innen anbieten, ihren eigenen Kaffeemix zusammenzustellen als individualisiertes Produkt.
Typ II – Shared Exploitation
Shared Exploitation bezieht sich auf die Nutzung geteilter Ressourcen, die sich an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kund*innen befinden und neue Services durch Informationsaustausch ermöglichen. Ein Beispiel für eine solche Ressource ist die digitale Zahnbürsten von Oral B, welche durch die online Fähigkeit eine Vernetzung zwischen Kund*innen und Unternehmen ermöglicht. Das erste Ideation Pattern bezieht sich daher auf die Digitalisierung bestehender Ressourcen. Dies reicht von der Digitalisierung physischer Bücher (z. B. Kindle als eReader) bis zur Vernetzung von LEGO-Steinen (z. B. LEGO Boost als Roboter welcher mit einer LEGO Plattform vernetzt werden kann) oder Autos (z. B. BMW Connected Drive als digitalen Dienste, die das Fahrzeug intelligent mit der Außenwelt vernetzen). Darüber hinaus können diese physischen oder virtuellen Ressourcen zur Exploitation genutzt werden, indem ihre Nutzung überwacht und kontrolliert oder analysiert und interpretiert wird (z. B. Bosch Smart Home App mit Auswertungen zum Energieverbrauch im Haushalt und Handlungsempfehlungen). Alternativ können geteilte Ressourcen genutzt werden, um (Inter‑)Aktionen zwischen dem Unternehmen, seinen Kund*innen und gemeinsamen Ressourcen zu empfehlen oder zu automatisieren, wie bspw. automatische Software-Updates von Tesla (Tab. 2).
Tab. 2
Typ II – Ideation Patterns und Leitfragen für die Shared Exploitation
Typ II Geteilte Ressourcen für die Exploitation
#
Ideation Patterns
Leitfragen
6
Digitalisierung bestehender Ressourcen
Wie kann die Exploitation gestärkt werden auf der Basis geteilte Ressourcen durch …
… die Ausstattung von Sensorik und Aktorik bestehender Ressourcen?
7
Überwachung und Kontrolle der Nutzung
… das Sammeln, Bereitstellen sowie die Auswertung der Daten?
8
Analyse und Interpretation der Nutzung
… die Analyse und semantische Interpretation der Nutzung?
9
Empfehlungen für (Inter‑)Aktionen
… die Empfehlung von datenbasierten (Inter‑)Aktionen?
10
Automatisierung von (Inter‑)Aktionen
… die Automatisierung von (Inter‑)Aktionen?
Im Innovationsworkshop kann das Café als Beispielunternehmen zu Shared Exploitation ein bereits bestehendes Bonusprogramm (bspw. der zehnte Kaffee ist gratis) in Form einer App als Digitalisierung bestehender Ressourcen adressieren. Zudem kann eine solche App genutzt werden um Daten über Kund*innen und deren Präferenz zu sammeln und darauf basierende Benachrichtigungen als Empfehlung für den nächsten Kaffee oder passenden Kuchen zum Kaffee zu senden.
Typ III – External Exploitation
Die External Exploitation baut auf externen Ressourcen in Form von Kund*innen oder Gemeinschaften auf, indem sie interne operative (z. B. Wikipedia Crowdsourcing zur Finanzierung der Angestellten) oder kreative Ressourcen (z. B. Wikipedia Crowdsourcing zur Erstellung von Inhalten) ersetzen und somit neue Angebote schaffen. Darüber hinaus können Wertangebote gestärkt werden, indem vernetzte Kund*innen ihr Vertrauen (z. B. Utra-Kund*innenfeedback in der virtuelle Make-up-Anprobe „Glamlab“) oder ihre Leistungserfahrungen (z. B. eToro CopyFunds als Möglichkeit die gewählten Anlagen und Funds anderer Investor:innen für das eigene Depot zu kopieren) teilen können. Des Weiteren ermöglicht ein Marktplatz den etablierten Unternehmen, Verbindungen zwischen Kund*innen zu fördern, um das bestehende Portfolio zu erweitern (z. B. H&M bring it on als Sammelstelle für genutzte Kleidung). Beispiele für digitale Technologien in diesem Zusammenhang sind soziale Medien und digitale Plattformen. Eine entsprechende digitale Initiative aus der Praxis ist Rewe’s – Lebensmittellieferprogramm, bei dem die Waren digital ausgewählt und bestellt werden (Tab. 3).
Tab. 3
Typ III – Ideation Patterns und Leitfragen für die External Exploitation
Typ III Externe Ressourcen für die Exploitation
#
Ideation Patterns
Leitfragen
11
Ersetzen operativer Ressourcen
Wie kann die Exploitation gestärkt werden auf Basis externen Ressourcen durch …
… das Einbeziehen von externen Partner*innen als operative Ressource?
12
Ersetzen kreativer Ressourcen
… das Einbeziehen von externen Partner*innen als kreative Ressource bspw. über Plattformen?
13
Kund*innen für Vertrauen gewinnen
… die Adressierung der Kund*innen, um Vertrauen zu gewinnen?
14
Kund*innen für Leistung gewinnen
… die Verbindung mit Kund*innen, um gemeinsam ein Ziel zu erreichen?
15
Erweiterung des Portfolios durch einen Marktplatz
… die Erweiterung des Portfolios mithilfe des Marktplatzes (gleiches Angebot, anderer Lieferant)?
Im Innovationsworkshop kann das Café als Beispielunternehmen zu External Exploitation Kund*innen für die Gestaltung von Kaffeebechern und neuen Spezialeditionen für Getränke als kreative Ressource mit einbeziehen. Zudem könnte das Café ein Catering anbieten um das gleiche Angebot außerhalb des Cafés anzubieten als Erweiterung des Portfolios durch einen Marktplatz.
Typ IV Internal Exploration
Die Internal Exploration schafft durch Nutzung interner Ressourcen neue Angebote. Dies erfolgt entweder durch Externalisierung, Übersetzung oder Übertragung bestehender interner Fähigkeiten auf neue Märkte (z. B. Amazon als digitaler Buchhändler bietet die ursprünglich interne Lösung der Amazon Web Services (AWS) in global verteilten Rechenzentren als Cloud-Plattform an) oder durch Steigerung oder Umleitung der Nutzung bestehender interner Ressourcen (z. B. Netflix ursprünglich als reiner Streaming-Anbieter nutzt internes Wissen um selbst Inhalte zu produzieren basierend auf dem Wissen zum Streamingverhalten der Kund*innen). Der Unterschied zwischen Externalisieren, Übersetzen und Übertragen bezieht sich auf die Anpassung und Erweiterung von Fähigkeiten auf andere Kontexte. Während bspw. Pixar seine Render-Man-3D-Filmtechnologie mehr oder weniger direkt an externe Kund*innen vermarkten konnte (externalisieren), musste Singapore Post seine internen Logistikfähigkeiten als Post auf den E‑Commerce-Kontext für neue Dienstleistungen bspw. durch ein Web-Front-End erweitern (Tab. 4).
Tab. 4
Typ IV – Ideation Patterns und Leitfragen für die Internal Exploration
Typ IV Interne Ressorucen für die Exploration
#
Ideation Patterns
Leitfragen
16
Externalisierung von Fähigkeiten
Wie kann die Exploration gefördert werden auf Basis interner Ressourcen durch …
… die Ausweitung interner Fähigkeiten auf denselben oder einen anderen Markt?
17
Übertragung von Fähigkeiten
… die Übertragung interner Fähigkeiten auf andere Märkte?
18
Übersetzen von Fähigkeiten
… die Übersetzung interner Fähigkeiten auf andere Märkte?
19
Steigerung der Asset Nutzung
… die Erhöhung der internen Nutzung von Vermögenswerten?
20
Diversifikation der Asset Nutzung
… die Umwidmung interner Ressourcen in alternative Anwendungen?
Im Innovationsworkshop kann das Café als Beispielunternehmen zur Internal Exploration bereits bestehende Barista-Fähigkeiten extern anbieten als Barista-Seminar in dem die Zubereitung verschiedener Kaffees als neues Wertangebot zur Verfügung steht. Zudem kann das Café einen Teil ihre lokale Filiale Unternehmen als modernen hybriden Arbeitsplatz zur Miete anbieten und schafft so durch die Diversifikation der Asset Nutzung ein neues Wertangebot.
Typ V Shared Exploration
Die Shared Exploration bezieht sich auf die Nutzung geteilter Ressourcen, um neue Angebote zu schaffen, z. B. die Digitalisierung neuer Vermögenswerte (z. B. Amazon Echo als smarter Lautsprecher und Schnittstelle zum Kund*innen). Neue Wertangebote können dann den Kund*innenkontext nutzen, um Einblicke zu gewähren (z. B. Toto-Diagnosetoilette mit zusätzlicher Funktion, welche bei Nutzung der Toilette auf gesundheitliche Auffälligkeiten prüft), oder nahtlosen Zugang zu Kund*innen über gemeinsam genutzte Ressourcen zu erhalten (z. B. Qantas Pet Sitting nutzt die Daten der Fluggäste und bietet als neuen Service die Vermittlung mit lokalen Anbietern zum Haustiersitting). Darüber hinaus können digital geteilte Ressourcen verwendet werden, um sich mit ganzen Ökosystemen zu verbinden oder diese sogar zu kontrollieren. Der One Account von dem chinesischen Versicherungsunternehmen Ping An nutzt geteilte technische Schnittstellen um neben den Versicherungsdaten der Kund*innen weitere Daten bspw. zu Bankaccounts aus verschiedenen Quellen in ein einfaches Dashboard zu überführen um den Kund*innen einen nahtlosen Zugang zu ihren Daten zu ermöglichen (Tab. 5).
Tab. 5
Typ V – Ideation Patterns und Leitfragen für die Shared Exploration
Typ V Geteilte Ressourcen für die Exploration
#
Ideation Patterns
Leitfragen
21
Digitalisierung neuer Ressourcen
Wie kann die Exploration gefördert werden mit geteilten Ressourcen durch …
… die Digitalisierung von Produkten und Services von Partner*innen bspw. um Daten zu erheben?
22
Nutzung des Kund*innenkontexts für Erkenntnisse
… die Erweiterung von bereits vorhandenen Kontaktpunkten zu Kund*innen um neue Produkte/Services anbieten zu können?
23
Zugang zu den Kund*innen erleichtern
… den Kund*innen einen barrierefreien Zugang an verschiedenen Orten zu bieten, um mit dem Unternehmen zu interagieren?
24
Verbindung von Ökosystemen
… die Verbindung mit bestehenden Ökosystemen welche die Reichweite zu neuen Partner*innen und Kund*innen erhöht?
25
Kontrolle von Ökosysteme
… die Kontrolle von Ökosystemen durch das Anbieten von Plattformen und die Verwaltung von Zugängen?
Im Innovationsworkshop kann das Café als Beispielunternehmen zur Shared Exploration den bereits bestehenden Zugang zu Kund*innen nutzen, um durch eine Datenschnittstelle zur Fitness-App bspw. Empfehlungen zur richtigen Konsummenge vom Kaffee pro Tag abzugeben. Dabei kann die Nutzung des Kund*innenkontexts bspw. Probleme beim Einschlafen für Erkenntnisse herangezogen werden, um entsprechend alternative Heißgetränke anzubieten. Darüber hinaus könnte das lokale Café digitale Touren/Tourguides von Sehenswürdigkeiten in der Nähe anbieten durch Kooperationen mit den jeweiligen Betreibern und entsprechend die Sehenswürdigkeiten auf den Kaffeebechern als Werbefläche und neues Wertangebot bewerben.
Typ VI – External Exploration
Die External Exploration bezieht sich auf externe Ressourcen, welche auch genutzt werden können, um neue Angebote zu schaffen, z. B. indem Kund*innen das bestehende Portfolio erweitern (z. B. AMEX for Developers als Zugang zu APIs um neue Ideen wie Betrugspräventionstools zu testen und anderen zur Verfügung zu stelle) oder ergänzen (z. B. IKEA Interior Design zur Hilfe bei der Gestaltung und Einrichtung von gewerblich genutzten Geschäftsräumen), oder indem Kund*innen in die gemeinsame Entwicklung (z. B. Thermomix Recipe Community um Rezepte für das Gerät auszutauschen) oder Innovation (z. B. LEGO Ideas als Plattform auf der Nutzer*innen neue Ideen einbringen können, welche dann umgesetzt werden) einbezogen werden. Außerdem kann ein Marktplatz ein bestehendes Portfolio ergänzen, indem er Kund*innen miteinander verbindet, wie das Beispiel von BMWs ChargeNow zeigt. Ein weiteres Beispiel ist Thermomix, das seine Kund*innen in einer Rezept-Community zusammenbringt, in der sie neue Rezepte austauschen und gemeinsam kreieren können. Externe Explorationsmöglichkeiten setzen so die komplementären Kräfte von Kund*innen und Gemeinschaften frei, die innovative Dienstleistungen schaffen, die das Primärprodukt ergänzen (Tab. 6).
Tab. 6
Typ VI – Ideation Patterns und Leitfragen für die External Exploration
Typ VI Externe Ressourcen für die Exploration
#
Ideation Patterns
Leitfragen
26
Kund*innen können Produkte/Dienstleistungen erweitern
Wie kann die Exploration gefördert werden mit externen Ressourcen durch …
… die Schöpfung von individuellen Produkten/Dienstleistungen mit Hilfe von Kund*innen?
27
Kund*innen das Portfolio vervollständigen lassen
… die Erweiterung bestehender Produkte und Services mit Hilfe von Kund*innen?
28
Kund*innen für die Mitgestaltung aktivieren
… die kontinuierliche Mitgestaltung und Co-Kreation von Kund*innen?
29
Kund*innen für Innovationen aktivieren
… die Definition und frühzeitige Nutzung von Kund*innen in den eigenen Innovationsprozess?
30
Portfolio mit Marktplatz vervollständigen
… die Ergänzung des bestehenden Portfolios durch den Marktplatz?
Im Innovationsworkshop kann das Café als Beispielunternehmen zu External Exploration eine digitale Plattform bieten auf welcher Kund*innen eigene neue Kaffee- und Kuchen-kreationen teilen können welche im Rahmen von Ideenwettbewerben dann ausgewählt und im Café angeboten werden als Erweiterung des Portfolios. Zudem könnte das Café Kund*innen mit verschiedenen Expertisen für kurze Expertenvorträge einladen, an denen man mit Kauf eines Tickets oder Heißgetränks teilnehmen kann oder andere Unterhaltungsformate wie kuratierte Blind-Date-Sessions anbieten.

4 Anwendung der Ideation Patterns in einem Innovationsworkshop

Im Rahmen eines ein- oder mehrtägigen Innovationsworkshops können die Ideation Patterns genutzt werden, um unter Einbezug der Ambidextrie- und Ressourcen-Perspektive digitale Innovationsideen zu entwickeln. Dabei dienen die Ideation Patterns als Ergänzung zu etablierten Innovationsmethoden. Die drei Ziele eines solchen Workshops sind es, erstens einen Überblick zu Chancen und Herausforderungen der Ambidextrie sowie Bedeutung methodischer Ansätze zur Ideengenerierung zu geben. Zweitens, den neuen Ambidextrie basierten Ansatz zur Generierung von Innovationsideen für etablierte Unternehmen vorzustellen. Drittens, die Anwendung und Entwicklung erster unternehmensspezifischer Innovationsideen zu unterstützen.
Um diese drei Ziele zu erreichen, sollte der Workshop mit einer übergreifenden Motivation und Einführung in die Relevanz der Ambidextrie für ressourcenzentrierte Innovationsideen starten. Anschließend sollten die sechs Innovationstypen vorgestellt und mit Hilfe der Leitfragen und Beispielen aus der Praxis aus diesem Artikel erklärt werden. Darauf aufbauend können die einzelnen Innovationstypen nacheinander mit Hilfe eines Beispiels gemeinsam im Plenum durchgegangen werden. Danach empfiehlt es sich, in Kleingruppen von ca. fünf Teilnehmenden die sechs digitalen Innovationstypen für das eigene Unternehmen mit den Ideation Patterns und Leitfragen als Stimuli durchzugehen. Die Teilnehmenden können hierbei überlegen, welche Ressourcen dem Unternehmen vorliegen, wie diese mit digitalen Technologien verknüpft werden können. Die Ergebnisse der Kleingruppen können dann im Plenum vorgestellt werden. Im Folgenden können dann basierend auf den priorisierten Innovationsideen diese weiter detailliert und ausgearbeitet sowie in den jeweiligen Innovationsprozess des Unternehmens überführt werden. Abb. 2 stellt eine exemplarische Agenda für einen Innovationsworkshop dar.

5 Evaluation der Ideation Patterns

Um die 30 Ideation Patterns zu evaluieren, wurden Workshops mit 13 internationalen Praktiker*innen aus verschiedenen Geschäftsbereichen eines globalen Unternehmens in der Spezialglas- und Glaskeramikindustrie durchgeführt. Die Heterogenität der Teilnehmenden ermöglichte es, verschiedene Perspektiven und Meinungen von Interessengruppen in den Ideenfindungsprozess einzubeziehen. Zu den Teilnehmern gehörten Mitarbeiter*innen der Unternehmen, mit Erfahrung aus verschiedenen Unternehmensbereichen und Wissen und Zugang zu unterschiedlichen Ressourcen.
Das Ziel der Workshops war klar definiert: exploitative und explorative Ideen für neue Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln. Während der Workshops nutzten die Teilnehmer*innen jedes der 30 Ideation Patterns und entwickelten Ideen, wie das Unternehmen seine Ressourcen zur Verbesserung oder Erneuerung ihrer Wertversprechen nutzen könnte. Insgesamt war die Evaluation der sechs Ideation Patterns im Rahmen der Workshops mit Praktiker*innen erfolgreich. Die Ideation Patterns und Leitfragen erwiesen sich als wirksames Instrument, um die Ressourcen des Unternehmens an seinen Zielen auszurichten und ein Gleichgewicht zwischen der Nutzung vorhandener Ressourcen zur Exploitation und Exploration herzustellen. Dies wurde mit Hilfe von einem Fragebogen am Ende des Workshops evaluiert (vgl. Abb. 3). Mit den ersten vier Fragen haben die Teilnehmenden die Ideen selbst bewertet. Die Beurteilung ist in Summe als positiv zu bewerten und die Teilnehmenden schätzen die entwickelten Ideen mit einem hohen Nutzen für die Kund*innen sowie gut umsetzbar für das Unternehmen ein. Die letzten beiden Fragen bewerten die Ideation Patterns selbst. Hier ist festzustellen, dass alle Teilnehmenden (stark) zustimmen, dass die Ideation Patterns bei der Entwicklung explorativer und exploitativer Ideen helfen. Die hohe Zustimmung und erfolgreiche Anwendung im Workshop demonstriert zudem eine gute Anwendbarkeit der Ideation Patterns und Leitfragen. Es ist jedoch zu bedenken, dass die Ergebnisse durch verschiedene Faktoren wie die Merkmale der Befragten, den Kontext des Workshops und die Formulierung der Fragen beeinflusst werden können.

6 Übergreifende Handlungsempfehlungen für die Praxis

Ambidextrie und ressourcenzentrierte digitale Innovationen gewinnen im digitalen Zeitalter zunehmend an Bedeutung. Sie können die Grundlage für innovative, digitale Geschäftsmodelle bilden. Darüber hinaus sind Unternehmen wie die Toniebox neue Konkurrenten, welche die Relevanz von geteilten Ressourcen sowie externen Ressourcen verdeutlichen. Der vorliegende Beitrag geht auf 30 Ideation Patterns ein, damit Praktikern die Generierung von zum Unternehmen passenden digitalen Innovationsideen gelingt. Neben einer grundlegenden Vorstellung der bei der Ideengenerierung zu berücksichtigenden Ambidextrie-Perspektive, wurden Leitfragen als Operationalisierungsmöglichkeiten vorgestellt. Basierend auf den Ergebnissen, konnten drei Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Diese können Unternehmen, die vor (Innovations‑)Herausforderungen stehen, bei ihren Vorhaben unterstützen.
  • Ideation Patterns und Leitfragen als Stimuli für die Entwicklung von digitalen Innovationsideen: Die Ideation Patterns können dabei helfen zu erkennen, wie die Ressourcen (neu) eingesetzt werden können, um die Ideenfindung zu stimulieren sowie neue Denkweisen anzuregen. (Oberländer et al. 2021)
  • Innovationstypen als Strukturelement zur Entscheidungsunterstützung: Durch die Unterscheidung zwischen verschiedenen Innovationstypen kann ein Unternehmen fundierte Entscheidungen über die eigenen Ressourcen treffen, um Ambidextrie zu erreichen. Ein Unternehmen kann sich beispielsweise dafür entscheiden, in die Exploitation mit Hilfe vorhandener interner Ressourcen zu investieren (Typ I). Gleichzeitig können externe und gemeinsam genutzte Ressourcen zur Exploration genutzt werden (Typ V und Typ VI). Insgesamt kann die Unterscheidung zwischen verschiedenen Innovationstypen einem Unternehmen helfen, die zur Verfügung stehenden Ressourcen besser zu verstehen und fundiertere Entscheidungen darüber zu treffen, ob der Schwerpunkt auf die Exploitation oder Exploration gelegt wird.
  • Digitale Technologien als branchenübergreifendes Bindeglied: Digitale Technologien können Unternehmen außerdem dabei helfen, effektiver mit Partnern und Stakeholder*innen zusammenzuarbeiten, was zur Schaffung neuer Ressourcen führen kann. Darüber hinaus können Unternehmen branchenübergreifend von Beispielen digitaler Initiativen lernen und diese Beispiele zur Inspiration für eigene Idee nutzen.
Insgesamt gewährt der vorliegende Beitrag Praktiker*innen einen Einblick in die Generierung von digitalen Innovations-Ideen mit Hilfe der gezielten Nutzung der Ambidextrie-Perspektive. Zusammen mit den Ideation Patterns und Leitfragen bietet der Beitrag darüber hinaus Orientierung und Anhaltspunkte für digitale ressourcenzentrierte Innovationen. Die 30 Ideation Patterns sind nicht dazu gedacht, kreatives Denken vollständig zu ersetzen, und die Patterns stellen keine vollständig spezifizierten Entwürfe für digitale Initiativen dar. Dennoch sollen die Patterns zu kreativem, ressourcenzentrierterem Denken anregen, um digitale Innovationen schneller und effektiver zu entwickeln, und sie sind eine Ergänzung zu bestehenden Methoden des kreativen Denkens. Es sei außerdem darauf hingewiesen, dass die hier vorgestellten Ergebnisse auf der Analyse von 136 Initiativen auf Oberländer et al. (2021) zurückzuführen sind. Um eine größere Datengrundlage zu erreichen, müssten weitere Daten erhoben werden. Trotz der genannten Restriktionen kann der vorliegende Beitrag Praktiker*innen dabei unterstützen, die Chancen ihrer bestehenden Unternehmensressourcen zu nutzen, veränderte Kund*innenbedürfnisse zu adressieren sowie ihre Ressourcen mit Hilfe der Ambidextrie (exploitative und explorative) für die Verbesserung bestehender Wertangebote und Erkundung neuer Wertangebote nutzt.

Danksagung

Dieser Artikel wurde durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie im Rahmen des Projekts „Fraunhofer Blockchain Center (20-3066-2-6-14)“ gefördert. Wir danken an dieser Stelle für die Unterstützung.
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Fußnoten
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Die Ideation Patterns werden im Anhang von Oberländer et al. (2021) gezeigt aber weder erklärt noch deren Anwendung gezeigt. Somit wird nicht gezeigt wie ein praktischer Nutzen entsteht. In diesem Artikel stehen die Patterns selbst als Stimuli für Innovation, die Leitfragen sowie die Anwendung für Praktiker im Vordergrund.
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Ideation Patterns für ressourcenzentrierte digitale Innovation
verfasst von
Anna-Katharina Lindenthal
Anna Maria Oberländer
Michael Rosemann
Maximilian Röglinger
Publikationsdatum
18.04.2023
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik / Ausgabe 3/2023
Print ISSN: 1436-3011
Elektronische ISSN: 2198-2775
DOI
https://doi.org/10.1365/s40702-023-00970-4

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