Der Steuerwettbewerb zwischen den Staaten hat sich in den vergangenen Jahrzehnten intensiviert.
26 Dies lässt sich einerseits an den nominalen Steuersätzen in der Unternehmensbesteuerung ablesen, die im Durchschnitt immer weiter sinken und sich in den vergangenen vier Jahrzehnten mehr als halbiert haben.
27 Hierzu beigetragen haben in den letzten fünf Jahren z. B. die Steuersatzsenkungen in den USA (von 35 % auf 21 %), Frankreich (von 34 % auf 25 %), Belgien (von 34 % auf 25 %), Norwegen (von 27 % auf 22 %), Tunesien (von 30 % auf 25 %) und Pakistan (von 34 % auf 29 %).
28 Innerhalb der EU fiel der durchschnittliche tarifliche Steuersatz auf Unternehmensgewinne von 47,1 % im Jahr 1981 auf 21,3 % im Jahr 2018.
29 Auch Deutschland senkte seinen Gewinnsteuersatz in diesem Zeitraum von 60 % auf ca. 30 %
30 womit es derzeit dennoch als Hochsteuerland anzusehen ist.
31 In mindestens 23 Ländern betrug der Körperschaftsteuersatz 2021 weniger als 15 %, darunter Irland (12,5 %), Ungarn (9 %) sowie einige Karibikstaaten, die mit einem Steuersatz von 0 % gänzlich auf die Besteuerung verzichten.
32 Abgemildert wurden diese Steuersatzsenkungen teils durch eine Verbreiterung der Steuerbemessungsgrundlagen (z. B. durch Anti-BEPS-Maßnahmen).
33 Andererseits steigt in der EU die Zahl der die Bemessungsgrundlagen aushöhlenden (Präferenz-)Regime, die sowohl Spitzenverdiener als auch multinationale Konzerne in den Fokus nehmen und damit die horizontale wie auch vertikale Steuergerechtigkeit innerhalb der EU-Mitgliedstaaten bedrohen.
34 Insbesondere die steuerlichen Anreize für Forschung und Entwicklung in den Mitgliedstaaten sind in den letzten zwei Jahrzehnten stark angestiegen und sehen häufig Steuersätze von 15 % und weniger auf Gewinne in Zusammenhang mit Patenten, Software und ähnlichen immateriellen Wirtschaftsgütern vor.
35 Daneben sehen sechs Länder
36 fiktive Zinsabzüge vor, die die steuerliche Bemessungsgrundlage mindern und besonders großzügig von Malta und Zypern ausgestaltet werden.
37 Zudem führt eine steigende Anzahl von verbindlichen Auskünften (Advance Tax Rulings, ATR) und sog. Advance Pricing Agreements (APA) neben der erwünschten Rechtssicherheit wohl auch zu steuerlichen Vorteilen gegenüber multinationalen Konzernen und anderen Unternehmen ohne solche verbindlichen Vorbescheide.
38 All diese und weitere Steueranreize führen zu einer Erosion der steuerlichen Bemessungsgrundlagen.
39 Daher betrug die backward-looking effective tax rate (EATR)
40 von multinationalen Konzernen mit einem Mindestumsatz von 750 Mio. Euro in den Jahren 2016 bis 2017 CbCR-Daten zufolge in 8 Mitgliedstaaten weniger als 10 %.
41 Nach den Berechnungen von
Garcia-Bernardo et al. ist die effektive Steuerquote (ETR)
42 von multinationalen Unternehmen in der EU zwischen 2005 und 2015 um 8,7 Prozentpunkte (7,1 Prozentpunkte bei US-Unternehmen) gesunken.
43 Auch nach
Fuest et al. ist die ETR multinationaler und rein national agierender Unternehmen der OECD-Staaten zwischen 1995 und 2016 erheblich gesunken, und zwar um 14,3 Prozentpunkte.
44 Die COVID-19-Pandemie kann möglicherweise eine Trendumkehr herbeiführen. So beabsichtigt das Vereinigte Königreich, seinen derzeitigen Körperschaftsteuersatz von 19 % ab April 2023 für Gewinne über 250.000 GBP auf 25 % anzuheben.
45 Auch die USA sind derzeit unter der neuen Administration mit Präsident Joe Biden dabei, den Körperschaftsteuersatz wieder nach oben zu korrigieren.
46 Ob dies andere Länder dazu bewegen wird, ihrerseits Steuersatzanhebungen vorzunehmen, bleibt hingegen abzuwarten.