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Open Access 2024 | Open Access | Buch

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Die Mindestbesteuerung multinationaler Konzerne

Zur Vereinbarkeit der GloBE-Regeln mit höherrangigem Recht und Doppelbesteuerungsabkommen aus deutscher Perspektive

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Über dieses Buch

Dieses Open-Access-Buch behandelt die globale Mindeststeuer für Großkonzerne, auf die sich im Herbst 2021 137 Staaten verständigt haben, die als Mitglieder im Inclusive Framework (IF) on BEPS von G20/OECD an der Reform des internationalen Steuerrechts arbeiten. Das Buch untersucht, ob die Bundesrepublik Deutschland als an der Einigung beteiligtes Mitglied des IF die neuen Regeln, wie sie aus der Einigung vom 8. Oktober 2021 und den Modellregeln vom 20. Dezember 2021 hervorgegangen sind, implementieren kann. Abgestellt wird hierbei auf eine zum Zeitpunkt der Einreichung dieser Arbeit noch diskutierte rein nationale Umsetzung ohne unionsrechtliche Harmonisierungsvorgaben. Vor diesem Hintergrund werden die Regelungen auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Grundgesetzes, des EU-Rechts und der nach völkerrechtlichen Rechtssätzen verbindlichen Doppelbesteuerungsabkommen überprüft. Unter Berücksichtigung der bislang zu diesen Fragen erschienen Literaturstimmen setzt sich der Autor mit den konkreten Empfehlungen der Modellregeln auseinander und bringt seine eigenen Überlegungen unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Perspektive ein.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Open Access

Kapitel 1. Einführung
Zusammenfassung
Im Jahr 2021 haben sich 137 Staaten mit Unterstützung der OECD auf ein Modellregelwerk zur effektiven Mindestbesteuerung großer multinationaler Konzerne geeinigt. Die vorliegende Arbeit untersucht, ob eine Implementierung in Deutschland ohne dazwischengeschalteten EU-Harmonisierungsakt mit den Vorgaben des Grundgesetzes, des EU-Rechts und der nach völkerrechtlichen Rechtssätzen verbindlichen Doppelbesteuerungsabkommen vereinbar ist. Dies erfolgt auch unter Würdigung der bisher in diesem Zusammenhang erschienenen Literaturstimmen. Eine umfassende, auf die Modellregeln bezogene und für Deutschland spezifizierte Untersuchung ist zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit in der Literatur jedoch noch nicht vorgenommen worden. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels wird der Gang der Untersuchung dargestellt.
Nicolas Steinmeister

Open Access

Kapitel 2. Historische Entwicklung der Mindeststeuerinitiative
Zusammenfassung
Die Einführung einer Mindeststeuer beruht auf Entwicklungen, die bereits vor der Jahrtausendwende begannen. Konkret angestrebt wurde diese jedoch erst ab 2018, nachdem im sog. BEPS-Projekt im Jahr 2015 die Frage der Besteuerung der digitalen Wirtschaft zunächst unbeantwortet geblieben war und die hierzu vorgeschlagenen Lösungsansätze, welche sich von einer Fokussierung auf die Digitalwirtschaft zu lösen drohten, nachteilige Entwicklungen für das exportorientierte Deutschland befürchten ließen. Ein Vorschlag zur Einführung eines Mindestbesteuerungsreglements für niedrig besteuerte Auslandsgewinne multinational tätiger Konzern wurde von Deutschland und Frankreich in das sog. Inclusive Framework, eine bei der OECD angesiedelte Arbeitsgemeinschaft aus zuletzt 141 Staaten, eingebracht und führte dort mit Billigung der G7 und G20 im Dezember 2021 zur Veröffentlichung der sog. Modellregeln. Diese sollen in den Teilnehmerstaaten bis 2023 bzw. 2024 in nationales Recht gegossen werden und dann bereits zur Anwendung kommen. 
Nicolas Steinmeister

Open Access

Kapitel 3. Sinn und Zweck der Mindestbesteuerung
Zusammenfassung
Die Mindeststeuerinitiative verfolgt nach Auffassung des Autors drei primäre Ziele: die Begrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs, die Bekämpfung weiterhin bestehender BEPS-Risiken sowie die Verhinderung nationaler Alleingänge und eines Besteuerungschaos. Das Ziel der Begrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs kann dabei auf einen Negativtrend in der Entwicklung der Nominal- und Effektivsteuersätze gestützt werden. Ob dieser bereits schädliche Ausmaße erreicht hat oder zu erreichen droht, ist dagegen definitionsabhängig. Das Verständnis scheint sich insofern bei den IF-Mitgliedstaaten gewandelt zu haben; den Staaten ist hier nach Ansicht des Autors ein Beurteilungsspielraum zuzugestehen. Hinsichtlich des zweiten Ziels der Eliminierung verbleibender BEPS-Risiken fehlt es zwar derzeit noch an belastbaren empirischen Daten, welche die nach Umsetzung der BEPS-Empfehlungen weiterhin bestehenden Gewinnverlagerungsmöglichkeiten bestätigen. Die theoretische Betrachtung der bisherigen BEPS-Maßnahmen zeigt jedoch jetzt schon Lücken auf, die von Unternehmen genutzt werden könnten, sodass die Annahme weiteren Handlungsbedarfs tragfähig erscheint. Ein koordiniertes Vorgehen im Rahmen des IF stützt sich dabei richtigerweise auf die Prämisse, dass alternative unilaterale Alleingänge verschiedener Staaten die aktuelle Situation im internationalen Steuerrecht nicht verbessern, sondern ganz im Gegenteil zahlreiche negative Folgen mit sich bringen würden.
Nicolas Steinmeister

Open Access

Kapitel 4. Vorstellung der Mindeststeuerregeln
Zusammenfassung
Die Einführung einer weltweiten Mindeststeuer für multinationale Konzerne soll durch ein Gespann aus vier Regelungen erreicht werden. Zu unterscheiden ist zwischen den sog. GloBE Rules („GloBE-Regeln“) und einer ergänzenden „Subject to Tax Rule“ („STTR“) auf DBA-Ebene. Die GloBE-Regeln bestehen aus der vorrangig anzuwendenden „Income Inclusion Rule“ („IIR“) als einer Art Hinzurechnungsbesteuerung, welche von einer ebenfalls auf DBA-Ebene umzusetzenden „Switch-over Rule“ („SOR“) flankiert werden kann, und der nachrangig anzuwendenden „Undertaxed Payments Rule“ („UTPR“), die länderabhängig entweder als Betriebsausgabenabzugsbeschränkung oder in einer vergleichbaren Form (z. B. einer Quellenbesteuerung mit Abzugsverfahren) ausgestaltet werden soll. Die Erhebung der Mindeststeuer soll in diesem Rahmen erfolgen, wenn die Erträge der in einem anderen Staat ansässigen Konzerneinheiten eines multinationalen Konzerns dort mit einem effektiven Steuersatz von weniger als 15 % besteuert werden. Der Differenzbetrag wird dann bei einer anderen Konzerneinheit, im Idealfall der Konzernobergesellschaft, im Inland über die Globe-Regeln nachbesteuert.
Nicolas Steinmeister

Open Access

Kapitel 5. Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz
Zusammenfassung
Implementiert Deutschland die GloBE-Regeln eigenständig, ist der Bund zur Gesetzgebung befugt. Das entsprechende Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Das Steueraufkommen aus den neuen Mindeststeuervorschriften steht in der Regel Bund und Ländern hälftig zu. Für die Verwaltung der Mindeststeuer wären grundsätzlich die Landesfinanzbehörden zuständig. Führt Deutschland die GloBE-Regeln den Modellregeln entsprechend ein, begründet die Anwendung von IIR, UTPR und SOR in jedem Falle eine Durchbrechung des Trennungsprinzips, welche grundsätzlich den in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Steuergerechtigkeit verletzt und damit rechtfertigungsbedürftig ist. Sollte die UTPR als Betriebsausgabenabzugsbeschränkung ausgestaltet werden, begründet dies zudem eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips und damit ebenfalls eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung. Soweit im Rahmen der oben genannten Durchbrechungen gegen das Folgerichtigkeitsgebot verstoßen wird, kann dem nicht die Begründung eines Systemwechsels entgegengehalten werden. Die unterschiedlichen Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 GG durch die GloBE-Regeln können nach Auffassung des Autors jedoch gerechtfertigt werden, wobei strengere Anforderungen an die Rechtfertigung zu stellen sind, die eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit erfordern. In diesem Rahmen führen die bislang vom BVerfG anerkannten Rechtfertigungsgründe – außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke, Vereinfachungs- und Typisierungszwecke und das Ziel der Missbrauchsabwehr – zwar nicht zur Rechtfertigung. Unter der nach Ansicht des Autors gebotenen Anerkennung der Begrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs auf ein faires Mindestmaß im Rahmen eines internationalen Konsensprozesses als legitimen Zweck ist eine Rechtfertigung der verschiedenen verfassungsrechtlichen Durchgriffe jedoch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes möglich und vorliegend zu bejahen. Im Übrigen begründen etwaige mit der Einführung der GloBE-Regeln verbundene Treaty Overrides keine Verletzung des Grundgesetzes.
Nicolas Steinmeister

Open Access

Kapitel 6. Vereinbarkeit mit EU-Recht
Zusammenfassung
IIR  und SOR sind je nach konkretem Einzelfall entweder an der Niederlassungs- oder an der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen. Dies trifft auch auf die UTPR zu, für welche abhängig von der konkreten Ausgestaltung der Erhebungsregelung zudem die Dienstleistungsfreiheit einschlägig sein kann. Sofern IIR und UTPR in Deutschland nur bei grenzüberschreitenden Konstellationen bzw. in Fällen ausländischer Niedrigbesteuerung zur Anwendung kommen, führt dies zu einer offenen Diskriminierung und begründet dadurch eine Beschränkung der einschlägigen Grundfreiheiten. Wird der Anwendungsbereich der beiden Regelungen auf inländische Fälle der Niedrigbesteuerung ausgeweitet, begründet dies sowohl unter der Anlegung eines quantitativen als auch eines qualitativen Maßstabs eine versteckte bzw. mittelbare Diskriminierung. Die SOR wie auch die Umsatzschwelle der GloBE-Regeln begründen im Übrigen für sich genommen jeweils keine Beschränkung der Grundfreiheiten. Eine Rechtfertigung der angenommenen Diskriminierungen über die bisher vom EuGH als zwingende Gründe des Allgemeininteresses anerkannten Rechtfertigungsgründe gelingt nicht. Insbesondere der Rechtfertigungsgrund der Missbrauchsbekämpfung kann mangels verhältnismäßiger Verfolgung dieses Ziels nicht herangezogen werden, da sich die GloBE-Regeln nicht ausschließlich gegen rein künstliche Gestaltungen richten, deren einziger oder wesentlicher Zweck die Erzielung eines steuerlichen Vorteils ist. Allerdings ist eine Rechtfertigung der verschiedenen Diskriminierungen bei Anerkennung der Begrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs auf ein faires Mindestmaß im Rahmen eines internationalen Konsensprozesses als zwingenden Grund des Allgemeininteresses möglich und vorliegend zu bejahen. Von einer Verletzung des allgemeinen Diskriminierungsverbots (Art. 18 AEUV), des allgemeinen Freizügigkeitsrechts (Art. 21 AEUV) oder der Unionsgrundrechte durch die GloBE-Regeln ist hingegen nicht auszugehen. Ein Verstoß gegen das Beihilfeverbot ist ebenfalls nicht gegeben. Zwar begründen die Umsatzschwelle und die Ausnahmeregelung für sog. Excluded Entities einen Vorteil. Allerdings ist das Kriterium der Selektivität nicht erfüllt. In Bezug auf die von den Regeln ausgenommenen Konzernobergesellschaften und deren Holdings sind überwiegend keine in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vergleichbaren anderen Unternehmen auszumachen, die den GloBE-Regeln unterliegen und dadurch einen Wettbewerbsnachteil erleiden. Zudem führt diese Ausnahmeregelung zu einer Vereinfachung, die der Zielsetzung der GloBE-Regeln nicht entgegensteht. Der a priori selektive Vorteil aus der Umsatzschwelle ist demgegenüber gerechtfertigt, weil diese Regelung ebenfalls der Vereinfachung dient und nicht das Ziel verfolgt, auf die Wettbewerbssituation zwischen den durch die Umsatzschwelle ein- und ausgeschlossenen Konzernen Einfluss zu nehmen. In Bezug auf die Vereinbarkeit der GloBE-Regeln mit den wenigen die direkten Steuern betreffenden Richtlinien der EU ist zunächst festzuhalten, dass es bei Beibehaltung der formalen Betrachtungsweise durch den EuGH zu keinem Konflikt zwischen einer deutschen IIR und Art. 4 MTRL kommen dürfte. Dies gilt ebenso für eine mögliche SOR. Auch die UTPR begründet aufgrund ihres auf abzugsfähige Zahlungen beschränkten Anwendungsbereichs in Deutschland keinen Verstoß gegen die MTRL. Demgegenüber führt die ZLRL dazu, dass für die rechtssichere Implementierung der UTPR derzeit nur die Erhebungsform der Abzugsbeschränkung in Betracht kommt. Für die Einführung der UTPR in Form einer Quellensteuer bedürfte es dagegen der Änderung der ZLRL, die allerdings Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten voraussetzt. Hinsichtlich der ATAD bestehen für die Umsetzung der GloBE-Regeln in deutsches Recht keine rechtlichen Bedenken.
Nicolas Steinmeister

Open Access

Kapitel 7. Vereinbarkeit mit deutschen Doppelbesteuerungsabkommen
Zusammenfassung
Die im Rahmen von GloBE zu erhebenden Steuern fallen unter den Steuerbegriff der deutschen DBA, sodass die GloBE-Regeln auf ihre Vereinbarkeit mit den weiteren Abkommensvorschriften untersucht werden können. Diese Untersuchung zeigt durchaus Konfliktpotenzial auf. So kann in Bezug auf die IIR eine Regelungskollision mit Art. 7 Abs. 1 Satz 1 DE-VG nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Anwendung der SOR könnte deutschen DBA und den darin enthaltenen Freistellungsmethodenartikeln widersprechen, sollte die SOR nicht selbst in das jeweilige DBA aufgenommen werden. Die UTPR in der Erhebungsform der Quellensteuer dürfte regelmäßig mit den Art. 7 Abs. 1 Satz 1, Art. 11 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 DE-VG kollidieren. Auch können je nach Auslegung des Abkommensrechts und Ausgestaltung der UTPR Konflikte zwischen der UTPR als Abzugsbeschränkung mit Art. 9 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 4 DE-VG entstehen. Während die im Blueprint angeführte Saving Clause nicht zur deutschen Abkommenspraxis gehört und folglich keine der angeführten Konflikte zu lösen vermag, sollten Abkommensregelungen i. S. d. Art. 28 Abs. 1 DE-VG eine Regelungskollision der GloBE-Regeln mit bestehenden deutschen DBA verhindern. Für Fälle, in denen eine solche Klausel nicht Teil des deutschen DBA ist, wird eine Änderung der entsprechenden Abkommen zur rechtssicheren Umsetzung empfohlen.
Nicolas Steinmeister

Open Access

Kapitel 8. Zusammenfassung der Ergebnisse
Zusammenfassung
Im Nachfolgenden werden die Ergebnisse der verfassungs-, unions- und DBA-rechtlichen Untersuchung noch einmal zusammenfassend dargestellt.
Nicolas Steinmeister
Backmatter
Metadaten
Titel
Die Mindestbesteuerung multinationaler Konzerne
verfasst von
Nicolas Steinmeister
Copyright-Jahr
2024
Electronic ISBN
978-3-658-44059-6
Print ISBN
978-3-658-44058-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44059-6