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16.05.2024 | Risikomanagement | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie Unternehmen Klimarisiken managen

verfasst von: Annette Speck

6 Min. Lesedauer

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Hitzewellen und Dürre, Starkregen und Überschwemmungen, Orkane und Hagelstürme: Der Klimawandel ist das größte globale Risiko. Doch wie bekommen Unternehmen die Klimarisiken in den Griff?

Alle reden von der Erderwärmung. Nun warnt eine neue holländische Studie im Zusammenhang mit dem Klimawandel auch vor Eiseskälte in Europa. Der in "Science Advanced" veröffentlichten Forschungsarbeit zufolge droht die Atlantische Meridionale Umwälzströmung (AMOC) noch in diesem Jahrhundert zu kippen.

Dies hätte einen Zusammenbruch des Nordatlantikstroms zur Folge. In dessen Folge könnten unter anderem die Winter in Nordeuropa innerhalb eines Jahrhunderts um zehn bis 30 Grad Celsius kälter werden und die hiesige Landwirtschaft zusammenbrechen. Die Ergebnisse, die auf einer Klimasimulation für 4.400 Modelljahre basieren, sind ein weiterer Weckruf, sich schnellstens auf die Folgen des Klimawandels einzustellen.

Extremwetter hat spürbare Auswirkungen

Dass die Klimarisiken Führungspersonen aus der internationalen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sehr bewusst sind, belegt der Global Risk Report 2024 des World Economic Forums. Darin rangieren extreme Wetterereignisse mittlerweile auf dem zweiten Platz der kurzfristigen Risiken. Unter den langfristigen Risiken liegen sie ganz vorn, gefolgt von weiteren Umweltrisiken.

Auch die deutsche Wirtschaft nimmt den Klimawandel inzwischen ernst, denn sie spürt dessen Auswirkungen längst. Ein Hintergrundpapier des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) nennt Zahlen: Demnach haben sich Ereignisse wie Extremwetter, Hitze oder Hoch- und Niedrigwasser auf die Geschäftstätigkeit von 41 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie der Hälfte aller Großunternehmen ausgewirkt.

Wenig Bewusstsein für Mitverantwortung am Klimawandel

Nachvollziehbarerweise werden vor allem die Auswirkungen des Klimawandels und seiner Risiken und Folgen für das eigene Unternehmen und Geschäftsmodell besonders wahrgenommen, stellt die KPMG/VDMA-Studie "Klimarisiken und Folgeschäden des Klimawandels 2023" fest. Dabei fühlen sich die 235 im August 2023 in Deutschland befragten Firmenentscheider insbesondere von diesen Klimarisiken bedroht:

  • Veränderung der Nachfrage (45 Prozent),
  • Ressourcenknappheit (42 Prozent),
  • Schäden an der Infrastruktur (31 Prozent).

Eine Mitverantwortung des eigenen Unternehmens für den Klimawandel sehen die meisten Studienteilnehmer eher nicht: Nur 15 Prozent der Unternehmen schätzen ihren Einfluss auf die Klimarisiken und -folgen als hoch ein. Zudem nehmen die Befragten Klimarisiken und Folgeschäden innerhalb von Deutschland bisher weniger stark wahr als die im weltweiten Zuliefernetzwerk.

KMU setzen weniger Anpassungsmaßnahmen um

Am Handlungsbedarf zweifelt indessen niemand. Dem IfM-Papier zufolge, dem eine Befragung unter 1.315 deutschen Unternehmen aller Branchen und Größen im Sommer 2022 zugrunde liegt, haben viele Firmen längst Maßnahmen ergriffen, um die Auswirkungen der Klimarisiken zu reduzieren. Doch es gibt Unterschiede zwischen KMU und Großunternehmen. Letztere haben deutlich häufiger bereits bauliche Maßnahmen umgesetzt (46 Prozent) oder Versicherungen (30 Prozent) abgeschlossen als KMU (jeweils 24 Prozent).

Das Papier identifiziert auch Gründe: Sowohl zu den Klimarisiken als auch der Anpassungsnotwendigkeit und den Anpassungsmöglichkeiten fühlen sich KMU schlechter informiert als Großunternehmen. Zudem sind die Wertschöpfungsketten von KMU vergleichsweise weniger verzweigt und weniger stark von außereuropäischen Folgen des Klimawandels betroffen. Darüber hinaus stellt die IfM-Analyse aber auch fest, dass das Maß der Beschäftigung mit den Folgen des Klimawandels in vielen Unternehmen von den persönlichen Überzeugungen der Geschäftsführungsebene, Eigentümer und Beschäftigten abhängt.

UBA präsentiert Modellansatz zum Klimarisikomanagement

Das Umweltbundesamt (UBA) betont ebenfalls in seinem Abschlussbericht zum Forschungsprojekt "Ökonomie des Klimawandels", dass für viele Unternehmen die Verfügbarkeit von geeigneten Informationen zu lokalen Klimagefahren ein Problem darstellt. Dabei sind diese Informationen gerade für die erstmalige Identifizierung und Bewertung physischer Klimarisiken essentiell.

In dem Bericht präsentiert das Umweltbundesamt neben dem Stand der Forschung zum Klimarisikomanagement unter anderem einen modellhaften Ansatz, wie sich physische Klimarisiken managen lassen. Dieser Ansatz sei auf Industrieunternehmen ab cica 500 Mitarbeitenden ausgerichtet. Kleinere Unternehmen und Unternehmen anderer Wirtschaftssektoren könnten sich daran orientieren:

Ein Zehntel des Jahresumsatzes für grüne Transformation

Doch wie sehen nun die Maßnahmen zum Schutz vor Klimarisiken konkret aus? Laut der KPMG-Studie planen 43 Prozent der Unternehmen, mindestens ein Zehntel ihres Jahresumsatzes in die grüne Transformation zu investieren. Auf einen Umsatz-/Margenverzicht zugunsten der Reduzierung von Klimarisiken wären aber die wenigsten bereit - vor allem nicht die umsatzstarken Konzerne.

Welchen der folgenden Aussagen in Bezug auf Aktivitäten und Investitionen zur Reduzierung von Klimarisiken oder Minderung von Folgeschäden des Klimawandels stimmen Sie zu?

Aussagen

Gesamt

Bis 1 Mrd. EUR Umsatz

Über 1 Mrd. EUR Umsatz

Wir verzichten auf bzw. reduzieren Dienstreisen und sind bereit, persönlichen Kundenkontakt einzuschränken.

45 %

48 %

40 %

Wir sind bereit, einen erheblichen/überdurchschnittlichen Umsatzanteil in die grüne Transformation zu investieren (> 10 % Jahresumsatz).

43 %

36 %

54 %

Wir werden unseren Strategieplan zur Reduzierung von Klimarisiken und -folgeschäden und/oder ohne Verzicht  und zusätzliche Investitionen umsetzen.

27 %

26 %

27 %

Wir sind bereit, besonders klimaschädliche Unternehmensteile und Geschäftseinheiten zu veräußern.

13 %

12 %

14 %

Wir sind bereit, auf einen erheblichen Margenanteil zu verzichten (z.B. > 10 % Gewinnmarge).

5 %

8 %

0 %

Wir sind bereit, auf einen erheblichen Umsatzanteil zu verzichten (z.B. > 10 % Umsatz).

5 %

8 %

0 %

Quelle: KPMG Deutschland, 2023, Angaben in Prozent, Mehrfachauswahl, n=224

Unternehmen sind ambitioniert beim Klimamanagement

Mehr als jedes zweite Unternehmen bezeichnet das Ambitionslevel beim eigenen Klimamanagement als hoch. Neun Prozent der Befragungsteilnehmer halten sich sogar für Vordenker in punkto Klimarisiken und verlangen auch von Geschäftspartnern ein entsprechendes Engagement.

Gleichzeitig betrachten heute viele Unternehmen die notwendigen Investitionen zur Lösung der Umweltprobleme gar nicht mehr nur negativ. Sie erhoffen sich vielmehr auch neues Umsatzpotenzial. So sehen 73 Prozent der KPMG-Studienteilnehmer in der Entwicklung von Produkten und Services zur Minderung von Folgeschäden des Klimawandels zusätzliches Geschäftspotenzial in Höhe von 206 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren. Und jedes vierte Unternehmen (25 Prozent) hat bereits neues Absatzpotenzial erschlossen.  

Risikomanagementsysteme haben Lücken

Nichtsdestotrotz berücksichtigen über die Hälfte der Industrieunternehmen in Deutschland Klimarisiken und -folgeschäden nicht vollumfänglich in ihrem Risikomanagementsystem, stellen die KPMG-Experten fest. Dabei zahle sich ein frühzeitiges und aktives Klimarisikomanagement in mehrerlei Hinsicht aus.

Erstens sollten die Kosten für Anpassungslösungen nicht unterschätzt werden. Wer diese frühzeitig plant, kann Aufwendungen auf längere Zeiträume verteilen und das operative Geschäft schonen. Zweitens kann mit neuen Produkten und Services zum Schutz vor Klimarisiken oder zur Minderung von Folgeschäden des Klimawandels aber auch zusätzlicher Umsatz generiert werden. Eine echte Win-Win-Situation.“ Michael Salcher, Regionalvorstand Ost, Head of Energy & Natural Resources, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Bei allen Überlegungen zum richtigen Risikomanagement, sollte eins allerdings nicht vergessen werden, geben Jörn Birkmann et al. im Zusammenhang mit der Bewertung von Gefahren, Expositionen, Verwundbarkeiten und Risiken zu Bedenken: "Neben Anpassungsmaßnahmen sind auch Maßnahmen zur CO2-Minderung unabdingbar, damit der Klimawandel und die damit aller Wahrscheinlichkeit nach verbundenen Extremereignisse in einem Rahmen bleiben, an den sich überhaupt noch anpassen lässt." (Seite 336)

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