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31.03.2023 | Führungsqualität | Kolumne | Online-Artikel

Harte CEOs für harte Zeiten?

verfasst von: Julius Bachmann

4 Min. Lesedauer

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Chefs sollen menschlich sein und nicht nur harte Hunde. Das predigen Unternehmensberater seit Jahren. Und doch wird gerade in Krisenzeiten der Ruf nach einer strengen Hand an der Unternehmensspitze laut. Ein grober Irrtum, warnt Executive Coach Julius Bachmann.

Ein kleiner Realitätscheck: Noch nie wurde ich in unterschiedlichen Rollen und Verantwortlichkeiten gefragt, wie ein härterer Führungsstil aussehen könnte. Und die meisten sogenannten harten Unternehmer, die zu mir kommen, leiden eher unter ihrem Ruf und der fehlenden Wirksamkeit. 

Dennoch grüßt im aktuellen, schwachen Markt wieder das Murmeltier. Kaum korrigieren die Zentralbanker ihre Leitzinsen nach oben und die Wall-Street-Analysten ihre Kaufempfehlungen nach unten, schallen die Unkenrufe wieder durch Eckbüros und Chefetagen: Jetzt brauche es klare Ansagen, ein härterer Führungsstil müsse her, ein Krisenmanager eben. So werden kurzum Firmen umstrukturiert, unprofitable Bereiche abgestoßen oder geschlossen und geschätzte Mitarbeiter müssen gehen. Der harte Führungsstil ist eine Floskel der Berater und Investoren. In der Führungsrealität hat er keinen Platz.

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Harte Führung ist Energieverschwendung

Der amerikanische Unternehmer und Investor Ben Horowitz hat mit dem Konzept "Wartime CEO/Peacetime-CEO" eine Blaupause geliefert, die in Krisenzeiten von zu vielen Unternehmenslenkern fehlinterpretiert wird. Horowitz bezieht sich auf die Idee, dass sich der Führungsstil und die Herangehensweise eines Managers an die Veränderungen in seinem Geschäftsumfeld anpassen sollten. In Wartime – also in Zeiten schwacher Märkte - soll der CEO demnach entschlossen und aggressiv sein, schnelle Entscheidungen treffen und mutige Maßnahmen ergreifen, um das Überleben des Unternehmens zu sichern. In Peacetime kann sich der CEO auf langfristiges Wachstum und den Aufbau einer nachhaltigen Zukunft für das Unternehmen konzentrieren.

Leider finden wir diesen "Wartime CEO" als Prototypen einer Kultur der Härte heute viel zu oft in überforderten Geschäftsführern beziehungsweise Vorständen wieder. Viele CEOs haben die letzte wirkliche Krise zwischen 2007 und 2009 nicht in einer Führungsrolle erlebt. Folglich sind sie als Chefs und Chefinnen in einem Marktumfeld des Überflusses aufgewachsen. Selbst in den Corona-Jahren waren zwar die Gemüter angespannt, doch Finanzierungen flossen nach kurzer Zeit mehr als reichlich.

In keinem Wort spricht Horowitz aber über Härte. Zu den Stärken eines "Wartime CEO" gehört eben auch, eigene Fehler zuzugeben, Hilfe anzunehmen und Verantwortung abzugeben. Sich als CEO als Alphatier zu positionieren, ist verschwendete Energie: Markt, Gesellschafter und Mitarbeiter brauchen maximale Orientierung und Stabilität. Wo geht es hin und worauf können wir uns in stürmischen Zeiten noch verlassen? Genau an der Stabilität, der Empathie, dem "Ich bin da für Euch" wird dann meistens gespart. Eine gesunde Kombination – auch für schlechte Zeiten – findet sich im Führungskonzept "starker Rücken, offenes Herz". Es wird hierzulande wie auch in den Vereinigten Staaten zunehmend gelebt, nicht zuletzt vom ehemaligen CEO des Online-Marktplatzes Etsy, Chad Dickerson.

Ein klarer Führungsstil ist nicht mit Härte zu verwechseln

Unternehmer dürfen sich in der heutigen Zeit nicht zu schade sein, in Ihrer Klarheit radikal, aber in ihrer Haltung ebenso offen und warm zu sein. Im Englischen heißt es so schön: "Form follows function". Mit diesem pragmatischen Ansatz haben Ventue-Capital-finanzierte Gründer bereits früh Korrekturen eingeleitet und ihre Unternehmen auf die neue Realität vorbereitet. Sie haben ganze Initiativen und Produkte gestoppt, die einen großen Teil der Belegschaft beschäftigten. In der Folge vereinten sie die Organisation hinter einem Produkt und führten es in die Profitabilität, um das Überleben des Unternehmens zu sichern.

Die Werttreiberanalyse als Fokus-Tool

Ein praktisches Tool zur Erzeugung von mehr Fokus ist die Werttreiberanalyse: In einem Baumdiagramm steht das langfristige Ziel ganz oben und die wichtigsten Treiber führen zu diesem Ziel hin. 

  • Auf der nächsten Ebene werden diese Treiber wiederum in ihre Komponenten aufgeschlüsselt. 
  • Jedem Treiber wird eine Kennzahl zugeordnet, ein Ziel festgelegt und mit einem Zeitrahmen verknüpft. 
  • Abschließend – erst jetzt kommt die Organisationsstruktur ins Spiel – bekommt jeder wichtige Treiber einen Verantwortlichen. So löst sich die Frage um die Strategie von der Frage der Hierarchie.

Die No-Go-Liste

Um sich künftig weiter zu fokussieren, ist Im Anschluss das Erstellen einer Liste sinnvoll: 

  • Zunächst gilt es mehr als 30 Initiativen/Projekte aufzulisten, an denen es sich lohnt zu arbeiten, sowie
  • die zwei oder drei wichtigsten Dinge zu notieren, an denen das Unternehmen in diesem Quartal arbeiten kann.
  • Alles weitere kommt auf eine No-Go-Liste.

Wenn die Mär des harten CEOs in harten Zeiten fortgesetzt wird, erntet die Gesellschaft eine Generation ausgebrannter Unternehmen ohne Vertrauensbasis. Mit einem klaren Fokus und transparenter Kommunikation – einem starken Rücken – kann Führung auch in herausfordernden Zeiten gelingen. Langfristig wird das Unternehmen aber nur überleben, wenn CEOs und Führungskräfte ihr offenes Herz auch für die gesamte Organisation zugänglich halten. Wo Härte meist bedeutet, sich nicht in die Karten schauen zu lassen, ermöglicht Klarheit volle Transparenz. So können CEOs wieder mit Empathie das Team und alle Beteiligten führen.

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