Von agilen Methoden versprechen sich Unternehmen viel. Damit die hochgesteckten Ziele mit Scrum oder Kanban auch erreicht werden, sollten Firmen bei der Umsetzung nicht halbherzig agieren. Scrum Master Markus Stroh erläutert Ansätze und Wege in die Agilität.
Agilität ist in aller Munde. Doch damit Teams das Potenzial voll ausschöpfen können, muss zunächst klar sein, in welche Richtung das Vorhaben gehen soll. Soll ein erster Gehversuch in Agilität stattfinden? Geht es darum, Support-Arbeit mit schlanken Leitplanken zu versehen? Oder sollen agile Teams skaliert oder vielleicht eine agile Transformation initiiert werden? Alle Wege sind möglich und den korrekten einzuschlagen, bedeutet zu verstehen, was benötigt wird.
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Agile Grundlagenarbeit
Um agil durchzustarten, hilft es bereits im Vorfeld die notwendigen Zertifizierungen aufzubauen, aber vor allem auch das Mindset und die Tools zu etablieren. Selbstorganisation, Initiative und Verantwortung zu übertragen, sind immer möglich – unabhängig vom gewählten Vorgehen. Beherrschen Mitarbeitende bereits Themen wie extreme Programming, Continoues Integration, Automated Testing, DevOps und Versionierungs- sowie Build-Tools, dann sind gute Grundlagen gelegt. Fehlt es jedoch an Wissen, dann kommt dieser Aufwand zusätzlich zur Prozessumstellung dazu.
Scrum einführen mittels Scrum-Atelier
Wird darüber nachgedacht Scrum einzuführen, dann ist es häufig hilfreich mit einem Scrum-Atelier zu starten. Darunter versteht sich ein erstes überschaubares Projekt, das losgelöst von bestehenden Firmenstrukturen agieren darf und sich so leichter von der gewohnten Arbeitsnorm löst. Im Optimalfall wird das Projekt mit Personen besetzt, die Interesse an einer Weiterentwicklung oder Agilität mitbringen. Scrum spielt seine Stärken insbesondere bei komplexen Projekten aus, deren Ziele unklar sind oder sich im Verlauf der Umsetzung verändern. Die starken Leitplanken und das integrierte Risikomanagement helfen, wenn die entsprechenden Artefakte und Events auch korrekt umgesetzt werden. So gelingt ein erster Einstieg in die agile Welt.
Minimalistisches Management durch Kanban
Ist das Team sehr klein oder der Aufgabenfluss unstet, dann kann Kanban mit seinem reduzierten Prozess-Korsett unterstützen. Vor allem Support-Arbeit, die unabhängig von Zyklen auftritt und in der Abarbeitungsreihenfolge stark durch ihre Kritikalität beeinflusst wird, ist eine bewährte Einsatzmöglichkeit. Ein einfaches Board und wenige vorgegebene Standard-Termine etablieren einen Grundstock. Der für Kanban typische Einsatz von Work-In-Progress-Limitierungen hilft dabei, den Fokus zu bewahren und sich darum zu kümmern, hoch priore Aufgaben abzuarbeiten. Klein-Teams von bis zu drei Personen eignen sich hervorragend. Oftmals wird Kanban auch zur Organisation von einzelnen Personen oder sogar zur alltäglichen Selbstorganisation eingesetzt. Es ist damit sehr einfach und vielseitig.
Agile Skalierung im Kleinen mit Scrum-of-Scrums
Wer bereits Agilität einsetzt – im Optimalfall mittels Scrum – der kann durch Scrum-of-Scrums eine erste Skalierung einführen. Dabei bleiben bekannte Prozessstrukturen erhalten und werden lediglich durch Termine ergänzt, die dem Austausch mehrerer Teams über Abgesandte dienlich sind. Bevor Scrum-Teams zu groß und ineffizient werden, ist dieser Schritt einfach und mit wenig Risiko verbunden. Dabei steigt die Effizienz häufig nach kurzer Zeit und der Weg zurück ist immer möglich.
Eine Verschlankung hilft, die Teammitglieder wieder zu aktivieren und jeden Einzelnen in den Vordergrund zu bringen. Mehr Initiative und einfachere Selbstorganisation sind das Ziel, aber gleichzeitig auch, die Ressourcen zur Abarbeitung zu stärlen. Weitere Teams sollten dabei immer organisch entstehen, sodass ein initiales Team aufgeteilt, zunächst weiterwächst und dann wieder geteilt wird. Nur so bleiben die Gesinnung, das Teamplay und die Philosophie bestehen.
Mittlere Skalierung durch Nexus
Spätestens ab dem vierten agilen Team werden häufig neue Strukturen benötigt, um Backlogs, Abhängigkeiten und den direkten Austausch richtig zu kultivieren und aufrechtzuerhalten. Nexus ist ein Skalierungsframework von Scrum.org, nutzt das klassische Scrum als Kern und hebt dabei das Verwaltungsspektrum auf drei bis neun Teams an. Ein spezielles Nexus-Integration-Team (NIT) unterstützt dabei die übrigen Teams und achtet auf technische sowie fachliche Orchestrierung plus Wissensweitergabe im gesamten Verbund. Wer in Scrum stark ist, der kann mit Nexus vergleichsweise einfach auf eine mittlere Größe wachsen. Auch hier gilt der Rat, dass die Teams im Optimalfall organisch wachsen und gespalten werden sollten, damit das Grundgerüst und die Ideologie gesund mitwachsen.
Extreme Skalierung und agile Firmentransformation
Ist das Ziel, darüber hinaus zu skalieren, dann empfehlen sich Modelle wie Large Scale Scrum (LeSS) oder Scaled Agile Framework (SAFe), da die Grundprozesse im Scrum-Kern eine solche organisatorische Orchestrierung nicht mehr mittragen können. Beide Varianten dienen der Möglichkeit, potenziell hunderte Personen zu vereinen, führen aber zwingend zu einer größeren Umstrukturierung.
SAFe im Speziellen nutzt auch den Gedanken einer agilen Transformation als Ganzes und bringt nicht nur Geschäftsbereiche und oberes Management zusammen, sondern ermöglicht eine ganzheitliche Portfolio-Planung. Diese Ansätze entfernen sich stärker von den einfachen Skalierungsvarianten und dem Scrum-Kern. Hier sind in jedem Fall eine langfristige Planung und ein gezieltes Consulting von außen nötig, um von Beginn an den Kurs richtig zu setzen.
Fazit: Agilität ist die letzten 20 Jahre stark gewachsen, hat sich gewandelt, weiterentwickelt und es gehört ein Verständnis dazu, um was es sich handelt. Um damit erfolgreich zu sein und die für sich individuell passende Ausprägung zu identifizieren, einzusetzen und sie kontinuierlich zu adaptieren, braucht es Know-how. Wichtig ist dabei, dass das eigene Zielbild und die Erwartungshaltung klar und angemessen sind. Ein Blick von außen durch agiles Coaching oder Consulting kann dabei helfen offene Fragen zu beseitigen und den richtigen Weg zu finden. Grenzen gibt es nur wenige und die meisten Anwendungsfälle können dabei auch sinnhaft erschlossen werden.